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»Hör mal«, sagte Riccio und trat ihm in den Weg, als er sich zum Gehen wandte. »Könnten wir dir bei dem Auftrag helfen? Ich mein, nicht nur beim Kundschaften, sondern bei dem Raubzug selbst. Willst du uns nicht ausnahmsweise mal mitnehmen? Wir, wir.«, Riccio verhaspelte sich vor Aufregung, »könnten doch Wache stehen oder dir beim Tragen helfen. Dieser Flügel ist bestimmt schwer, das ist keine Zuckerzange oder Kette oder so was, den kannst du nicht einfach in deinen Beutel stopfen! Was. was meinst du?«

Scipio hatte ihm reglos zugehört, das Gesicht verdeckt von der Maske. Auch als Riccio geendet hatte und ihn voll ängstlicher Erwartung ansah, sagte er zunächst kein Wort. Dann zuckte er die Achseln und sagte: »In Ordnung!«

Riccio war so verdutzt, dass er ihn mit offenem Mund anstarrte. »Ja, warum nicht?«, fuhr Scipio fort. »Machen wir den Raubzug zusammen! Das gilt natürlich nur für die von euch, die mitmachen wollen.« Er blickte zu Prosper hinüber, doch der schwieg. »Ich mach auf jeden Fall mit!«, rief Bo und sprang begeistert um Scipio herum. »Ich kann nämlich durch Löcher krabbeln, in denen ihr stecken bleiben würdet, und ich kann viel leiser schleichen als ihr, ich.«

»Bo, hör auf!« Prospers Stimme klang so scharf, dass Bo sich erschrocken zu ihm umdrehte. »Ich werde nicht mitmachen, Scip«, sagte Prosper. »Ich kann so was nicht. Außerdem muss ich auf Bo aufpassen, das verstehst du doch, oder?« Scipio nickte. »Klar«, sagte er, aber es klang enttäuscht. »Was diesen Detektiv betrifft«, sagte Prosper mit belegter Stimme. »Ich habe eine Visitenkarte von meiner Tante in seinem Portemonnaie gefunden. Damit ist wohl bewiesen, dass er hinter Bo und mir her war. Und mit dem Namen hatte Riccio Recht, er heißt Victor Getz und wohnt drüben in San Polo.«

»Blödsinn. Er wohnt am Canal Grande«, sagte Bo und warf seinem großen Bruder einen finsteren Blick zu. »Und ich komm doch mit, diesen Flügel stehlen. Du kannst nicht immer alles bestimmen, du bist nicht meine Mutter.«

»Ach was, Unsinn, Bo!« Wespe legte ihm von hinten die Hände auf die Schulter. »Prosper hat Recht. So ein Raubzug ist eine gefährliche Sache. Ich weiß auch noch nicht, ob ich mitmache. Aber wieso denkst du, dass der Detektiv in einem Hotel am Canal Grande wohnt?« »Er hat es mir erzählt. Geh weg!« Bo stieß ihre Hände weg und schnappte nach Luft, damit er nicht losweinte. »Ihr seid alle gemein, ganz, ganz gemein!« Als Mosca ihn kitzelte, um ihn zum Lachen zu bringen, kniff Bo ihm in die Hand. »He, hör mal zu!« Prosper ging vor seinem Bruder in die Hocke und drehte ihn mit besorgtem Gesicht zu sich herum. »Ihr zwei scheint euch ja prima unterhalten zu haben. Hast du diesem Detektiv noch irgendwas von uns erzählt? Zum Beispiel über unser Versteck?«

Bo kaute auf seiner Unterlippe. »Nein«, brummte er, ohne Prosper anzusehen. »Ich bin doch nicht blöd.« Erleichtert sah Prosper sich zu den anderen um.

»Komm, Bo«, sagte Wespe und zog ihn mit sich. »Hilf mir mal beim Nudelkochen. Ich hab Hunger.« Mit mürrischem Gesicht trottete Bo ihr hinterher. Aber nicht, bevor er den anderen noch mal ausgiebig die Zunge herausgestreckt hatte.

Die Spur

Drei Tage schmerzte Victors Kopf. Aber noch mehr, viel mehr als die Beulen auf dem Kopf schmerzte sein verletzter Stolz. Hereingelegt von einer Bande Kinder! Mit den Zähnen knirschte er jedes Mal, wenn er daran dachte. Aufs Revier hatten die Carabinieri ihn geschleppt wie einen gemeinen Verbrecher, wie einen Kinderschänder hatten sie ihn behandelt, ihn herumgeschubst, beschimpft, und als er ihnen wutschnaubend seinen Detektivausweis vor die Nase halten wollte, musste er feststellen, dass die kleinen Ratten ihm auch noch sein Portemonnaie geklaut hatten. Schluss. Schluss mit dem Mitgefühl, das er für sie gehabt hatte. Schluss damit.

