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Siuan leugnete es nicht ab. Seit sie der Dämpfung unterzogen worden war, konnte sie lügen wie ein Wollhändler, aber wenn sie sich entschlossen hatte, offen zu sprechen, dann war sie so offen wie ein Schlag ins Gesicht. »Neun. ›Genug, um dem Wiedergeborenen Drachen die Ehre zu erweisen... ‹ Das stinkt wie die Innereien eines Fisches! Eine Gesandtschaft zu einem König geht selten über drei hinaus! ›...aber nicht genug, um ihm Angst einzujagen.‹ Falls er mittlerweile genug gelernt hat, um überhaupt Angst zu empfinden.«

»Ihr solltet besser hoffen, daß er das gelernt hat«, sagte Elayne mit kalter Stimme. »Falls nicht, dann könnten neun sich als acht zuviel erweisen.«

Dreizehn war die gefährliche Anzahl. Rand war stark, vielleicht stärker als jeder andere Mann seit der Zerstörung der Welt, aber dreizehn verknüpfte Aes Sedai konnten auch ihn überwältigen, ihn von Saidin abschirmen und gefangennehmen. Dreizehn war auch die Anzahl der Aes Sedai, die man benutzte, um einen Mann der Dämpfung zu unterziehen. Allerdings war Nynaeve mittlerweile zu der Ansicht gekommen, daß dies mehr aus Tradition so gehalten wurde und nicht aus Notwendigkeit. Die Aes Sedai taten vieles einfach, weil sie es immer schon so gehalten hatten.

Siuans Lächeln war alles andere als freundlich. »Ich frage mich, warum noch niemand daran gedacht hat. Denkt doch mal nach, Mädchen! Das tun schließlich auch Sheriam und der Saal. Natürlich geht anfangs nur eine zu ihm, und anschließend auch nur so viele, wie er ertragen kann. Aber er wird wissen, daß neun kamen, und irgend jemand wird ihm sicher erzählen, welche Ehre das ist.«

»Ach so«, sagte Elayne kleinlaut. »Ich hätte wissen müssen, daß eine von Euch daran denken würde. Tut mir leid.« Das war noch eine gute Eigenschaft an ihr. Sie konnte stur sein wie ein schielender Maulesel, aber wenn ihr klar wurde, daß sie im Unrecht war, gab sie es so ehrlich zu wie eine Frau vom Land. Bei einer Adligen war das schon mehr als ungewöhnlich.

»Min geht auch mit«, sagte Leane. »Ihr ... Talent könnte nützlich sein für Rand. Davon wissen die Schwestern natürlich nichts. Sie versteht es, Geheimnisse zu wahren.« Als wäre das das Wichtige daran.

»So, so«, sagte Elayne. Diesmal klang ihre Stimme betont nichtssagend. Dann bemühte sie sich, etwas heiterer zu sprechen, aber das mißlang ihr gründlich. »Na ja, wie ich sehe, seid Ihr mit ... mit Marigan beschäftigt. Ich wollte ja nicht stören. Bitte entschuldigt die Unterbrechung.« Sie war weg, bevor Nynaeve den Mund aufbekam. Die Tür krachte hinter ihr zu.

Zornig fuhr Nynaeve Leane an: »Ich dachte, Siuan sei die gemeinere von Euch beiden, aber das war wirklich hundsgemein!«

Es war Siuan, die ihr antwortete: »Wenn zwei Frauen den gleichen Mann lieben, gibt es Schwierigkeiten. Und wenn dieser Mann dann auch noch Rand al'Thor ist... Das Licht mag wissen, wie es um seine geistige Gesundheit steht, oder was sie bei ihm anrichten könnten. Wenn es um Kratzen und Beißen und Haareausreißen geht, dann sollen sie das jetzt und hier erledigen.«

Ohne nachzudenken schnappte Nynaeves Hand ihren Zopf und riß ihn mit einem Ruck über ihre Schulter. »Ich sollte...« Das Dumme war nur, daß sie gar nicht viel tun konnte und auf jeden Fall nichts, womit sie etwas änderte. »Wir machen weiter an dem Punkt, an dem Elayne hereinplatzte. Aber, Siuan... Solltet Ihr Elayne jemals wieder so etwas antun«, oder auch mir, dachte sie, »dann bekommt Ehr es mit mir zu tun... Wo wollt Ihr eigentlich hin?« Siuan hatte ihren Stuhl zurückgeschoben und sich erhoben, worauf Leane nach einem kurzen Blickaustausch das gleiche tat.

»Wir haben zu tun«, sagte Siuan kurz angebunden und bereits auf dem Weg zur Tür.

»Ihr habt versprochen, mir zur Verfügung zu stehen, Siuan. Sheriam hat es Euch aufgetragen.« Sheriam hatte es genau wie Siuan für reine Zeitverschwendung gehalten, aber Nynaeve und Elayne hatten sich eine Belohnung verdient und auch eine gewisse Portion Großzügigkeit. Wie beispielsweise Marigan als Zofe zugewiesen zu bekommen, damit sie mehr Zeit für die Studien der Aufgenommenen hatten.

Siuan warf ihr von der Tür her einen amüsierten Blick zu. »Vielleicht wollt Ihr Euch bei ihr beklagen? Und erklären, wie Ihr Eure Forschungen betreibt? Ich will heute abendMarigan verhören; ich habe einige weitere Fragen.«

Als Siuan draußen war, sagte Leane traurig: »Es wäre ja schön, Nynaeve, aber wir müssen doch wenigstens das tun, was wir wirklich auch vollbringen können. Ihr könntet es ja mit Logain versuchen.« Dann war auch sie weg.

