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Nun, da der Zorn der anderen Frau verraucht war, mußte ihr Verin einige Fragen stellen, bevor die Erregung zurückkehrte. »Besteht irgendeine Aussicht, daß deine Metzgersfrau dir mehr darüber berichten kann, was sich in Tar Valon abgespielt hat, falls du ein wenig nachbohrst?« Die Frau war keine private Agentin Alannas, sondern eine der Grünen Ajah, auf die sie nur gestoßen waren, weil sie über ihrer Ladentür eine Art von geheimem Notsignal aufgehängt hatte. Nicht, daß Alanna Verin darüber aufgeklärt hätte, welcher Art dieses Signal gewesen war — das versteht sich von selbst. Verin hätte ihr auch kein Geheimzeichen der Braunen verraten.

»Nein. Sie weiß nicht mehr als die Botschaft, die sie mir übermittelte, und dabei hatte sie vor Angst einen so trockenen Mund, daß sie die Worte kaum herausbrachte. Alle loyalen Aes Sedai sollen zur Burg zurückkehren. Alles wird ihnen vergeben.« Zumindest dem Sinn nach war das alles gewesen. Zorn blitzte kurz in Alannas Augen auf, doch nur einen Augenblick lang und nicht so stark wie zuvor. »Wenn nicht all diese Gerüchte wären, hätte ich dich niemals wissen lassen, wer sie ist.« Das und ihre aufgewühlten Gefühle. Wenigstens hatte sie mit dem Herumtigern aufgehört.

»Ich weiß«, sagte Verin und setzte sich an den Tisch. »Ich werde die Vertraulichkeit auch respektieren. Aber gib es zu: Diese Botschaft bestätigt die Gerüchte. Die Burg ist gespalten. Höchstwahrscheinlich gibt es wirklich irgendwo Rebellen. Die Frage ist nur: Wie verhalten wir uns jetzt?«

Alanna blickte sie an, als sei sie verrückt geworden. Kein Wunder. Siuan mußte vom Burgsaal abgesetzt worden sein, ganz den Gesetzen der Burg entsprechend. Schon die bloße Vorstellung, sich gegen die Burg zu wenden, war undenkbar. Aber auch der Gedanke, daß die Burg in sich gespalten sei, war unvorstellbar gewesen.

»Wenn du jetzt keine Antwort darauf findest, denke einfach darüber nach. Und auch über folgendes: Siuan Sanche hatte einen großen Anteil daran, daß wir den jungen al'Thor gefunden haben.« Alanna Öffnete den Mund — höchstwahrscheinlich, um Verin zu fragen, woher sie das wisse und ob auch sie Teil dieses Plans gewesen sei — doch Verin ließ ihr keine Möglichkeit dazu. »Man müßte schon geistig zurückgeblieben sein, um nicht zu merken, daß dieser Plan zumindest teilweise zu ihrem Sturz geführt hat. Zufälle dieses Ausmaßes gibt es nicht. Also überlege dir, wie Elaida wohl Rand sieht. Denke daran, daß sie eine Rote war. Und bevor du nachdenkst, beantworte mir erst einmal eine Frage: Was hattest du vor, als du ihn als Behüter an dich gebunden hast?«

Diese Frage hätte Alanna nicht überraschen sollen, tat es aber doch. Sie zog einen Stuhl heran und setzte sich. Bevor sie antwortete, zupfte sie noch ihren Rock zurecht. »Es war einfach logisch, wo er doch schon vor uns stand. Man hätte das schon lange machen sollen. Du konntest wohl nicht — oder wolltest du nicht?« Wie die meisten Grünen amüsierte sie sich über die Weigerung der Mitglieder anderer Ajahs, mehr als einen Behüter pro Schwester zuzulassen. Was die Grünen von den Roten hielten, die gar keine hatten, sagten sie lieber nicht laut. »Man hätte sie alle bei der ersten Gelegenheit binden sollen. Sie sind viel zu wichtig, um frei herumzulaufen, und er mehr als alle anderen.« Mit einem Mal liefen ihre Wangen rot an. Es würde noch eine ganze Weile dauern, bis sie ihre Gefühle wieder im Griff hatte.

Verin wußte, was hinter dem Erröten steckte. Alanna hatte etwas zu freimütig geplaudert. Sie hatten Perrin schließlich wochenlang vor der Nase gehabt, als sie in den Zwei Flüssen junge Frauen auf das Talent überprüften, doch was das betraf, ihn als Behüter zu binden, hatte sich Alanna ausgeschwiegen. Der Grund lag in einer hitzig ausgesprochenen Drohung Failes —außerhalb Perrins Hörweite selbstverständlich: Falls Alanna so etwas mache, werde sie die Zwei Flüsse nicht mehr lebend verlassen. Hätte Faile mehr über die Verbindung zwischen Aes Sedai und Behüter gewußt, wäre die Drohung wirkungslos geblieben, aber vor allem ihre Ahnungslosigkeit hatte Alanna zurückgehalten. Wahrscheinlich war es der schlechte Zustand ihrer Nerven gewesen, der zu ihrer Handlungsweise geführt hatte —Rand nicht nur an sich zu binden, sondern das auch noch gegen seinen Willen. So etwas war seit Hunderten von Jahren nicht mehr vorgekommen.

