Выбрать главу

Zuerst war da die Wahrnehmung zu atmen. Luft, gierig durch die Nase eingesaugt. Sein ganzer Körper pochte — er war eine pulsierende Flamme -, aber die Schläge hatten aufgehört. Es traf ihn fast wie ein Schock, als er es erkannte. Das Ende von etwas, das niemals zu enden schien. Er schmeckte Blut, und sein Kiefer schmerzte fast genauso wie sein restlicher Körper. Gut. Er hatte nicht aufgeschrien. Seine Gesichtsmuskeln waren vollkommen verkrampft. Es würde Mühe kosten, den Mund zu öffnen, selbst wenn er es wollte.

Als letztes kehrte das Sehvermögen zurück, und als es geschah, fragte er sich, ob ihm der Schmerz Halluzinationen bescherte. Zwischen den Aes Sedai stand eine Gruppe Weise Frauen, die an ihren Stolen zupften und die Aes Sedai mit aller ihnen verfügbaren Anmaßung ansahen. Als er entschied, daß sie real waren — es sei denn, es entspränge auch seiner Phantasie, daß Galina mit einer seiner Einbildungen sprach —, war sein erster Gedanke Rettung. Irgendwie hatten die Weisen Frauen... Es war unmöglich, aber irgendwie würden sie... Dann erkannte er die Frau, mit der Galina sprach.

Sevanna schlenderte auf ihn zu, ein Lächeln um den prallen, gierigen Mund. Die hellgrünen Augen spähten aus diesem schönen, von Haaren wie aus gesponnenem Gold umrahmten Gesicht zu ihm hoch. Rand hätte genauso gerne einem tollwütigen Wolf in die Augen geschaut. Etwas an ihrer Haltung war seltsam. Sie stand leicht vornübergebeugt, die Schultern zurückgenommen. Sie beobachtete seine Augen. Er verspürte plötzlich, trotz seiner Schmerzen, das Bedürfnis zu lachen. Und er hätte es getan, wenn er hätte sicher sein können, welcher Laut seinem Mund entschlüpft wäre. Hier stand er, ein Gefangener, fast zu Tode geprügelt und eine Frau, die ihn haßte, dessen war er sich sicher, und die ihn wahrscheinlich für den Tod ihres Geliebten verantwortlich machte, versuchte zu erkennen, ob er ihr in die Bluse schauen würde!

Sie ließ gemächlich einen Fingernagel seine Kehle entlangstreifen — tatsächlich soweit um seinen Hals herum, wie sie ihn erreichen konnte —, als stelle sie sich vor, ihm den Kopf abzuschneiden. Sehr passend, wenn man Couladins Schicksal bedachte. »Ich habe ihn gesehen«, sagte sie mit einem zufriedenen Seufzen. »Ihr habt Euren Teil des Handels eingehalten, und ich habe meinen eingehalten.«

Dann sicherten ihn die Aes Sedai erneut und drängten ihn wieder mit dem Kopf zwischen den Knien in die Kiste, wo er sich abermals in diese Schweißpfütze kauern mußte. Der Deckel wurde geschlossen, und Dunkelheit hüllte ihn ein.

Erst da ließ sich sein Kiefer wieder bewegen, bis er den Mund öffnen konnte und einen langen, zitternden Atemzug ausstieß. Licht, wie er brannte!

Was tat Sevanna hier? Um welchen Handel ging es? Schön und gut zu wissen, daß ein Handel zwischen der Burg und den Shaido bestand, aber darüber würde er sich später sorgen. Jetzt mußte er an Min denken. Er mußte sich befreien. Sie hatten Min verletzt. Dieser Gedanke war so schlimm, daß er fast den Schmerz dämpfte. Fast.

Um das Nichts wieder anzunehmen, mußte er einen Sumpf heftigen Schmerzes durchwaten, aber schließlich war er von Nichts umgeben und streckte sich nach Saidin aus... Nur um Lews Therin dort ebenso schnell vorzufinden, wie ein Paar Hände, die nach etwas griffen, das nur ein Mensch festhalten konnte.

Verdammt seist du! grollte Rand in Gedanken. Verdammt seist du! Wenn du doch nur einmal mit mir zusammenarbeiten würdest, anstatt gegen mich zu handeln!

Du sollst mit mir zusammenarbeiten! fauchte Lews Therin zurück.

