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»Das machst du natürlich nicht«, sagte Elayne, und es war ganz und gar nicht als Frage formuliert, wofür sie einen dankbaren Blick Mins erntete. »Warum hast du dich davor gefürchtet, zu mir zu kommen? Wir sind Freundinnen, Min. Und wir haben uns gegenseitig versprochen, daß kein Mann zwischen uns treten soll. Auch wenn wir ihn beide lieben.«

Mins Lachen klang ein wenig rauh. Elayne dachte sich, daß es bestimmt vielen Männern gefiele. Und sie war hübsch, auf eine gewisse spitzbübische Art. Und sie war ein paar Jahre älter. Sprach das für oder gegen sie? »Oh, Elayne, wir schworen uns das, als er sich in sicherer Entfernung von uns befand. Dich zu verlieren, wäre, als verlöre ich eine Schwester, aber was geschieht, wenn eine von uns ihre Meinung ändert?«

Es war wohl besser, sie fragte nicht, welche von ihnen damit gemeint war. Elayne bemühte sich, den Gedanken weit wegzuschieben, daß sie ja Min mit Hilfe der Macht fesseln und knebeln könne und dann das Gewebe umstülpen. So könnte sie die Frau in irgendeinem Keller verstecken, bis die Gesandtschaft längst weg war. »Das werden wir nicht«, sagte sie einfach. Nein, das könnte sie Min nicht antun. Sie wollte Rand schon ganz für sich, aber sie konnte auch wieder Min nicht weh tun. Vielleicht sollte sie die andere einfach bitten, so lange hierzubleiben, bis auch sie mitkonnte? Statt dessen fragte sie: »Entläßt dich Gareth aus deinem Eid?«

Diesmal klang Mins Lachen ausgesprochen sarkastisch. »Wohl kaum. Er sagt, früher oder später muß ich ihn abarbeiten. Aber Siuan ist diejenige, die er vor allem festnageln will, das Licht mag wissen, warum.« Eine leichte Anspannung, die auf ihrer Miene sichtbar wurde, ließ Elayne glauben, eine von Mins Visionen habe damit zu tun, aber sie fragte nicht weiter. Min sprach niemals darüber, wenn es sie nicht direkt betraf. Sie besaß eine Fähigkeit, die nur wenigen in Salidar bekannt war. Elayne und Nynaeve, Siuan und Leane, das waren alle. Birgitte hatte keine Ahnung, aber andererseits wußte Min ja auch nicht, wer Birgitte wirklich war. Oder Moghedien. So viele Geheimnisse. Doch Mins Geheimnis konnte nur sie selbst lüften, wenn sie es wünschte. Manchmal sah sie Bilder oder Auren um Personen, und gelegentlich verstand sie sogar, was sie zu bedeuten hatten. Wenn sie es verstand, behielt sie immer recht damit. Wenn sie beispielsweise sagte, ein Mann und eine Frau würden heiraten, dann heirateten sie früher oder später auch, selbst wenn sie sich im Augenblick offensichtlich zu hassen schienen. Leane bezeichnete das als ›das Muster lesen‹, aber es hatte nichts mit der Einen Macht zu tun. Bei den meisten Menschen sah sie nur gelegentlich solche Bilder, aber bei Aes Sedai und Behütern immer. Min zog sich deshalb hier so gern zurück, weil sie dieser Lawine an Visionen entkommen wollte.

»Bringst du Rand einen Brief von mir?« »Selbstverständlich.« Die Zustimmung der anderen kam so bereitwillig und voll offener Freundlichkeit, daß Elayne errötete und hastig weitersprach. Sie war sich nicht sicher, ob sie unter umgekehrten Umständen auch dazu bereit gewesen wäre. »Du darfst ihm nichts von deinen Visionen erzählen, Min. Was uns betrifft, meine ich.« Eines, was Min bei Rand entdeckt hatte, war die Tatsache, daß sich drei Frauen hoffnungslos in ihn verlieben würden, sich für immer an ihn banden, und eine davon würde sie selbst sein. Wie sich herausgestellt hatte, war Elayne die zweite. »Falls er von dieser Vision erfährt, glaubt er vielleicht, das entspräche gar nicht unseren eigenen Wünschen, es läge nur am Muster oder daran, daß er ein Ta'veren ist. Dann entschließt er sich vielleicht, großzügig zu sein und uns zu retten, indem er keine von uns mehr an sich heranläßt«

»Vielleicht«, meinte Min zweifelnd. »Männer sind eigenartig. Wahrscheinlicher ist: Wenn er merkt daß wir springen, wenn er nur den Finger krumm macht, dann wird er ihn krumm machen. Er wird sich nicht zurückhalten können. Ich habe das schon öfter gesehen. Ich glaube, es hat etwas mit dem Haar auf ihrem Kinn zu tun.« Ihr Blick war so versonnen, daß Elayne nicht sicher sein konnte, ob sie nun scherzte oder nicht. Min schien eine Menge von Männern zu verstehen. Sie hatte wohl vor allem in Ställen gearbeitet, weil sie Pferde so mochte, aber einmal hatte sie auch erwähnt, sie habe in einer Taverne bedient. »Wie auch immer, ich werde bestimmt nichts sagen. Du und ich, wir teilen ihn auf wie einen Kuchen. Vielleicht lassen wir der dritten noch ein wenig von der Kruste, wenn sie auftaucht.«