Tja, dachte Verin trocken, ich habe in meinem Leben auch so manches ungeschriebene Gesetz übertreten. »Logisch?« fragte sie und lächelte, um ihren Worten den Biß zu nehmen. »Du klingst wie eine Weiße. Na ja. Jetzt hast du ihn am Hals. Was wirst du nun mit ihm machen? Bedenke, wie er uns behandelt hat. Das erinnert mich an eine Bettkantengeschichte aus meiner Kindheit. Da ging es um eine Frau, die einem Löwen Sattel und Zaumzeug angelegt hat. Sie hat den Ritt sehr genossen, aber dann wurde ihr klar, daß sie weder absteigen noch schlafen durfte.«

Schaudernd rieb sich Alanna die Arme. »Ich kann noch immer nicht glauben, daß er so stark ist. Hätten wir uns nur früher verknüpft. Und ich versuchte doch... Ich habe es nicht geschafft... Er ist so stark!«

Verin konnte gerade noch ein Schaudern unterdrücken. Sie hätten sich gar nicht früher verknüpfen können, außer Alanna meinte damit, sie hätten sich verknüpfen sollen, bevor sie ihn als Behüter an sich band. Verin war sich des möglichen Resultats nicht sicher. Auf jeden Fall hatte es in letzter Zeit eine ganze Reihe äußerst besorgniserregender Erlebnisse gegeben, angefangen mit ihrer Entdeckung, daß sie ihn nicht von der Wahren Quelle abschneiden konnten, bis hin zu der beinahe verächtlich erscheinenden Leichtigkeit, mit der er sie abgeschirmt hatte, wobei er ihre Nabelschnüre zu Saidar wie dünne Fäden zerrissen hatte. Bei beiden zugleich. Bemerkenswert. Wie viele würde man benötigen, um ihn abzuschirmen und zu fesseln? Alle dreizehn? Das war wohl nur eine Tradition, aber bei ihm mochte es zur Notwendigkeit werden. Wie auch immer, dieses Problem mußten sie ein andermal lösen. »Und dann ist da noch die Sache mit seiner Amnestie.«

Alannas Augen weiteten sich. »Das glaubst du doch sicher nicht! Bei jedem falschen Drachen gab es Gerüchte, er versammle Männer um sich, die mit der Macht umgehen können, aber die stimmten genausowenig. Sie wollten Macht an sich reißen und sie nicht mit anderen Männern teilen!«

»Er ist aber kein falscher Drache«, sagte Verin leise, »und das ändert alles. Wenn ein Gerücht stimmt, dann kann auch an einem anderen etwas dran sein, und die Amnestie war doch in aller Munde, seit wir Weißbrücke verließen.«

»Selbst wenn es stimmt, hat sich vielleicht niemand gemeldet. Kein anständiger Mann will etwas mit der Macht zu tun haben. Wenn mehr als eine Handvoll das jemals wünschte, hätten wir jede Woche einen falschen Drachen gehabt.«

»Er ist ein Ta'veren, Alanna. Er zieht das an, was er benötigt.«

Alannas Kiefer bewegte sich, und ihre Hände auf dem Tisch hatte sie nun zu Fäusten geballt. Die Knöchel färbten sich vor Verkrampfung weiß. Jedes bißchen der sonst so typischen Beherrschung einer Aes Sedai war verflogen, und sie zitterte sichtlich. »Wir können nicht zulassen... Männer, die die Macht benützen und auf die Welt losgelassen werden? Falls das stimmt, müssen wir es verhindern!« Sie war nahe daran, wieder aufzuspringen, und ihre Augen blitzten.

»Bevor wir eine Entscheidung treffen, was im Hinblick darauf zu tun ist«, sagte Verin gelassen, »müssen wir erst in Erfahrung bringen, wo er sie untergebracht hat. Der Königliche Palast erscheint mir am wahrscheinlichsten, aber es mag schwierig sein, das herauszufinden, wenn uns die Innenstadt versperrt ist. Also schlage ich folgendes vor...« Alanna beugte sich aufmerksam vor.

Es gab eine ganze Menge zu planen, aber das meiste hatte bis später Zeit. Etliche Fragen mußten beantwortet werden; später. War Moiraine tot, und falls ja, wie war sie ums Leben gekommen? Gab es die Rebellen, und welche Haltung sollten Verin und Alanna ihnen gegenüber einnehmen? Sollten sie versuchen, Rand Elaida auszuliefern oder diesen Rebellen? Wo befanden sie sich? Das Wissen darum wäre wertvoll, ganz gleich, wie die anderen Antworten ausfallen würden. Wie sollten sie diese so leicht zerreißbare Leine benützen, an die Alanna Rand gelegt hatte? Sollte eine von ihnen oder auch beide versuchen, den Platz Moiraines einzunehmen? Zum ersten Mal, seit Alanna ihren Schmerz über Oweins Tod so deutlich an die Oberfläche hatte treten lassen, war Verin froh darüber, daß sie sich so lange zurückgehalten hatte, daß sie sich jetzt kaum noch beherrschen konnte und damit auch so leicht zu beeinflussen war. Jetzt würde sich Alanna eher ihrer Führung anvertrauen, und Verin wußte sehr genau, wie die Antworten auf einige der im Raum liegenden Fragen aussehen würden. Sie glaubte nicht, daß diese Antworten Alanna gefallen würden. Am besten, wenn sie nichts davon erfuhr, bis es ohnehin zu spät war, um etwas daran zu ändern.