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Mat lächelte und stützte die Ellbogen auf den Tisch. »Sucht Euch ein gutes Pferd, und dann werden wir ja sehen.« Sein Glück würde vielleicht ein Pferderennen nicht beeinflussen, denn von Würfeln und Karten und ähnlichem abgesehen, wußte er nie im voraus, was es wohl beeinflussen werde oder wann, aber er war mit einem Vater aufgewachsen, der Pferdehändler war, und er hatte ein sehr gutes Auge für Pferde.

»Wollt Ihr nun diesen Wein oder nicht? Ich kann nicht eingießen, wenn ich Euren Becher nicht erreiche.«

Mat blickte sich nach hinten um. Die Serviererin hinter ihm hielt einen auf Hochglanz polierten Zinnkrug in der Hand. Sie war klein und schlank und bildhübsch mit ihren dunklen Augen, den blassen Wangen und den ihr bis auf die Schulter herab fallenden schwarzen Locken. Und diese für Cairhien so typische präzise und dabei musikalische Aussprache ließ ihre Stimme wie Glockenklang erscheinen. Er hatte schon seit dem ersten Tag, als er den ›Goldenen Hirsch‹ betrat, ein Auge auf Betse Silvin geworfen, doch dies jetzt war die erste Gelegenheit, sich mit ihr zu unterhalten. Ansonsten gab es immer fünf Dinge, die sofort erledigt werden mußten, und zehn andere, die sie gestern schon erledigt haben sollte. Die anderen Männer hatten ihre Nasen in ihren Bechern vergraben, damit er sich so allein mit ihr wie eben möglich fühlen konnte. Hinausmarschieren konnten sie ja wohl schlecht. Aber sie hatten gute Manieren; sogar die beiden Adligen.

Grinsend schwang Mat seine Beine über die Bank nach hinten und hielt ihr den Becher hin, damit sie ihn auffüllen konnte. »Dankeschön, Betse«, sagte er, und sie knickste leicht. Als er sie dann allerdings fragte, ob sie sich nicht selbst eingießen und mit ihm trinken wolle, stellte sie den Krug auf den Tisch, verschränkte die Arme und hielt den Kopf ein wenig schief, damit sie ihn von Kopf bis Fuß mustern konnte.

»Ich glaube kaum, daß so etwas Frau Daelvin gefallen würde. O nein, das würde ihr bestimmt nicht passen. Seid Ihr ein Lord? Sie scheinen alle nach Eurer Pfeife zu tanzen, aber keiner redet Euch mit »mein Lord« an. Sie verbeugen sich ja kaum — höchstens die Gemeinen.«

Mat zog die Augenbrauen hoch. »Nein«, sagte er kürzer angebunden als beabsichtigt, »ich bin kein Lord.« Rand sollte ruhig die Leute herumlaufen und ihn mit Lord Drache oder so ähnlich anreden lassen. Das war nichts für Matrim Cauthon. Ganz bestimmt nicht. Er holte tief Luft, und sein Grinsen kehrte zurück. Manche Frauen versuchten ständig, einen Mann aus dem Gleichgewicht zu bringen, aber seine Stärke lag im Tanzen. »Redet mich nur mit Mat an, Betse. Ich bin sicher, daß Frau Daelvin nichts dagegen hat, wenn ihr euch eine Weile zu mir setzt.«

»O doch, sie hätte was dagegen. Aber ich schätze, ich kann mich ein bißchen mit Euch unterhalten. Ihr seid ja wohl beinahe ein Lord. Warum tragt Ihr das bei der Hitze?« Sie beugte sich vor und schob mit einer Fingerspitze sein Halstuch ein Stück hinunter. Er hatte nicht aufgepaßt und es etwas herunterrutschen lassen. »Was ist denn das?« Sie fuhr mit dem Finger die dicke, blasse Narbe nach, die sich rund um seinen Hals zog. »Hat jemand versucht. Euch aufzuhängen? Warum denn? Ihr seid zu jung, um ein solch ausgekochter Halunke zu sein, den man aufhängen müßte.« Er nahm den Kopf zurück und zog das Halstuch ganz schnell wieder so zusammen, daß es die Narbe verdeckte, doch Betse ließ sich nicht so leicht ablenken. Ihre Hand schlüpfte vorn in sein Hemd hinein, dessen Bändel er offen gelassen hatte, und zog das Medaillon in Form eines silbernen Fuchskopfes heraus, das an einer Lederschnur um seinen Hals hing. »Hat man Euch aufhängen wollen, weil Ihr das gestohlen habt? Es sieht wertvoll aus. Ist es wertvoll?« Mat schnappte sich das Medaillon aus ihrer Hand und schob es zurück, wo es hingehörte. Die Frau holte ja kaum Luft, jedenfalls nicht lange genug, um ihn auch zu Wort kommen zu lassen. Er hörte, wie hinter ihm Nalesean und Daerid leise lachten, und sein Gesicht lief dunkel an. Manchmal verkehrte sich sein Glück im Spiel bei Frauen ins genaue Gegenteil, aber die fanden das immer erheiternd. »Nein, sie hätten es Euch nicht gelassen, wenn Ihr es gestohlen hättet, oder?« Betse plapperte eifrig weiter. »Und da Ihr ja beinahe ein Lord seid, könnt Ihr euch wohl Dinge wie das leisten. Vielleicht wollten sie Euch hängen, weil Ihr zuviel wußtet? Ihr wirkt wie ein junger Mann, der eine ganze Menge weiß. Oder es zumindest glaubt.« Sie lächelte ein wenig auf jene typische, verwirrende Art und Weise, wie es Frauen tun, wenn sie einen Mann um den Finger wickeln wollen. Das bedeutete nur in seltenen Fällen, daß sie wirklich etwas wußten, aber sie ließen einen glauben, sie hätten eine Ahnung. »Haben sie versucht, Euch aufzuhängen, weil Ihr glaubtet, zuviel zu wissen? Oder weil Ihr so getan habt, als wärt Ihr ein Lord? Seid Ihr sicher, daß Ihr wirklich kein Lord seid?«

