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All dies geschah vor seinen Augen, aber er erlaubte sich nicht, es zu sehen. Nur die Dornengestrüppe vor ihm mußten mit seiner und Loials Streitaxt und Arams Schwert aus dem Weg geräumt werden. Dann sah er etwas, das seine Konzentration durchdrang. Ein sich aufbäumendes Pferd, ein taumelnder Reiter, der aus dem Sattel gerissen wurde, als Aiel-Speere ihn durchbohrten. Ein Reiter mit einem roten Brustharnisch. Und noch ein Beflügelter Wächter und weitere von ihnen, die ihre Speere reckten, während Nurelles Feder über seinem Helm schwankte. Kurz darauf sah er Kiruna, das Gesicht heiter und unbesorgt, die wie eine Königin der Schlachten den von drei Behütern für sie freigehauenen Weg entlangschritt, und die Feuer, die ihren Händen entsprangen. Und da war Bera und weiter seitlich Faeldrin und Masuri und... Was, unter dem Licht, taten sie alle hier? Was taten sie überhaupt alle? Sie sollten bei den Weisen Frauen sein!

Von irgendwo über ihm erklang ein hohles Dröhnen, wie ein Donnerschlag, der durch den Lärm der Schreie und Rufe hindurchschnitt. Kurz darauf erschien keine zwanzig Schritte vor ihm ein Lichtblitz und schnitt wie eine riesige Klinge durch mehrere Menschen und ein Pferd hindurch, während er sich zu einem Wegetor erweiterte. Ein Mann in schwarzem Umhang mit einem Schwert in Händen sprang daraus hervor und ging mit einem Shaido-Speer im Leib zu Boden, aber kurz darauf sprangen acht oder neun weitere Männer durch das Wegetor, während es verschwand, und bildeten mit ihren Schwertern einen Kreis um den gefallenen Mann. Mit mehr als Schwertern. Einige der Shaido, die sie angriffen, fielen nicht durch eine Klinge, sondern gingen einfach in Flammen auf. Die Köpfe, die wie Melonen zerbarsten, fielen aus der Höhe auf das Gestein. Vielleicht hundert Schritte hinter ihnen glaubte Perrin einen weiteren Kreis von Männern in schwarzen Umhängen zu erkennen, die von Feuer und Tod umgeben waren, aber er hatte keine Zeit, sich darüber zu wundern. Shaido schlossen sich auch um ihn.

Er stellte sich mit dem Rücken zu Loial und Aram und schlug und hackte verzweifelt um sich. Jetzt gab es kein Vorankommen mehr. Er konnte nur noch die Stellung halten. Das Blut pochte in seinen Ohren, und er hörte, wie er nach Atem rang. Er konnte auch Loial hören, der wie ein großer Blasebalg keuchte. Perrin wehrte einen zustoßenden Speer mit seiner Streitaxt ab, traf im Rückschwung mit der Spitze einen weiteren Aiel, ergriff eine Speerspitze mit der Hand, ungeachtet der klaffenden Wunde, die sie verursachte, und zerteilte ein schwarz verschleiertes Gesicht. Er glaubte nicht, daß sie noch viel länger standhalten könnten. Sein ganzes Sein konzentrierte sich darauf, noch einen Herzschlag länger am Leben zu bleiben. Fast sein ganzes Sein. Ein Winkel seines Geistes hielt ein Bild von Faile aufrecht und den traurigen Gedanken, daß er sich nicht dafür entschuldigen könnte, daß er nicht zu ihr zurückkam.

Rand rang mit verdoppeltem Schmerz in der Brust um Luft und betastete hastig den Schild zwischen ihm und der Quelle. Stöhnen schwebte über das Nichts, und wilder Zorn und sengende Angst kroch an ihr entlang. Er konnte nicht mehr unterscheiden, was von ihm und was von Lews Therin kam. Plötzlich gefror sein Atem. Sechs Stellen, aber eine war jetzt unnachgiebig. Nicht mehr nachgiebig, sondern unnachgiebig. Und dann eine zweite. Eine dritte. Rauhes Lachen erfüllte seine Ohren. Es war sein Lachen, wie er kurz darauf erkannte. Eine vierte Stelle wurde unnachgiebig. Er wartete, versuchte in sich zu ersticken, was wie irres Kichern klang. Die letzten beiden Stellen blieben nachgiebig. Das erstickte Kichern erstarb.

Sie werden es spüren, stöhnte Lews Therin verzweifelt. Sie werden es spüren und die anderen zurückrufen.