Nynaeve machte eine finstere Miene. Aus Logain hatte sie noch weniger herausbekommen als aus den beiden Frauen. Sie fragte sich bereits, ob jemals etwas dabei herauskommen werde, wenn sie weiterhin Logain untersuchte. Außerdem war das allerletzte, was sie vorhatte, ausgerechnet einen Mann zu heilen, den man einer Dämpfung unterzogen hatte. Und dazu machte er sie auch noch immer so nervös.

»Ihr beißt aufeinander ein wie Ratten in einer verschlossenen Schachtel«, sagte Marigan. »Wenn man die bisherigen Ergebnisse sieht, stehen Eure Chancen nicht sehr gut. Vielleicht solltet Ihr Euch ... andere Möglichkeiten überlegen.«

»Haltet Euren schmutzigen Mund!« Nynaeve funkelte sie an. »Haltet ihn ja, sonst mag Euch das Licht verbrennen!« Immer noch drang Angst durch das Armband zu ihr herüber, aber auch noch etwas anderes, fast zu schwach, um es zu bemerken. Vielleicht ein ganz schwacher Hoffnungsschimmer. »Das Licht soll Euch versengen«, knurrte sie noch einmal.

Der wirkliche Name der Frau war nicht Marigan, sondern Moghedien. Eine der Verlorenen, die durch ihre eigene Überheblichkeit in die Falle gegangen war und die nun mitten unter den Aes Sedai als Gefangene lebte. Nur fünf Frauen auf der Welt wußten darüber Bescheid, und keine davon war eine Aes Sedai, doch es war unbedingt notwendig Moghediens Identität strikt geheimzuhalten. Die Verbrechen der Verlorenen hätten sonst ebenso unvermeidlich zur Hinrichtung geführt, wie die Sonne morgens aufging. Da stimmte ihr auch Siuan zu; auf jede Aes Sedai, die damit gewartet hätte, kämen mindestens zehn, die augenblicklich eine Gerichtsverhandlung gefordert hätten. Und mit ihr würde auch all ihr Wissen aus dem Zeitalter der Legenden, in dem man heute ungeahnte Dinge mit Hilfe der Macht vollbrachte, in ein namenloses Grab gelegt. Nynaeve konnte kaum die Hälfte von dem glauben, was ihr diese Frau von jenem Zeitalter erzählte. Und sie verstand gewiß noch um einiges weniger.

Informationen aus Moghedien herauszuholen war nicht gerade leicht. Manchmal war es dem Heilen ähnlich; Moghedien hatte sich nie für Dinge interessiert, die ihr nicht dienlich waren und die sie nicht auf schnellstem Weg an ihr gewünschtes Ziel brachten. Man konnte von ihr kaum erwarten, daß sie mit der Wahrheit über sich selbst herausrückte, aber Nynaeve vermutete, sie sei wohl eine Art Schwindlerin gewesen, bevor sie ihre Seele dem Dunklen König verschrieb. Manchmal wußten sie und Elayne einfach auch nicht, welche Fragen sie ihr stellen sollten. Moghedien gab nur selten freiwillig etwas von sich, soviel war klar. Trotzdem hatten sie eine Menge gelernt und das meiste an die Aes Sedai weitergegeben. Natürlich offiziell als Ergebnisse ihrer Forschungen und Studien als Aufgenommene. Das hatte ihnen eine Menge Ansehen eingebracht.

Sie und Elayne hätten ja die Kenntnis der Identität Marigans ganz für sich behalten, wenn das möglich gewesen wäre. Aber Birgitte hatte natürlich von Anfang an Bescheid gewußt, und Siuan und Leane hatte sie es einfach sagen müssen. Siuan hatte die näheren Umstände, die zu Moghediens Gefangennahme geführt hatten, viel zu gut gekannt und natürlich eine genaue Erklärung verlangt. Sie wußte eben zuviel von ihnen. So konnten sie ihr diese Erklärung nicht verweigern. Nynaeve und Elayne kannten einige von Siuans und Leanes Geheimnissen, und die beiden schienen dafür alles von ihr und Elayne zu wissen, abgesehen natürlich von der Wahrheit über Birgitte. So befanden sie sich in einer etwas unsicheren Situation, in der ihrer Meinung nach die Vorteile bei Siuan und Leane lagen. Außerdem ging es bei Moghediens Enthüllungen auch um die Ränke möglicher Schattenfreunde und um Andeutungen dessen, was andere der Verlorenen möglicherweise planten. Der einzig gangbare Weg, diese Informationen weiterzugeben, war der, es erscheinen zu lassen, als stammten sie von Siuans und Leanes Agenten. Über die Schwarzen Ajah — so lange verborgen und so vehement abgeleugnet — erfuhren sie nichts, obwohl Siuan gerade daran besonderes Interesse gehabt hätte. Schattenfreunde widerten sie an, aber der bloße Gedanke, daß sich Aes Sedai dem Dunklen König verschworen, steigerte Siuans Abneigung zu eiskalter Wut. Moghedien behauptete, sie habe sich davor gefürchtet, sich auch nur in die Nähe irgendeiner Aes Sedai zu begeben, und das klang auch glaubhaft.