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Sie erwartete, in den durch den Adam strömenden Gefühlen etwas darüber erkennen zu können, ob Moghedien ihre Arbeit beendet habe, denn dann würde sie sich auf die Suche nach der Frau machen, die sich oft versteckte, wenn sie am Schmollen war, aber die übliche Scham und Empörung ließen nicht nach. So war sie völlig überrascht, als sich die Tür mit einem Knall öffnete.

»Also hier seid Ihr«, jammerte Moghedien. »Schaut her!« Sie hielt ihre Hände hoch. »Kaputt!« In Nynaeves Augen sahen sie nicht anders aus als alle Hände, nachdem man Wäsche gewaschen hatte: weiß und runzlig, sicher, aber das gab sich wieder. »Es reicht noch nicht, daß ich völlig verwahrlose, daß ich bedienen und schleppen muß wie eine Dienerin, nein, nun erwartet man auch noch von mir, wie eine primitive...!«

Nynaeve unterbrach ihren Redeschwall mit einem einfachen Heilmitteclass="underline" Sie dachte an einen kurzen Schlag mit einem Lederriemen, was das für ein Gefühl war, und dann verschob sie den Gedanken in den Teil ihres Gehirns, in dem die von Moghedien her empfangenen Gefühle ihren Platz hatten. Die andere Frau riß die dunklen Augen auf, klappte augenblicklich den Mund zu und preßte die Lippen aufeinander. Kein harter Schlag, aber eine Mahnung.

»Schließt die Tür und setzt Euch«, sagte Nynaeve. »Ihr könnt die Betten später machen. Wir haben jetzt Unterricht.«

»Ich bin wirklich an Besseres gewöhnt«, grollte Moghedien, als sie dem Befehl nachkam. »Ein Nachtarbeiter in Tojar führte da ja noch ein besseres Leben!«

»Wenn ich mich nicht völlig verschätze«, sagte Nynaeve in scharfem Tonfall zu ihr, »dann stand bei einem Nachtarbeiter in wo-auch-immer kein Todesurteil im Raum. Wenn Ihr das wünscht, sagen wir gern Sheriam, wer Ihr wirklich seid.« Das war ein reiner Bluff — schon bei dem bloßen Gedanken an so etwas zog sich Nynaeve der Magen zu einem ätzenden Klumpen zusammen —, aber von Moghedien her ergoß sich eine beißende Flut von Angst durch den A'dam. Nynaeve bewunderte fast schon die Art und Weise, wie diese Frau ihre Miene beherrschte. Hätte sie das gleiche empfunden, würde sie sich vermutlich verzweifelt auf dem Boden wälzen und mit den Zähnen knirschen.

»Was wollt Ihr von mir gezeigt bekommen?« fragte Moghedien mit ausdrucksloser Stimme. Sie mußten ihr immer sagen, was sie genau von ihr wollten. Von allein bot sie ihnen praktisch niemals etwas an, außer sie übten einen derartigen Druck auf sie aus, daß Nynaeve es bereits als Vorstufe zur Folter betrachtete.

»Wir werden etwas versuchen, was Ihr uns bisher nur ungenügend beigebracht habt, nämlich festzustellen, wenn ein Mann die Macht benützt.« Das war bis jetzt das einzige gewesen, was sie und Elayne nicht so schnell zu erlernen in der Lage gewesen waren. Es könnte aber nützlich sein, falls sie sich entschloß, wirklich nach Caemlyn zu reisen.

»Nicht gerade einfach, vor allem, wenn kein Mann da ist, mit dem man üben kann. Wie schade, daß ihr nicht in der Lage wart, Logain zu heilen.« Es lag keinerlei Spott in Moghediens Worten, und auch ihre Miene blieb ernst, doch nach einem Blick in Nynaeves Richtung fuhr sie schnell fort: »Aber wir können es ja trotzdem wieder versuchen.«

Es war wirklich alles andere als einfach. Das war es wohl nie, selbst wenn Nynaeve etwas schnell lernte, sobald sie einmal die Stränge des Gewebes deutlich sah. Moghedien konnte die Macht nicht gebrauchen, solange Nynaeve es ihr nicht gestattete und sie auch nicht anleitete, denn das war über den A'dam notwendig. Aber bei einem neuen Unterrichtsstoff mußte sie Moghedien die Führung überlassen, da nur sie das entsprechende Muster kannte. Das war ziemlich verwickelt, und nur deshalb waren sie nicht in der Lage, jeden Tag ein Dutzend neuer Dinge vor ihr zu übernehmen. In diesem Fall hatte Nynaeve bereits eine schwache Ahnung davon, wie die Stränge verwoben werden mußten, aber es war eben doch ein kompliziertes Flechtwerk aus Strängen aller Fünf Mächte, gegen das eine Heilung noch einfach war. Und dann verschob sich das Muster auch noch mit enormer Geschwindigkeit. Moghedien behauptete, dieser Schwierigkeiten wegen sei diese Methode auch nicht gerade oft benützt worden. Wenn man sehr lange daran arbeitete, bekam man außerdem noch quälende Kopfschmerzen.

