Выбрать главу

«Erzähl mir bitte, wie du deine persönliche Zivilisation errichtet hast.«

«Du und ich, wir haben es vorgezogen, in diesem Glauben an Ort und Zeit geboren zu werden, Dickie. Und als wir dann am Tor des Bewußtseins standen, haben wir überlegt, ob wir uns engagieren oder uns von jedem Vorschlag, jeder Idee, jedem Fortschritt und jeder Vernichtung in unserer Zeit fernhalten sollten. Lesen ja, von zu Hause weglaufen nein, Stofftiere ja, den Eltern vertrauen ja, an die Kriegspropaganda glauben ja, Flugzeugmodelle ja, Mannschaftssport nein, Pünktlichkeit ja, Eiscreme ja, Karotten nein, Hausaufgaben ja, rauchen nein, trinken nein, Egoismus ja, Drogen nein, Schule schwänzen nein, Höflichkeit ja, Überheblichkeit ja, jagen nein, Revolver ja, Banden nein, Mädchen ja, Lerneifer nein, College nein, Militär ja, Politik nein, Ehrenämter nein, heiraten ja, Kinder ja, Militär nein, Scheidung ja, wieder heiraten nein, wieder heiraten ja, Karotten ja… Wir malen ein vollkommenes, einmaliges digitales Porträt von dem, der wir sein wollen. Jedes Ja und jedes Nein sind dabei ein winziges Tüpfelchen auf unserem Bild. Je entschlossener wir sind, um so klarer wird es.

Nur mit meiner Erlaubnis darf irgend etwas die Welt meines Bewußtseins betreten. Diese Welt ist die einzige, die für mich auf Erden existiert. Was mir nicht gefällt, kann ich, wenn ich will, ändern. Kein Jammern und Klagen über andere, denn nur ich selbst kann mich auch enttäuschen. Ich bin der einzige, der hier zu entscheiden hat, nicht die anderen.«

«Was machst du, wenn dich andere enttäuschen?«

«Ich bringe sie um, «erwiderte ich,»und gehe meiner Wege.«

Er lachte nervös.»Du scherzt, nicht wahr?«

«Wir können weder Leben vernichten noch erschaffen«, sagte ich.»Das Leben existiert, erinnere dich.«

Ich war mit der Unterseite fertig, kroch unter dem Flugzeug hervor und holte eine Leiter, um das Höhenleitwerk neun Fuß über dem Betonboden zu erreichen.

«Hast du in der Welt der Erscheinungen jemals irgendwen getötet?«fragte er wie nebenbei.

«Ja. Ich habe Fliegen getötet, ich habe Mücken getötet, ich habe Ameisen und, leider muß ich das zugeben, auch Spinnen getötet. Ich habe Fische getötet, als ich nicht viel älter war als du. Dabei war jedes dieser Tiere ein unzerstörbarer Ausdruck von Leben, und das wird mich solange bedrücken und grämen, bis ich mir klargemacht habe, wie es in Wirklichkeit ist.«

Er wählte seine Worte mit Bedacht.»Hast du in der Welt der Erscheinungen auch einen Menschen getötet?«

«Nein, Dickie. «Dank des glänzenden Timings, dachte ich insgeheim. Wäre ich ein paar Jahre früher zur Air Force gegangen, hätte ich Menschen in Korea getötet. Und wäre es ein paar Jahre später gewesen, hätte ich sie in Vietnam getötet, ich wäre damals gar nicht auf die Idee gekommen, einen Befehl zu verweigern.

«Bist du je getötet worden?«

«Nie. Bevor die Zeit geboren wurde, gab es mich schon, und wenn die Zeit aufgehört hat zu existieren, wird es mich immer noch geben.«

Wütend knurrte er:»Hat in der Welt der Erscheinungen dein Selbstvertrauen als beschränktes Wesen…«

«Ach, diese Welt!«rief ich aus.»In der bin ich millionen- und milliardenfach getötet worden!«

Dickie kletterte die Leiter zum Höhenleitwerk hinauf, spazierte wenige Meter vom Seitenruder entfernt dort herum und setzte sich mit übereinandergeschlagenen Beinen hin. Er sah mich neugierig an. Kein anderes Kind hätte dort oben sitzen dürfen. Seine Turnschuhe könnten ja die Lackschicht beschädigen, oder das Leitwerk könnte zu stark belastet werden, oder er könnte aus fünf Fuß Höhe auf den Betonboden herabstürzen. Aber Dickie durfte sitzen, wo er wollte. Das sind die Freuden der Deinkarnierten, dachte ich. Es ist ein Wunder, daß wir sie nicht öfter einladen.

«Das ist die Reinkarnation«, sagte er.»Glaubst du daran?«

Ich besprühte die Oberseite des Ruders mit flüssigem Wachs und rieb sie sauber.