»Was sollen wir nur machen Min?« Elayne hatte das nicht sagen wollen und schon gar nicht in diesem klagenden Tonfall. Ein Teil ihrer selbst hätte gern unwiderruflich versichert, daß sie niemals springen werde, wenn er den Finger krumm machte. Der andere Teil wünschte sich, er werde den Finger krümmen. Ein Teil ihrer selbst wollte sagen, daß sie Rand niemals teilen werde, ganz gleich wie, mit niemandem, auch nicht mit einer Freundin — zum Krater des Verderbens mit Mins Visionen. Und ein Teil von ihr hatte Rand am liebsten eins hinter die Ohren gegeben, weil er ihr und Min so etwas antat. Es war alles so kindisch, daß sie sich am liebsten irgendwo versteckt hätte, aber sie konnte diesen Knoten in ihren Gefühlen einfach nicht entwirren. So bemühte sie sich, mit fester Stimme zu sprechen, und beantwortete ihre Frage selbst, bevor Min dazukam: »Was wir tun werden, ist eine Weile hier zu sitzen und miteinander zu sprechen.« Sie sah sich dabei um — und wählte einen Fleck, an dem die Schicht welker Blätter besonders dick war. Ein Baum würde eine gute Rückenlehne ergeben. »Aber nicht über Rand. Ich werde dich vermissen, Min. Es ist so gut, eine Freundin zu haben, der man vertrauen kann.«

Min setzte sich im Schneidersitz neben sie und begann nebenher, Steinchen aufzulesen und in den Bach zu werfen. »Nynaeve ist deine Freundin. Du vertraust ihr. Und Birgitte scheint sicherlich auch für dich eine Freundin zu sein. Du verbringst mehr Zeit mit ihr als selbst mit Nynaeve.« Sie runzelte ganz leicht die Stirn. »Glaubt sie eigentlich wirklich, die Birgitte aus der Sage zu sein? Ich meine, der Bogen und der Zopf — die werden in jeder Sage erwähnt, obwohl ihrer natürlich nicht aus Silber ist — aber ich kann nicht glauben, daß sie mit diesem Namen geboren wurde.«

»Doch, sie wurde damit geboren«, sagte Elayne zurückhaltend. Das stimmte ja auf gewisse Weise. Am besten lenkte sie die Unterhaltung auf andere Bahnen. »Nynaeve kann sich immer noch nicht entscheiden, ob sie mich nun als Freundin behandeln soll oder als eine, die sie ständig herunterputzen muß, damit sie tut, was sie für richtig hält. Und sie denkt öfter daran, daß ich die Tochter ihrer Königin bin, als ich selbst. Ich glaube, das lastet sie mir gelegentlich sogar an. Du tust das nie.«

»Vielleicht beeindruckt mich das nicht so sehr.« Min grinste wohl, es klang aber doch ernsthaft. »Ich wurde inmitten der Verschleierten Berge geboren, Elayne. Wo die Bergwerke sind. So weit im Westen ist von der Herrschaft deiner Mutter nicht viel zu spüren.« Ihr Grinsen verflog wieder. »Tut mir leid, Elayne.«

Elayne unterdrückte ein kurzes Aufblitzen von Empörung, da Min immerhin genauso wie Nynaeve zu den Untertanen des Löwenthrons zählte, und ließ ihren Kopf an den Baumstamm zurücksinken. »Sprechen wir über etwas Schönes.« Die Sonne glühte wie eine geschmolzene Metallkugeln zwischen den Zweigen hindurch, der Himmel lag wie ein sauberes, blaues Laken über dem Land, und auch nicht die kleinste Wolke war zu sehen. Unwillkürlich öffnete sie sich Saidar und ließ sich von der Macht erfüllen. So, als habe man alle Freude auf der Welt destilliert, füllte diese Essenz alles Schönen jede Ader in ihrem Körper. Brächte sie es fertig, auch nur eine kleine Wolke am Himmel durch ihre Kraft aufquellen zu lassen, wäre das ein Zeichen, daß alles letzten Endes gut verliefe. Ihre Mutter wäre noch am Leben. Rand liebte sie. Und Moghedien ... das Problem würde auch gelöst. Irgendwie. Sie webte zarte Stränge über den Himmel, soweit ihr Auge reichte, benützte Luft und Wasser dafür, suchte nach der notwendigen Feuchtigkeit, die sie für eine Wolke benötigte. Wenn sie sich wirklich anstrengte... Die Süße wurde so übermächtig, daß sie in Schmerz überzugehen drohte. Das war ein Anzeichen für Gefahr. Wenn sie noch viel mehr Macht an sich riß, könnte sie sich selbst einer Dämpfung unterziehen. Nur eine kleine Wolke.