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Der Nachthimmel schien in seinem Kopf umherzuwirbeln und bedeckte plötzlich ein Lager mit Wagen und Zelten und Lagerfeuern. Sie waren nicht sehr deutlich zu sehen — Wölfe kümmerten sich kaum um Menschliches, also erschienen die Wagen und Zelte nur vage, die Lagerfeuer schienen gefährlich zu brüllen und die Pferde wirkten recht schmackhaft —, und dieses Bild wurde von Wolf zu Wolf weitergegeben, bis es ihn erreichte. Das Lager war größer, als Perrin erwartet hatte, aber Feuersturm hegte keinerlei Zweifel. Ihr Rudel schlich gerade am Rande dieses Lagers entlang, in dem sich die ›zweibeinigen Weibchen, die den Wind berühren, der die Sonne bewegt, und Feuer heraufbeschwören‹ befanden. Perrin versuchte zu erfahren, wie viele es waren, aber Wölfe hatten keine Vorstellung von Zahlen. Sie stellten fest, wie viele Dinge es von etwas gab, indem sie zeigten, wie viel sie gesehen hatten, und als Feuersturm und ihr Rudel die Aes Sedai erst erspürt hatten, hatten sie nicht die Absicht, noch wesentlich näher heranzugehen.

Die Frage Wie weit? wurde erheblich genauer beantwortet, wieder von Wolf zu Wolf weitergegeben, wenn die Antwort auch erst entschlüsselt werden mußte. Feuersturm sagte, sie könne zu dem Hügel gehen, wo ein mürrischer Rüde namens Halbschwanz sein Rudel an Rotwild herangeführt hatte, während der Mond so und so weit über den Himmel gewandert war, in einem bestimmten Winkel. Halbschwanz konnte wiederum Hasennase erreichen — offensichtlich ein junger und sehr wilder Rüde —, während der Mond so und so weit wanderte, in einem anderen Winkel. Und so ging es weiter, bis Zwei Monde erreicht wurde. Zwei Monde bewahrte würdiges Schweigen, was für einen alten Rüden mit überwiegend weißer Schnauze angemessen war. Er und sein Rudel waren nicht viel weiter als eine Meile von Perrin entfernt, und der Gedanke, daß Perrin den Standort der Aes Sedai nicht genau kannte, wäre eine Beleidigung gewesen.

Perrin dachte so gründlich wie möglich über die erhaltenen Angaben nach und kam auf sechzig oder siebzig Meilen. Morgen würde er wissen, wie schnell sie sich ihnen näherten.

Warum? Das war Halbschwanz, der kenntlich an seinem Geruch vorüberzog.

Perrin zögerte mit der Antwort. Er hatte diese Frage befürchtet. Er empfand den Wölfen gegenüber genau wie den Leuten von den zwei Flüssen gegenüber. Sie haben Schattentöter gefangengesetzt, dachte er schließlich. So nannten die Wölfe Rand, aber er wußte nicht, ob ihnen Rand wichtig war.

Das Entsetzen, das seinen Geist erfüllte, genügte als Antwort, und Geheul erfüllte die Nacht, nah und fern, ein mit Wut und Angst durchsetztes Geheul. Die Pferde im Lager wieherten erschreckt und stampften mit den Hufen, während sie an den Pflockseilen zerrten. Männer liefen hin, um sie zu beruhigen, und andere spähten in die Dunkelheit, als erwarteten sie, daß ein großes Rudel Wölfe die Pferde angreifen würde.

Wir kommen, antwortete Halbschwanz schließlich.

Nur das, und dann antworteten auch die anderen, Rudel, mit denen Perrin gesprochen hatte, und auch Rudel, die dem Zweibeiner, der wie die Wölfe sprechen konnte, schweigend zugehört hatten. Wir kommen. Nicht mehr.

Perrin drehte sich zur Seite, schlief ein und träumte, er sei ein Wolf, der über endlose Hügel lief. Am nächsten Morgen war kein Zeichen von Wölfen zu sehen — nicht einmal die Aiel berichteten, einen gesehen zu haben —, aber Perrin konnte sie spüren, mehrere hundert und mehr Wölfe auf dem Weg.

Während der nächsten vier Tage flachte das Land zu wogenden Ebenen ab, deren höchste Erhebungen im Vergleich zu den Bergen am Alguenya kaum den Namen Hügel verdienen. Der Wald wurde lichter und machte Weideland Platz, braun und versengt, mit sich weit erstreckenden Dickichten. Die Flüsse und Bäche, die sie überquerten, benäßten kaum die Hufe der Pferde und bewirkten auch sonst nicht viel mehr, bevor sie im von der Sonne gehärteten Schlamm versickerten. Jede Nacht teilten die Wölfe Perrin mit, was sie von den vorauseilenden Aes Sedai in Erfahrung bringen konnten, was aber nicht viel war. Feuersturms Rudel folgte ihnen unbemerkt, wenn auch in großem Abstand. Eines wurde deutlich: Perrin legte jeden Tag die gleiche Strecke zurück wie am ersten Tag, und jeden Tag kam er den Aes Sedai um zehn Meilen näher. Aber was würde er tun, wenn er sie einholte?