Daerid und Nalesean lachten jetzt ganz unverhohlen, und sogar Talmanes schmunzelte, obwohl sie sich Mühe gaben, so zu tun, als habe es einen anderen Grund. Daerid warf immer wieder keuchend vor Lachen etwas dazwischen über einen Mann, der vom Pferd gefallen sei, allerdings nur, wenn er gerade zum Luftholen gekommen war, aber an den Bruchstücken, die Mat davon wahrnahm, war nichts Lustiges.

Er grinste trotzdem weiter. Er würde sich nicht in die Flucht schlagen lassen, auch wenn sie schneller sprach, als er laufen konnte. Sie war nun einmal sehr hübsch, und er hatte die letzten Wochen unter Männern wie Daerid und noch schlimmeren verbracht, verschwitzten Kerlen, die manchesmal vergaßen, sich zu rasieren, und die viel zu oft keine Möglichkeit fanden, ein Bad zu nehmen. Auch auf Betses Wangen stand der Schweiß, und doch duftete sie schwach nach Lavendelseife. »In Wirklichkeit habe ich das abbekommen, weil ich zu wenig wußte«, sagte er leichthin. Frauen gefiel es doch immer, wenn man seine alten Verwundungen herunterspielte. Das Licht mochte wissen, wie viele davon er noch empfangen würde. »Heute weiß ich zuviel, aber damals wußte ich zu wenig. Man könnte durchaus sagen, ich wurde meiner Kenntnisse wegen aufgehängt.«

Betse schüttelte den Kopf und schürzte die Lippen. »Das klingt, als solle es irgendwie geistreich sein, Mat. Kleine Lords machen die ganze Zeit über äußerst geistreiche Bemerkungen, aber Ihr behauptet doch, Ihr wärt kein Lord. Außerdem bin ich eine einfache Frau, und geistreiche Dinge sind mir einfach zu hoch. Für mich sind einfache Worte die besten. Da Ihr kein Lord seid, solltet Ihr euch einfach ausdrücken, sonst könnte jemand vermuten, Ihr spielt gern den Lord. Keine Frau mag einen Mann, der angibt und so tut, als sei er jemand, der er nicht ist. Vielleicht würdet Ihr mir erklären, was Ihr mir eigentlich sagen wolltet?«

Immer noch das Lächeln zu wahren kostete ihn einige Mühe. Dieses Wortgeplänkel mit ihr verlief ganz anders, als von ihm beabsichtigt. Er konnte nicht entscheiden, ob sie nun ein kompletter Schwachkopf sei oder es einfach fertigbrachte, daß er über die eigenen Ohren stolperte, um mit ihr mithalten zu können. Wie auch immer, war sie eben verdammt hübsch und roch nach Lavendelseife anstatt nach Schweiß, Daerid und Nalesean schienen mittlerweile am eigenen Gelächter zu ersticken. Talmanes summte ›Ein Frosch auf dem Eis‹ vor sich hin. Also schien er wohl mit den Füßen in der Luft durch die Gegend zu schliddern.

Mat stellte seinen Becher weg, erhob sich und beugte sich über Betses Hand. »Ich bin, wer ich bin, und nicht mehr, aber Euer Gesicht vertreibt mir die Worte aus dem Kopf.« Nun riß sie die Augen auf; blumige Komplimente gefielen eben jeder Frau. »Würdet Ihr mit mir tanzen?«