Während Victor seine Beulen mit Eis kühlte und seine erkältete Schildkröte mit Rotlicht wärmte, grübelte er über nichts anderes nach als darüber, wie er die Bande wieder finden konnte. Jedes Wort, das Bo von sich gegeben hatte, rief Victor sich ins Gedächtnis, bis ein Wort in seinem Kopf anschlug wie eine Kirchenglocke. Kino.

Wir wohnen in einem Kino.

Was, wenn das doch stimmte? Was, wenn das nicht nur die Spinnerei eines kleinen Jungen war?

Der Polizei hatte Victor nichts erzählt von Bos seltsamem Hinweis, obwohl die nun ebenfalls nach den Kindern suchte, nachdem sich herausgestellt hatte, dass Victors Portemonnaie weg und er wirklich der Detektiv war, für den er sich ausgegeben hatte. Aber Victor wollte nicht, dass die Polizei die kleinen Räuber fing. O nein, die werde ich mir selber schnappen, dachte er, während er auf dem Teppich hockte und seinen Schildkröten die faltigen Köpfe kraulte. Die werden schon sehen, dass ich nicht so vertrottelt bin, wie sie denken!

Verdammt! Die eine Schildkröte nieste wirklich ganz abscheulich. Wenn er sich nicht täuschte, war es Paula. Der Tierarzt behauptete, dass sie Lando nicht anstecken würde. Also saßen die beiden immer noch im selben Pappkarton, natürlich nicht mehr draußen auf Victors Balkon, wo die Nächte immer kälter wurden, sondern unter dem Schreibtisch in seinem Büro. Ist auch besser, dass ich sie nicht trennen muss, dachte Victor, sonst würden sie womöglich noch beide an Einsamkeit eingehen. Ein Kino.

Was hatte Bo erzählt? Dass die Stühle fehlten und kein Projektor mehr da war. Es musste also ein Kino sein, das nicht mehr in Betrieb war. Natürlich. Ein Kino, das geschlossen war und das der Besitzer leer stehen ließ, weil er noch nicht wusste, was er damit anfangen sollte. Es gab nicht viele Kinos in Venedig. Victor schlug im Telefonbuch nach, auch in dem vom letzten Jahr, und rief jedes Kino an, das er finden konnte, selbst die, die weiter außerhalb lagen, am Lido oder in Burano. Meistens wurde er gefragt, ob er Karten reservieren wollte, aber bei einem, dem FANTASIA, ging niemand ans Telefon, und bei einem weiteren stand keine Adresse hinter dem Namen. STELLA hieß es, und die Nummer stand nur in dem Telefonbuch vom letzten Jahr.

STELLA und FANTASIA, na bitte, zwei Kandidaten haben wir schon mal!, dachte Victor und wärmte sich den Risotto vom Vortag auf. Dann brachte er die verschnupfte Schildkröte noch mal zum Tierarzt und machte auf dem Rückweg einen Abstecher zum FANTASIA, wo niemand ans Telefon gegangen war. Als Victor vor dem Kino ankam, öffnete es gerade für die Nachmittagsvorstellung. Es herrschte nicht gerade großer Andrang, nur zwei Kinder kauften sich eine Karte und ein Liebespaar, das gleich in dem dunklen Vorführraum verschwand. Victor trat an die Kasse und räusperte sich.

»Vorn oder lieber weiter hinten?«, fragte die Kartenverkäuferin und schob sich einen Kaugummi zwischen die Zähne. »Wo wollen Sie sitzen?« »Nirgendwo«, antwortete Victor. »Aber ich wüsste gern, ob Sie schon mal was von einem Kino gehört haben, das STELLA heißt.« Die Kartenverkäuferin formte mit den rot geschminkten Lippen eine Kaugummiblase und ließ sie zerplatzen. »STELLA? Das ist geschlossen. Seit ein paar Monaten schon.«

Victors Herz tat einen Sprung, einen kleinen, aufgeregten Sprung. »Ja, das hatte ich gehofft«, sagte er und beantwortete den verblüfften Blick der Kartenverkä uferin mit einem zufriedenen Lächeln. »Wissen Sie zufällig die Adresse.« Er stellte den Karton mit seiner kranken Schildkröte neben die Kasse. Die Kartenverkäuferin ließ noch eine Kaugummiblase zerplatzen und musterte neugierig den Karton. »Was haben Sie denn dadrin?«

»Eine erkältete Schildkröte«, antwortete Victor. »Aber es geht ihr schon besser. Also, wissen Sie die Adresse?«

»Kann ich sie mal sehen?«, fragte die Verkäuferin. Mit einem Seufzer zog Victor das Handtuch zur Seite, das er zum Schutz gegen den kalten Wind über den Karton gelegt hatte. Paula schob den faltigen Kopf heraus, blinzelte erschrocken und verschwand in ihrem Panzer. »Niedlich!«, seufzte die Verkäuferin und warf ihren