Nynaeve legte sich auf ihr Bett zurück und arbeitete trotzdem, so hart sie nur konnte. Falls sie zu Rand ging, würde sie das möglicherweise benötigen, und man konnte ja nie wissen, wie schnell das plötzlich ging. Sie lenkte auch alle Stränge diesmal selbst, denn ein gelegentlicher Gedanke an Lan oder Theodrin erneuerte ihren Zorn in ausreichendem Maße. Früher oder später würde man Moghedien für ihre Verbrechen zur Rechenschaft ziehen, und wo stünde Nynaeve dann, wenn sie sich immer nur darauf verließe, die Kraft der anderen zu beanspruchen, wann immer sie es für notwendig hielt? Sie mußte innerhalb ihrer eigenen Beschränkungen leben und arbeiten. Würde Theodrin wirklich eine Möglichkeit finden, ihren Block niederzubrechen? Lan mußte noch am Leben sein, damit sie ihn finden konnte. Aus dem schwachen Ziehen wurden nun bohrende Kopfschmerzen hinter ihren Schläfen. Die Fältchen um Moghediens Augen vertieften sich, und sie rieb sich einige Male die Schläfen, doch unterhalb der Angst übertrug das Armband auch ein Gefühl, das ihr beinahe wie Zufriedenheit vorkam. Nynaeve stellte sich vor, daß es eine gewisse Befriedigung darstellen müsse, wenn man jemandem etwas beibrachte, und sei es auch unwillig. Eigentlich gefiel es ihr überhaupt nicht, wenn Moghedien solche ganz normalen menschlichen Gefühle zeigte.

Sie wußte nicht, wieviel Zeit vergangen war, in deren Verlauf Moghedien einige Male Worte wie ›fast‹ oder ›nicht ganz‹ gemurmelt hatte, doch als die Tür erneut aufgerissen wurde und gegen die Wand knallte, schoß sie erschrocken in die Höhe. Der plötzliche Schock, der von Moghedien aus durch den A'dam zu ihr herüberdrang, hätte eine andere Frau aufjaulend in eine Ecke fliehen lassen.

»Hast du gehört, Nynaeve?« fragte Elayne und schob die Tür mit dem Fuß zu. »Es ist eine Abgesandte der Burg eingetroffen, direkt von Elaida!«

Nynaeve vergaß vollkommen, was sie hatte schreien wollen. Ihr Herz klopfte bis zum Hals. Selbst der Kopfschmerz war mit einemmal vergessen. »Eine Abgesandte? Bist du sicher?«

»Natürlich bin ich sicher, Nynaeve. Glaubst du, ich bin hergerannt, um zu tratschen? Das ganze Dorf ist in Aufruhr.«

»Ich weiß gar nicht, warum«, sagte Nynaeve mürrisch. Dieses Bohren in ihrem Kopf war wieder da. Und alle Magenmedizin auf einmal, die sie in ihrem Kräuterköfferchen hatte, hätte dieses Brennen in ihrem Magen nicht unterdrücken können. Würde dieses Mädchen niemals lernen, zuerst anzuklopfen? Moghedien hatte beide Hände auf den Magen gedrückt, als benötige sie ebenfalls Medikamente. »Wir haben ihnen ja gesagt, daß Elaida von Salidar wisse.«

»Vielleicht haben sie es uns geglaubt«, sagte Elayne und ließ sich auf den Fuß von Nynaeves Bett fallen, »und vielleicht auch nicht, aber jetzt wissen sie es genau. Elaida weiß, wo wir uns befinden und wahrscheinlich auch, was wir vorhaben. Jeder der Diener könnte zu ihren Augen und Ohren gehören. Vielleicht sogar ein paar der Schwestern. Ich habe einen Blick auf die Abgesandte erhaschen können, Nynaeve. Hellblondes Haar und blaue Augen, die selbst die Sonne zum Zufrieren bringen können. Eine Rote. Sie heißt Tarna Feir, hat Faolain gesagt. Einer der Behüter, die draußen wachten, hat sie hereingeleitet. Wenn sie dich anschaut, ist es, als betrachte sie einen Stein.«

Nynaeve sah Moghedien an. »Wir sind jetzt mit dem Unterricht fertig. Kommt in einer Stunde wieder, dann könnt Ihr die Betten machen.« Sie wartete, bis Moghedien mit aufeinandergepreßten Lippen und in den Rock verkrampften Händen weggegangen war, und wandte sich dann Elayne zu: »Welche ... Botschaft hat sie gebracht?«

»Das hätten sie mir gewiß nicht erzählt, Nynaeve. Jede Aes Sedai, an der ich vorbeikam, hat sich dasselbe gefragt. Ich hörte, wie Tarna lachte, als man ihr sagte, der Burgsaal werde sie empfangen. Es klang aber gar nicht amüsiert. Du glaubst doch wohl nicht...« Elayne kaute einen Augenblick lang auf ihrer Unterlippe herum. »Du glaubst doch nicht sie könnten sich wirklich dazu entschließen...«