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Seine Augen wurden schmal.»Schuldig? Wieso schuldig?«

«Erinnere dich an unsere Maximen«, sagte ich.»Schuldgefühl entsteht aus der Spannung, die wir empfinden, wenn wir unsere Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft einer anderen Person wegen ändern möchten. Das Schuldgefühl hat für die Ehe etwa die gleiche Bedeutung wie der Eisberg für die Titanic. Erwischt es dich im Dunkeln, gehst du unter.«

Seine Stimme hatte plötzlich einen sehnsüchtigen Klang.»Ich hatte die leise Hoffnung, die Frau, die ich heirate, würde ein wenig wie ich sein.«

«Nein! Hoffe das nicht, Dickie! In zweierlei Hinsicht gleichen wir uns, Leslie und ich. Wir sind uns darüber einig, daß unser Ehegemahl einige verkehrte Wertvorstellungen hat und einige Prioritäten gedankenlos setzt. Wir sind uns auch darüber einig, daß wir mehr ineinander verliebt sind als zu dem Zeitpunkt, als wir uns kennengelernt haben. In jeder anderen Hinsicht sind wir recht verschieden.«

Er war nicht überzeugt.»Ich bin mir nicht sicher, ob eine Fahrt über den Wasserfall bewirken würde, daß ich jemanden mehr liebe.«

«Es war nicht Leslie, die mich ins Faß gesperrt hat, Kapitän, ich war es selbst! Ich habe geglaubt, daß ich sie kennen würde. Wenn ich jetzt zurückblicke, denke ich: Wie konnte ich nur so einfältig sein? Sie hat sich bei mir zwar in manchem verschätzt, aber wie schön ist es, einen so langen Weg mit der Person, die du liebst, gemeinsam zurückzulegen! Jahraus, jahrein mit ihr zusammen… sogar die Stürme sind ein Spaß, wenn sie vorüber sind. In der Nacht lege ich manchmal den Arm um sie und habe das Gefühl, daß wir uns gerade erst kennengelernt haben, daß wir gerade anfangen, ›hallo‹ zu sagen!«

«Das ist schwer zu kapieren«, sagte Dickie.

«Man kann es nicht kapieren, Dickie. Ich glaube nicht, daß das möglich ist. Man muß es selbst erleben. Ich wünsche dir Geduld und Geschick.«

Ich verließ ihn, damit er in Ruhe darüber nachdenken konnte. Erst später fiel mir ein, daß ich vergessen hatte, ihm das Geheimnis der Ehe zu verraten.

35

Jede Struktur ist Bewußtsein. Flugzeuge werden zu Lebewesen, wenn wir glauben, daß sie welche sind. Wenn ich Daisy wasche, poliere und jedem Quietschen nachgehe, bevor es zu einem lauten Kreischen wird, kommt vielleicht der Tag, an dem sie sich revanchiert — wo sie sich, bevor es ihr technisch überhaupt möglich ist, auf Befehl in die Luft erhebt oder rechtzeitig landet, bevor die verkürzte Landebahn im Nichts endet. Im Laufe von vierzig Flugjahren ist das nur einmal geschehen, und ich bin mir nicht sicher, ob ich diese Freundlichkeit je wieder benötigen werde.

Mir kam es deshalb überhaupt nicht ungewöhnlich vor, an jenem Morgen auf dem Betonboden unseres Hangars zu liegen und drei Stunden lang die Abgasspuren und den Ölfilm von Daisys Bauch wegzuwischen.

Jede Nacht ändern wir unser Bewußtsein, wenn wir in den Schlaf sinken, dachte ich, als ich meinen Lappen kurz in Benzin tauchte. Und am Tag ist es genauso, wann immer wir das eine tun und über das andere nachdenken. Schlafen und Erwachen, Traum und Tagtraum hundertmal am Tag — wer zählt diese Zustandsänderungen?

Das einzige, was ich erblickte, waren Jeans von den Knien an abwärts, aber die Füße steckten in altmodischen Tennisschuhen, und ich wußte, daß er es war.