Rand verlor vor Entsetzen beinahe das Nichts. Diesmal konnte es kein Mißverständnis geben. Lews Therin hatte ihn gehört und ihm geantwortet. Wir könnten zusammenarbeiten, Lews Therin. Er wollte nichts mit dem Mann zu tun haben. Er wollte ihn aus seinem Kopf vertrieben wissen. Aber da war Min. Und nur noch begrenzte Zeit bis Tar Valon. Er wußte instinktiv, daß keine Chance mehr bestand, wenn sie ihn so weit brächten. Niemals. » Ein unsicheres, furchtsames Lachen antwortete ihm. Dann: Zusammen? Ein weiteres Lachen, diesmal vollkommen wahnsinnig. Zusammen. Wer auch immer du bist. Und Stimme und Gegenwart verschwanden.

Rand erschauderte. Dort kniete er, während sich die Schweißpfütze um ihn vergrößerte.

Er griff erneut vorsichtig nach Saidin... Und traf natürlich auf den Schild. Das, was er gesucht hatte. Langsam, unendlich vorsichtig, tastete er sich bis zu einer Stelle daran entlang, wo eine harte Fläche plötzlich zu sechs nachgiebigen Stellen wurde.

Weich, sagte Lews Therin keuchend. Weil sie dort sind. Sie halten den Puffer aufrecht. Er ist hart, wenn sie ihn verknüpfen. Mit Zeit. Er hielt so lange inne, daß Rand glaubte, er sei wieder fort, aber dann flüsterte er: »Bist du real?« Und dann war er wirklich fort.

Rand tastete sich erneut behutsam den Schild entlang bis zu den sechs nachgiebigen Stellen vor. Zu den sechs Aes Sedai. Mit Zeit? Wenn sie ihn verknüpften, was sie bisher nicht getan hatten, in ... wie lange war es? Sechs Tage? Sieben? Acht? Egal. Er konnte es sich nicht leisten, zu lange zu warten. Jeder neue Tag bedeutete, Tar Valon einen Tag näher gekommen zu sein. Morgen würde er wieder versuchen, die Barriere zu durchbrechen. Es hatte sich angefühlt, als hätte er mit den Händen gegen Stein geschlagen, aber er hatte dennoch mit all seiner Kraft dagegengeschlagen. Wenn Erian ihn morgen züchtigte — er war sich sicher, daß sie es sein würde —, würde er sie abermals anlächeln, und wenn sich der Schmerz aufbaute, würde er die Schreie herauslassen. Am nächsten Tag würde er den Schild nur streifen, vielleicht fest genug, daß sie es merkten, aber nur das, und dann nicht wieder, bis er wußte, ob sie ihn bestraften oder nicht. Vielleicht würde er um Wasser bitten. Sie hatten ihm in der Morgendämmerung etwas zu trinken gegeben, aber er war wieder durstig. Selbst wenn sie ihn mehr als einmal am Tag etwas trinken ließen, würde es keinen Argwohn erregen, wenn er um Wasser bat. Wenn er sich dann noch immer in der Kiste befand, könnte er auch darum bitten, herausgelassen zu werden. Er glaubte, daß es so sein würde. Es bestand nur eine geringe Chance, daß sie ihn für längere Zeit herausließen, bevor sie nicht überzeugt waren, daß er seine Lektion gelernt hatte. Die verkrampften Muskeln zuckten bei dem Gedanken an zwei oder drei weitere, hier drinnen zu verbringende Tage. Es war kein Platz, irgend etwas zu bewegen, aber sein Körper versuchte es. Zwei oder drei Tage, und sie wären sicher, daß er gebrochen war. Er würde furchtsam wirken und aller Blicke meiden. Ein armer Kerl, den sie aus der Kiste herauslassen konnten.

Und was noch wichtiger war: ein armer Kerl, den sie nicht mehr so genau bewachen mußten. Und dann würden sie vielleicht beschließen, daß nicht mehr sechs Aes Sedai nötig wären, den Schild aufrechtzuerhalten, oder daß sie ihn losbinden könnten, oder ... oder irgend etwas. Er brauchte eine Chance!

Es war ein verzweifelter Gedanke, aber er erkannte, daß er lachte und nicht mehr aufhören konnte. Er konnte auch nicht damit aufhören, die Barriere zu ertasten, ein Blinder, der seine Finger verzweifelt über glattes Glas gleiten läßt.

Galina blickte stirnrunzelnd hinter den Aiel-Frauen her, bis diese eine Hügelspitze erreichten und schließlich auf der anderen Seite verschwanden. Jede einzelne dieser Frauen außer Sevanna selbst hatte die Macht lenken können, und mehrere sogar recht stark. Sevanna hatte sich von ungefähr einem Dutzend Wilden umgeben zweifellos sicherer gefühlt. Ein belustigender Gedanke. Diese Wilden waren ein unzuverlässiger Haufen. Sie würde sie in wenigen Tagen wieder benutzen, beim zweiten Teil von Sevannas ›Handel‹ — beim bedauerlichen Tod von Gawyn Trakand und dem größten Teil seiner Jünglinge.