Rand leckte sich mit seiner trockenen Zunge über die aufgesprungenen Lippen. Alle Feuchtigkeit in ihm schien mit dem Schweiß entschwunden zu sein, der seine Haut überzog und in seinen Wunden brannte. Wenn er es versuchte und es mißlang, würde es niemals eine zweite Chance geben. Er konnte nicht mehr warten. Es gäbe ohnehin vielleicht niemals eine zweite Chance.

Vorsichtig, blind, ertastete er die vier unnachgiebigen Stellen. Dort war nichts, nicht mehr, als der Schild selbst für ihn erspürbar oder sichtbar war, aber irgendwie konnte er um dieses Nichts herumspüren, eine Form spüren. Wie Knoten. In einem Knoten war stets Platz zwischen den Fäden, wie fest er auch gezogen war, Spalte, feiner als ein Haar, wo nur Luft hindurchgelangte. Langsam, so sehr langsam, tastete er sich in einen dieser Spalte vor, drückte durch äußerst winzige Risse zwischen etwas, das anscheinend überhaupt nicht vorhanden war. Langsam. Wie lange würde es dauern, bis die anderen zurückkehrten? Wenn sie wieder anfingen, bevor er einen Weg durch dieses gewundene Labyrinth gefunden hatte... Langsam. Und plötzlich konnte er die Quelle spüren, als hätte er sie mit einem Fingernagel gestreift. Nur mit dem äußeren Rand eines Fingernagels. Saidin war noch jenseits von ihm — der Schild war noch immer da —, aber er konnte in Lews Therin Hoffnung aufwallen spüren. Hoffnung und Verzagtheit. Zwei Aes Sedai hielten noch immer an der Barriere fest, waren sich immer noch bewußt, was sie festhielten.

Rand hätte nicht erklären können, was er als nächstes tat, obwohl Lews Therin erklärt hatte, wie er es tun mußte, zwischen einzelnen Ausflügen in seine eigenen verrückten Vorstellungen, zwischen hoch aufbrausendem Zorn und Wehklagen über seine verlorene Ilyena, zwischen Geplapper, daß er zu sterben verdiene, und Schreien, daß er nicht zulassen würde, daß sie ihn zerbrachen. Es war, als beuge er, was er durch den Knoten ausgestreckt hatte, als beuge er es, so sehr er konnte. Der Knoten widerstand. Er erzitterte. Und dann brach er auf. Da waren nur noch fünf. Die Barriere wurde dünner. Er konnte spüren, wie sie schwächer wurde. Eine unsichtbare Wand, die jetzt nur noch fünf anstatt sechs Ziegelsteine dick war. Die beiden Aes Sedai würden es auch gespürt haben, obwohl sie vielleicht nicht genau verstanden, was geschehen war. Bitte, Licht, nicht jetzt. Noch nicht.

Schnell, fast hektisch, griff er die verbliebenen Knoten nacheinander an. Ein zweiter öffnete sich — der Schild wurde dünner. Es ging jetzt schneller, mit jedem ein wenig mehr, als lerne er den Weg hindurch, wenn es auch jedesmal anders war. Der dritte Knoten war gelöst. Und eine dritte unnachgiebige Stelle erschien. Vielleicht wußten die Aes Sedai nicht, was er tat, aber sie würden nicht einfach dasitzen, während der Schild immer schwächer wurde. Hektisch warf sich Rand auf den vierten Knoten. Er mußte ihn lösen, bevor sich eine vierte Schwester in den Schild einbrachte. Vier könnten in der Lage sein, ihn zu halten, was immer er tat. Den Tränen nahe, kämpfte er sich durch die verästelten Windungen, glitt zwischen Nichts. Er beugte es in Panik, und der Knoten platzte. Der Schild blieb, wurde aber jetzt nur noch von dreien gehalten. Wenn er sich nur schnell genug bewegen konnte.

Als er nach Saidin griff, war die unsichtbare Barriere noch immer da, aber sie schien nicht mehr aus Stein oder Ziegeln zu bestehen. Sie gab nach, als er dagegenpreßte, neigte sich unter seinem Druck, neigte sich, neigte sich. Plötzlich riß sie vor ihm entzwei wie zerschlissener Stoff. Die Macht erfüllte ihn, und er ergriff jene drei nachgiebigen Stellen und zerschmetterte sie unbarmherzig mit Fäusten aus Geist. Abgesehen davon vermochte er noch immer nur dort die Macht zu lenken, wo er etwas sah, und alles, was er jetzt schwach erkennen konnte, war das Innere der Kiste, soweit er sie mit dem Kopf zwischen den Knien sehen konnte. Bevor er seine Arbeit mit den Fäusten aus Geist auch nur beendet hatte, lenkte er die Macht Luft. Die Kiste platzte mit lautem Knall von ihm ab.