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Ihre Anzahl schrumpfte, und das begann Wirkung zu zeigen. Weniger Lichtblitze erloschen mitten in der Luft und trafen jetzt häufiger Behüter und Soldaten. Weniger Feuerbälle verschwanden plötzlich oder explodierten, bevor sie die Wagen erreichten. Aiel begannen sich durch die Lücken zwischen den Wagen zu drängen. Wagen wurden umgeworfen. Innerhalb weniger Momente waren überall schwarz verschleierte Aiel, und Chaos herrschte. Rand sah erstaunt zu.

Behüter und Soldaten in grünen Umhängen kämpften in Gruppen gegen Aiel, und Aes Sedai umgaben sich mit Feuerregen. Aber es kämpften auch Aiel gegen Aiel. Männer mit dem scharlachroten Siswai'aman-Stirnband und Töchter des Speers mit den um ihre Arme gebundenen roten Tuchstreifen bekämpften andere Aiel. Cairhienische Speerkämpfer mit glockenförmigen Helmen und Mayener mit roten Brustharnischen befanden sich plötzlich zwischen den Wagen und kämpften sowohl gegen Aiel als auch gegen Behüter. War er doch noch wahnsinnig geworden? Er war sich Mins bewußt, die sich an seinen Rücken drängte und zitterte. Sie war real. Also mußte das, was er sah, auch real sein.

Ungefähr ein Dutzend Aielmänner, jeder so groß wie er oder größer, kamen auf ihn zu. Sie trugen kein Rot. Er beobachtete sie neugierig, bis einer von ihnen einen Schritt vor Rand einen Speer wie eine Keule umgedreht anhob. Rand lenkte die Macht, und Feuer schien überall aus dem Dutzend zu schießen. Verkohlte und verdrehte Körper stürzten zu seinen Füßen.

Plötzlich verhielt Gawyn seinen kastanienbraunen Wallach keine Zehn Schritte vor ihm, ein Schwert in der Hand und zwanzig oder mehr Männer in grünen Umhängen auf Pferden hinter ihm. Sie sahen einander einen Moment an, und Rand betete, daß er Elaynes Bruder nicht verletzen müßte.

»Min«, sagte Gawyn zähneknirschend, »ich kann dich hier herausbringen.«

Sie spähte über Rands Schulter hinweg und schüttelte den Kopf. Sie hielt sich so sehr an ihm fest, daß er glaubte, er könnte sie nicht einmal losbrechen, wenn er es gewollt hätte. »Ich bleibe bei ihm, Gawyn. Elayne liebt ihn.«

Von der Macht erfüllt, konnte Rand die Knöchel des Mannes um das Schwertheft weiß werden sehen. »Jisao«, sagte er tonlos. »Versammelt die Jünglinge. Wir kämpfen uns hier heraus.« Wenn seine Stimme schon vorher tonlos geklungen hatte, wirkte sie jetzt vollkommen abgestorben. »Al'Thor, eines Tages werde ich Euch sterben sehen.« Er bohrte seinem Pferd die Fersen in die Flanken und galoppierte davon, wobei er und die anderen lauthals »Jünglinge!« schrien und sich weitere Männer in grünen Umhängen einen Weg bahnten, um sich ihnen anzuschließen.

Ein Mann in einem schwarzen Umhang trat blitzschnell vor Rand und sah hinter Gawyn her. Der Boden brach in Klumpen aus Feuer und Erde auf, die ein halbes Dutzend Pferde zum Stürzen brachten, als sie die Wagen erreichten. Gawyn schwankte einen Augenblick im Sattel, bevor er den Mann im schwarzen Umhang mit einer Keule aus Luft niederschlug. Rand kannte den hartgesichtigen jungen Mann nicht, der ihn anknurrte, aber der Bursche trug Schwert und Drachen an seinem hohen Kragen und war von Saidin erfüllt.

Taim war im Handumdrehen da und blickte auf den Burschen herab. An seinem Kragen war keine Nadel zu sehen. »Ihr würdet doch den Wiedergeborenen Drachen nicht angreifen, Gedwyn«, sagte Taim gleichzeitig sanft und stahlhart, und der hartgesichtige Mann rappelte sich hoch und salutierte mit der Faust über dem Herzen.

Rand schaute zu der Stelle, wo Gawyn gewesen war, aber er konnte nur eine große Gruppe Männer mit einem Weißen Keiler-Banner sehen, die sich ihren Weg weiter durch die Aiel bahnten, während weitere grün gewandete Männer darum kämpften, sich ihnen anzuschließen.

Taim wandte sich mit diesem unmerklichen Lächeln auf den Lippen an Rand. »Unter den gegebenen Umständen vertraue ich darauf, daß Ihr es mir nicht vorhalten werdet, indem Ihr Euer Kommando über sich bekämpfende Aes Sedai entweiht. Ich hatte Grund, Euch in Cairhien aufzusuchen...« Er zuckte die Achseln. »Ihr seht mitgenommen aus. Ihr werdet mir erlauben...« Das leichte Verziehen seiner Lippen glättete sich wieder, als Rand vor seiner ausgestreckten Hand zurücktrat und Min mit sich zog. Sie klammerte sich fester an ihn denn je.