Bevor sich die Wölfe in jeder Nacht meldeten, saß Perrin in leiser Unterhaltung mit Loial versunken, während sie zusammen eine Pfeife rauchten. Perrin wollte über den Ernstfall reden. Dobraine schien zu glauben, sie sollten einfach angreifen und bei dem Versuch, ihr Bestes zu tun, sterben. Rhuarc sagte nur, daß sie abwarten müßten, was der morgige Tag bringen würde, und daß alle Männer aus dem Traum erwachen müßten, was nicht allzu weit von Dobraines Sicht der Dinge entfernt war. Loial war zwar für einen Ogier noch jung, aber er war dennoch bereits über neunzig. Perrin vermutete, daß Loial mehr Bücher gelesen hatte, als er selbst jemals gesehen hatte, und er verfügte über ein erstaunliches Wissen über die Aes Sedai.

»Es gibt mehrere Bücher über Aes Sedai, die sich mit Menschen befassen, die die Macht lenken können.« Loial blickte stirnrunzelnd um seine Pfeife herum, deren blattförmiger Kopf so groß wie Perrins beide Fäuste war. »Elora, Tochter von Amar Tochter von Coura, schrieb während der frühen Regentschaft Artur Falkenflügels Männer aus Feuer und Frauen aus Luft. Und Ledar, Sohn von Shandin Sohn von Koimal, schrieb erst vor ungefähr dreihundert Jahren Eine Betrachtung über Männer, Frauen und die Eine Macht unter Menschen. Ich denke, das sind die beiden besten Werke. Besonders das von Elora. Sie schrieb im Stil von... Nein. Ich werde es kurz machen.« Perrin bezweifelte das. Sich kurz und präzise auszudrücken, gehörte nicht zu den Tugenden Loials, wenn er über Bücher sprach. Der Ogier räusperte sich. »Nach Burgrecht muß ein Mann zum Verhör zur Burg gebracht werden, bevor er gedämpft werden kann.« Loials Ohren zuckten einen Moment heftig, und seine langen Augenbrauen sanken grimmig nach unten, aber er klopfte Perrin tröstlich auf die Schulter. »Ich kann nicht glauben, daß sie das vorhaben, Perrin. Ich habe gehört, daß sie darüber sprachen, ihm Ehre zu erweisen, schließlich ist er der Wiedergeborene Drache.«

»Ehre?« erwiderte Perrin ruhig. »Vielleicht betten sie ihn auf Seide, aber ein Gefangener ist noch immer ein Gefangener.«

»Ich bin zuversichtlich, daß sie ihn gut behandeln, Perrin.« Aber der Ogier klang nicht überzeugt, und sein Seufzen klang hohl. »Und er ist sicher, bis er Tar Valon erreicht. Elora und Ledar — und mehrere andere Schriftsteller ebenso — stimmen darin überein, daß dreizehn Aes Sedai nötig sind, um einen Mann zu dämpfen. Ich kann nur nicht verstehen, wie sie ihn gefangennehmen konnten.« Loial wurde mit einemmal nachdenklich. »Perrin, sowohl Elora als auch Ledar schreiben, daß die Aes Sedai, wenn sie einen Menschen mit großer Macht finden, stets dreizehn von ihresgleichen versammeln, um ihn gefangenzunehmen. Oh, sie erzählen auch Geschichten, in denen es nur vier oder fünf sind, und beide erwähnen Caraighan — sie brachte einen Mann fast zweitausend Meilen weit allein zur Burg, nachdem er ihre beiden Behüter getötet hatte —, aber... Perrin, sie schrieben von Yurian Steinbogen und Guaire Amalasan. Und ebenso von Kaolin Darksbane und Davian, aber es sind die anderen, die mir Sorgen machen.« Damit meinte er vier der Mächtigsten unter den Männern, die sich als der Wiedergeborene Drache bezeichnet hatten, aber dies alles war vor langer Zeit, vor Artur Falkenflügel, geschehen. »Sechs Aes Sedai haben versucht, Steinbogen zu überwältigen, und er hat drei getötet und die anderen gefangengenommen. Sechs versuchten, Amalasan gefangenzunehmen. Er hat eine getötet und zwei weitere gedämpft. Rand ist sicherlich genauso stark wie Steinbogen und Amalasan. Befinden sich wirklich nur sechs Aes Sedai vor uns? Es würde vieles erklären.«