«Bist du für alles persönlich verantwortlich?«fragte Dickie.»Für alles in deinem Leben? Hast du die ganze Last zu tragen?«

«Für alles«, gab ich zur Antwort und war froh darüber, daß er mich gefunden hatte.»Es gibt keine Massen, es gibt nur uns alte Durchschnittstypen, die wir unser altes Leben so mittelmäßig gestalten, wie wir wollen. Es ist nicht schwer, Dickie. Es macht Spaß, Verantwortung zu tragen, und jeder von uns hat alle Hände voll damit zu tun, dem anderen aus der Patsche zu helfen.«

Er setzte sich mit gekreuzten Beinen auf den Boden und sah mir bei der Arbeit zu.»Zum Beispiel?«

«Der Lebensmittelhändler, der es uns leicht macht, etwas zum Essen zu finden, oder der Filmemacher, der uns Geschichten erzählt, oder der Zimmermann, der ein Dach über unseren Köpfen zusammennagelt, oder der Flugzeugbauer, der die schöne Daisy auf den Markt bringt.«

«Und wenn es Daisy nicht gäbe, würdest du sie dir selbst bauen?«

«Müßte ich mir mein eigenes Flugzeug selbst bauen, würde es wahrscheinlich kleiner sein als Daisy. Es wäre dann ein ultraleichter Hanggleiter.«

Ich stippte meinen Lappen in die Kanne mit dem Poliermittel. Ein kleines bißchen genügt, um die schlimmsten Spuren der Abgase zu beseitigen.

«Wärst du auch dafür verantwortlich, etwas zum Essen zu finden, selbst wenn es keine Geschäfte gäbe?«

«Wer sonst würde es für mich tun?«

«Würdest du die Kühe selbst töten?«

Beim Polieren merkte ich, daß das Fiberglas einen Sprung aufwies, der bei einer Strebe in der Nähe der Antenne des Entfernungsmeßgeräts begann. Nichts Gefährliches, aber ich notierte mir, daß die Stelle repariert werden mußte.

«Leslie und ich essen keine Kühe mehr, Dickie. Wir würden deshalb auch keine töten. Und wenn wir den Entschluß fassen, den einzelnen Schritten irgendeines Verfahrens nicht zuzustimmen, werden wir auch dem Resultat unsere Zustimmung versagen.«

Er dachte darüber nach.»Trägst du kein Leder?«

«Ich werde keine andere Lederjacke, wahrscheinlich auch nie einen zweiten Ledergürtel besitzen, aber wenn es keine andere Möglichkeit gibt, werde ich mir wahrscheinlich doch wieder Lederschuhe kaufen. Dann kann es passieren, daß ich mit meiner Schuhschachtel zur Kasse gehe und es nicht fertigbringe, zu bezahlen und die Schuhe mitzunehmen. Prinzipien ändern — das ist ein langwieriger Prozeß, und wir wissen nicht, ob sie sich geändert haben, bis etwas, was richtig war, nicht mehr in Ordnung zu sein scheint.«

Er nickte, da er diese Antwort erwartet hatte.»Alles ist individuell.«

«Ja.«

«Bist du für deine eigene Bildung verantwortlich?«fragte er.

«Ja. Ich bemühe mich, die Bildung zu erhalten, die ich haben möchte.«

«Für deine Unterhaltung?«

«Weiter«, sagte ich.

«Für deine Luft, dein Wasser, deinen Job…«

«… meine Reisen, mein Verhalten, meine Kommunikation, meine Gesundheit, meine Sicherheit, meine Ziele, meine Philosophie und meinen Glauben, meinen Erfolg und meinen Mißerfolg, meine Ehe, mein Glück, mein Leben und meinen Tod. Mir gegenüber bin ich verantwortlich für das, was ich denke, für jedes Wort, das ich sage, für jede Bewegung, die ich mache. Ob mir etwas gefällt oder nicht, es gilt, denn vor langer Zeit habe ich mich dafür entschieden. «Wohin zielte er mit seinen Fragen? Testete er mich?

Ich rieb die polierte Farbschicht mit Wachs ein — behutsamer bei den Wirbelerzeugern, die einem Zaun von Messern glichen, energischer in der Nähe der Antennen und die übrige Fläche mit weit ausholenden Bewegungen. Ob ihn die bloße Neugier trieb oder ob er mich auf die Probe stellte — ich würde ihm keine Antwort schuldig bleiben.

«Also machst du alles in der Welt der Erscheinungen für dich selbst?«fragte er.»Hast du persönlich deine ganze Zivilisation erschaffen?«

«Ja, danke«, sagte ich.»Möchtest du wissen, wie?«

Er lachte.»Du würdest platzen, wenn ich jetzt nein sagte.«

«Es würde mir nichts ausmachen«, log ich.»Schön, ich würde platzen.«