Lews Therin hatte begonnen, über das Töten zu schwadronieren, wie er es stets tat, wenn Taim auftauchte, redete weitschweifig auf wahnsinnige Art über die Verlorenen und darüber, jedermann zu töten, aber Rand hörte nicht mehr zu, sondern schirmte ihn soweit ab, daß seine Worte nur noch wie das Summen einer Fliege klangen. Es war ein Trick, den er in der Kiste erlernt hatte, als nichts anderes zu tun war, als den Schild zu ertasten und einer Stimme in seinem Kopf zu lauschen, die immer häufiger von Wahnsinn zeugte. Gleichwohl wollte er auch ohne Lews Therin nicht von dem Mann geheilt werden. Er glaubte, daß er ihn töten würde, wenn Taim ihn jemals — wie unschuldig auch immer — mit der Macht berührte.

»Wie Ihr wollt«, sagte der Mann mit der Hakennase verzerrt. »Ich glaube, daß ich das Lager zur Genüge gesichert habe.«

Das schien nur zu wahr. Körper bedeckten den Boden, und nur an wenigen Stellen kämpften innerhalb des Wagenkreises noch einige Männer. Plötzlich bedeckte eine Luftkuppel das ganze Lager, und der Rauch von den Feuern stieg zu einer Öffnung links oben in der Kuppel auf. Es war kein solides Gewebe aus Saidin. Rand konnte sehen, wo einzelne Gewebe aneinandergestoßen waren, um es zu bilden. Er glaubte, daß sich vielleicht zweihundert schwarzgewandete Menschen unter der Kuppel befanden. Ein Blitzhagel und Feuer trafen auf diese Barriere auf und explodierten, ohne Schaden anzurichten. Der Himmel schien zu knistern und zu brennen. Ein beständiges Brüllen erfüllte die Luft. Töchter des Speers mit roten Stoffstreifen um die Arme und Siswai'aman standen entlang der für sie nicht sichtbaren Mauer, zusammen mit Mayenern und Cairhienern, von denen viele ebenfalls zu Fuß waren. Auf der anderen Seite starrte eine gewaltige Menge Shaido die unsichtbare Barriere an, die sie von ihren Feinden fernhielt, hieben hin und wieder mit ihren Speeren darauf ein oder warfen sich leibhaftig dagegen. Die Speere zerbrachen, und die Körper prallten zurück.

Innerhalb der Kuppel erstarben die letzten Kämpfe, noch während Rand hinsah. Unter den Augen weniger rot gekennzeichneter Männer und Töchter des Speers legten die entwaffneten Shaido mit steinernen Gesichtern ihre Gewänder ab. Im Kampf gefangengenommen, würden sie das Gai'shain-Weiß ein Jahr und einen Tag lang tragen, selbst wenn es den Shaido irgendwie gelänge, das Lager zu überrennen. Cairhiener und Mayener stellten Wachen für eine große Ansammlung von zornigen Behütern und Jünglingen sowie ängstlichen Dienern auf. Es waren letztendlich fast genauso viele Bewacher wie Gefangene. Fast ein Dutzend Aes Sedai wurden von einer gleichen Anzahl Asha'man mit Schwertern und dem Drachen abgeschirmt. Die Aes Sedai sahen elend und verängstigt aus. Rand erkannte drei, obwohl Nesune die einzige war, die er mit Namen benennen konnte. Er erkannte keine ihrer Asha'man-Gefangenenwärter. Mehrere der Frauen, die Rand abgeschirmt und bewußtlos gemacht hatten, wurden zu jenen Gefangenen gebracht. Einige von ihnen begannen sich zu regen, während schwarzgewandete Soldaten und Geweihte mit dem Silberschwert am Kragen Saidin benutzten, um andere über den Boden zu ziehen und jenen ersten hinzuzugesellen. Einige von ihnen brachten die beiden bewußtlosen Aes Sedai und die Frau mit dem kantigen Gesicht aus dem Dickicht heraus. Sie schrie noch immer. Als sie der Menschenansammlung zugeführt worden waren, wandten sich einige der Aes Sedai jäh ab und übergaben sich.

Es waren auch noch andere Aes Sedai anwesend, von Behütern umgeben und von schwarzgewandeten Männern bewacht, wenn auch nicht abgeschirmt, die die Asha'man genauso unbehaglich betrachteten wie die bewachten Frauen. Sie sahen auch Rand an und wären mit Sicherheit zu ihm gekommen, wenn die Asha'man nicht gewesen wären. Rand erwiderte ihre Blicke. Alanna war dort. Er hatte nicht halluziniert. Er erkannte nicht alle ihre Begleiter, aber ausreichend viele. Sie waren insgesamt neun. Neun. Jäher Zorn stürmte aus dem Nichts heran, und Lews Therins Fliegengesumm wurde lauter.