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»Glaubst du, das ist deine Vision?« fragte er ruhig. Frauen, welche die Macht lenken konnten, waren in der Lage, ihn schwer zu verletzen, hatte sie gesagt. Sieben! flüsterte Lews Therin rauh. Nein! Nein! Nein! Rand achtete nicht auf ihn.

»Ich weiß es nicht«, antwortete Min mit verzweifelter Stimme. Rand erkannte bestürzt, daß das Schimmern in ihren Augen von ungeweinten Tränen kam. »Glaubst du, ich würde es dir nicht sagen, wenn ich es wüßte? Ich weiß nur, daß sie kommen, und...«

»Und daß es nichts gibt, wovor man Angst haben müßte«, unterbrach er sie bestimmt. Die Aes Sedai mußten sie wirklich erschreckt haben, daß sie den Tränen so nahe war. Sieben, stöhnte Lews Therin. Ich kann nicht mit sieben umgehen, nicht auf einmal Nicht sieben. Rand dachte an den Angreal in Form eines fetten, kleinen Mannes, und die Stimme verblaßte zu einem Murmeln. Sie klang jedoch immer noch unbehaglich. Zumindest war Alanna nicht bei ihnen. Rand konnte sie in einiger Entfernung spüren. Sie bewegte sich nicht, und sicherlich nicht in seine Richtung. Er war nicht sicher, ob er es wagte, ihr wieder von Angesicht zu Angesicht gegenüberzutreten. »Wir dürfen keine Zeit verschwenden. Jalani?«

Die pausbäckige junge Tochter des Speers tauchte so plötzlich hinter einer Säule auf, daß Loials Ohren kerzengerade in die Höhe schossen. Min schien den Ogier und Perrin erst jetzt zu bemerken. Auch sie erschrak.

»Jalani«, sagte Rand, »unterrichtet Nandera, daß ich zur Großen Halle gehe, wo ich in Kürze Aes Sedai erwarte.«

Sie versuchte, ein ausdrucksloses Gesicht beizubehalten, aber ein selbstzufriedenes Lächeln ließ ihre Wangen noch pausbäckiger erscheinen. »Beralna ist bereits auf dem Weg zu Nandere, Car'a'carn.« Loials Ohren zuckten bei der Anrede überrascht.

»Würdet Ihr Sulin dann sagen, sie soll mich mit meinem Umhang bei den Ankleideräumen hinter der Großen Halle treffen? Und mit dem Drachenszepter.«

Jalanis Lächeln wurde noch breiter. »Sulin ist in ihrem Feuchtländer-Gewand bereits so schnell wie ein graunasiger Hase auf einem Segade-Rücken losgerannt.«

»In diesem Fall«, sagte Rand, »könnt Ihr mein Pferd zur Großen Halle bringen.« Das Kinn der jungen Tochter des Speers sank herab, besonders als Perrin und Loial sich vor Lachen krümmten.

Mins Fäuste in Rands Rippen ließen ihn stöhnen. »Das ist kein Spaß, du dickschädeliger Schafhirte! Merana und die anderen haben sich in ihre Stolen gehüllt, als hätten sie eine Rüstung angelegt. Jetzt hör mir zu. Ich werde mich hinter die Säulen stellen, damit du mich sehen kannst, sie aber nicht, und wenn ich etwas bemerke, werde ich dir ein Zeichen geben.«

»Du wirst mit Loial und Perrin hierbleiben«, belehrte er sie. »Ich weiß nicht, welches Zeichen du geben könntest, das ich verstehen würde, und wenn sie dich sehen, werden sie wissen, daß du mich gewarnt hast.« Sie stemmte die Fäuste in die Hüften und sah ihn durch ihre Wimpern verstockt an. »Min?«

Zu seiner Überraschung seufzte sie und sagte sanft: »Ja, Rand.« Ein solches Verhalten machte ihn genauso mißtrauisch, wie er es bei Elayne oder Aviendha gewesen wäre, aber er hatte jetzt keine Zeit nachzuhaken, wenn er vor Merana in der Großen Halle sein wollte. Er nickte und hoffte, daß er nicht so unsicher wirkte, wie er sich fühlte.

Während er sich noch fragte, ob er Perrin und Loial hätte bitten sollen, sie dortzubehalten — es hätte ihnen gefallen —, legte er mit Jalani auf den Fersen, die sich murmelnd fragte, ob die Bemerkung mit dem Pferd ein Scherz gewesen sei, den Weg bis zu den Ankleideräumen hinter der Großen Halle zurück. Sulin befand sich bereits mit einem goldbestickten roten Umhang und dem Drachenszepter dort. Die Speerspitze wurde mit einem anerkennenden Brummen bedacht, obwohl sie diese zweifellos ohne die grünweiße Quaste, mit einem angemessen langen Schaft und ohne Schnitzereien für passender erachtet hätte. Rand tastete in seiner Tasche nach dem Angreal. Es war da, und er atmete daraufhin leichter, obwohl Lews Therin anscheinend noch immer ängstlich schnaufte.