«Nein. Betrifft die Reinkarnation nicht zahlreiche Leben auf unserem Planeten, und zwar eines nach dem anderen? Sie wäre sonst etwas beschränkt.«

«Was gefällt dir besser?«

«Ich glaube an eine unendliche Zahl verschiedener Varianten des Glaubens an Lebenserfahrungen, einige davon in Gestalt von Körpern, andere nicht; einige auf Planeten, andere nicht; alle gleichzeitig, da es so etwas wie Zeit nicht gibt, und keine real, da es nur ein einziges Leben gibt.«

Er runzelte die Stirn.»Warum sind die Erfahrungen-des-unendlichen-Lebens wahr und nicht die Reinkarnation?«

Ich entsinne mich, daß das vor langer Zeit meine Lieblingsfrage gewesen ist: Warum so und nicht so? Sie machte viele Erwachsene wahnsinnig, aber ich wollte Bescheid wissen.

«Die Erfahrungen-des-unendlichen-Lebens sind genausowenig wahr oder unwahr wie die Reinkarnation«, sagte ich.»Erst wenn wir erkennen: Das Leben existiert und nicht einfach an die Reinkarnation oder an die Erfahrungen-des-unendlichen-Lebens oder an Himmel und Hölle oder an Es-wird-schon-schiefgehen glauben, erleben wir diese Systeme… in jeder Minute, in der wir ihnen Macht geben, sind sie wahr für uns.«

«Dann verstehe ich eins nicht. Warum sagst du nicht einfach: Das Leben existiert und hörst auf zu spielen?«

«Ich liebe Spiele! Wenn jemand bezweifelt, daß dieses Leben zum Spaß da ist, dann setze sie oder ihn einfach mal detailliert über ihre persönliche Zukunft ins Bild… über jedes Ereignis und über jedes Ende, lange bevor sie eintreten. Wann werden sie dich wohl anflehen, damit aufzuhören? Es ist kein Spaß zu wissen, was als nächstes passiert. Ich liebe Schach, auch wenn ich weiß, daß es ein Spiel ist. Ich liebe die Raumzeit, auch wenn sie nicht real ist.«

«Hilfe!«rief er.»Wenn weder das eine noch das andere real ist, wieso soll man dann die Erfahrungen-des-unendlichen-Lebens anstatt des Alle-werden-zu-Engeln oder der Reinkarnation wählen?«

«Warum Schach und nicht Dame?«konterte ich.»Man kann mehr Kombinationen spielen! Wenn zum Beispiel alle meine Varianten von Glauben-an-Leben zur gleichen Zeit existieren, muß es für sie irgendeine Möglichkeit geben, sich in Gestalt einer Person zu treffen. Dann muß es irgendwie möglich sein, Richard zu finden, der China in dem Jetzt gewählt hat, das ich siebentausend Jahre zuvor nenne, oder jenen Mann, der 1954 Schiffsbauer wurde und nicht Pilot, oder jene Person, die lieber ein Proximid sein wollte und sich für ein Leben in den Raumflotten von Centauri 4 entschied, in einem Jetzt, das in einer Milliarde Jahren stattfindet. Wenn die ganze Zeit Jetzt ist, dann müßte es eine Möglichkeit geben, daß wir alle miteinander sprechen. Was wissen sie, was ich nicht weiß?«

Er sah mich neugierig an und lächelte verstohlen.»Hast du bis jetzt irgendeinen Erfolg erzielt?«

«Ein Aufflackern da und dort«, erwiderte ich.

«Hm. «Wieder erschien jenes seltsame Lächeln auf seinem Gesicht, als ob er hier der Lehrer wäre und nicht ich. Ich hätte ihn fragen können, was er so spaßig fand. Aber ich ging darüber hinweg und dachte einfach, daß ich ihn mit meinen Reden wohl nicht überzeugt hatte. Sollte er sich doch selbst eine Meinung bilden.

«Und ein Beweis ist nicht erforderlich«, sagte ich und kletterte herab, um die Leiter näher an die Vorderkante der linken Höhenflosse zu rücken.»Das Leben läßt uns die Möglichkeit, an Beschränkungen zu glauben. Ich gehe mit dir jede Wette ein, daß, bevor dies alles Gestalt annimmt, wir von einem einschränkenden Glauben erwachen und zum nächsten übergehen und danach zum übernächsten und dabei genauso aus der Raumzeit herauswachsen, wir wir irgendwann aufhören, mit Bauklötzchen zu spielen, und uns anderen Spielsachen zuwenden.«

«Spielsachen? Für die unendliche Zukunft?«fragte er.»Ich dachte, ich sei dir voraus. Ich dachte, du würdest mir sagen, das nächste Leben sei bedingungslose Liebe.«