Als Rand durch einen der mit Löwenpaneelen versehenen Ankleideräume in die Große Halle eilte, entdeckte er, daß alle anderen genauso schnell wie Sulin gewesen waren. Bael ragte mit verschränkten Armen zu einer Seite des Thronpodests auf, während Melaine auf der anderen Seite stand und ruhig ihre dunkle Stola richtete. Hundert oder mehr Töchter des Speers säumten, auf ein Knie gesunken und unter den wachsamen Blicken Nanderas, den Weg von den Türen — mit Speeren und Schilden, über den Rücken gehängten Bogen und gefüllten Köchern an den Hüften ausgerüstet. Nur ihre Augen waren über den schwarzen Schleiern zu sehen. Jalani fügte sich eilig in eine der Reihen ein. Hinter ihnen hatten sich noch mehr Aiel zwischen den dicken Säulen versammelt, Männer und weitere Töchter des Speers, obwohl niemand von ihnen, von den Dolchen mit den schweren Klingen abgesehen, bewaffnet zu sein schien. Aber sie stellten eine gute Anzahl grimmiger Gesichter. Der Gedanke an eine Auseinandersetzung mit den Aes Sedai konnte ihnen nicht gefallen, und das nicht aus Angst vor der Macht. Wie auch immer Melaine und die anderen Weisen Frauen inzwischen über die Aiel sprachen, hatte sich dieses uralte Versagen der Aiel doch fest in den Köpfen der meisten von ihnen verankert.

Bashere war natürlich nicht da — er und seine Frau befanden sich in einem seiner Ausbildungslager —, und auch die andoranischen Adligen, die sich rund um den Palast zusammengeschart hatten, waren nicht da. Rand war überzeugt, daß Naen und Elenia und Lir und sie alle von dieser Versammlung erfahren haben würden, sobald sie begann. Sie verpaßten niemals eine Thronaudienz, es sei denn, er schickte sie fort. Ihre Abwesenheit konnte nur bedeuten, daß sie auf ihrem Weg zur Großen Halle auch den Grund für diese Versammlung erfahren hatten, und das wiederum bedeutete, daß sich die Aes Sedai bereits im Palast befanden.

Kaum hatte sich Rand mit dem Drachenszepter auf den Knien auf dem Drachenthron niedergelassen, als Mistress Harfor aufgeregt — was für sie recht ungewöhnlich war — in die Große Halle eilte. Während sie ihn und alle Aiel gleichermaßen überrascht betrachtete, sagte sie: »Ich habe Diener überall hingeschickt, um Euch zu suchen. Aes Sedai sind...« Weiter kam sie nicht, als sieben Aes Sedai im breiten Eingang erschienen.

Rand spürte, daß Lews Therin sich nach Saidin ausstreckte, als er das Angreal berührte, aber er kümmerte sich selbst darum und hielt den wütenden Feuer- und Eisstrom genauso fest im Griff wie die Seanchan-Speerspitze.

Sieben, murmelte Lews Therin düster. Ich habe ihnen gesagt, sie sollten drei schicken, und sieben kommen. Ich muß vorsichtig sein. Ja. Vorsichtig.

Ich sagte drei, antwortete Rand der Stimme barsch. Ich! Rand al'Thor! Lews Therin wurde still, aber dann begann das ferne Murren erneut.

Nachdem Mistress Harfor von Rand zu den sieben Frauen mit ihren fransenversehenen Stolen geschaut —hatte, beschloß sie anscheinend, daß dazwischen kein guter Standplatz war. Sie vollführte zunächst den Aes Sedai, dann Rand gegenüber einen Hofknicks und trat dann mit angemessener Ruhe an eine Seite des Eingangs. Als die Aes Sedai eintraten, alle in einer Reihe nebeneinander, schlüpfte sie mit kaum wahrnehmbarer Eile hinter ihnen hinaus.

Bei jedem ihrer drei Besuche hatte Merana andere Aes Sedai mitgebracht, und Rand erkannte jetzt alle außer einer, von Faeldrin Harella auf der Rechten, deren dunkles Haar mit glänzenden Perlen zu vielen kleinen Zöpfen geflochten war, bis zur beleibten Valinde Nathenos auf der Linken in ihrer mit weißen Fransen versehenen Stola und dem weißen Gewand. Sie waren alle in ihre Ajah-Farben gekleidet. Er wußte, wer diejenige sein mußte, die er nicht wiedererkannte. Die kupferfarbene Haut wies die anmutige, wunderschöne Frau in dunkel bronzefarbener Seide als Demira Eriff aus, die Braune Schwester, über die Min berichtet hatte, daß sie im Bett geblieben war. Aber jetzt stand sie in der Mitte der Reihe, einen Schritt vor den anderen, während Merana zwischen Faeldrin und der untersetzten, pausbäckigen Rafela Cindal stand, die heute noch ernster wirkte, als sie es vor sechs Tagen gewesen war. Sie wirkten alle sehr ernst.