»Hoffentlich haben Sie recht. Wenn mein Verdacht vom Ködern und Vertauschen nicht stimmt, weiß ich auch nicht weiter. Zwei Jockeys sind innerhalb von sieben Tagen ermordet worden. Sofern wir hier nicht von einem bizarren Sexclub oder von aufgebrachten Ehemännern sprechen, tippe ich stark auf Wetten oder Pferdehandel.«
»Sie sollten den Glimmstengel wohl besser ausdrücken, Sheriff Rick.« Barry deutete lächelnd auf Ricks Hand.
In dem Moment verbrannte die Zigarette ihm die Handfläche; Rick wedelte mit den Händen und ließ den Stummel fallen. Die heiße Glut brannte im absterbenden Gras. Rick trat sie rasch aus. »Danke. War so vertieft, daß ich das verdammte Ding in meiner Hand ganz vergessen habe.«
»Die Dinger bringen Sie noch um.«
Rick grinste boshaft. »Besser die als ein Stilett. An irgendwas muß ich ja schließlich sterben.« Er verschwieg, daß er schon dreimal versucht hatte, aufzuhören, und der Arbeitsstreß ihn jedesmal wieder auf das beruhigende Nikotin zurückgreifen ließ. »Wissen Sie, was Nigel in diesem Stall gemacht hat?« Er nickte zu dem imposanten Stall hinüber, der parallel zur Geländebahn lag.
»Sattelzeug holen. Ich glaube, das hat er gemacht. Manche Jockeys haben ihr Zeug hier verstaut, fernab der Menge.«
»Wo waren Sie unmittelbar nach dem Rennen?«
»Hab mich auf Cindy Chandlers Parkplatz-Party amüsiert.«
»Und danach?«
Er schob die Hände in die Taschen. »Arthur Tetrick getroffen und ihn auf seinem Weg zum großen Haus begleitet. Wir haben überlegt, ob Arthur ein vierjähriges Pferd kaufen soll, das ich in Upperville gesehen hab. Arthur will wieder ins Geschäft einsteigen. Wir sind bis zum Tor gegangen. Dort hab ich ihn verlassen und bin einen letzten Wohnwagen überprüfen gegangen, der von den hinteren Ställen wegfuhr, nicht von meinem.« Er wies nordöstlich seines Stalles, wo sich die kleineren Ställe befanden, weit außer Sicht. »Und da hat einer von Frank Yanceys Leuten mich gerufen. War schon ziemlich dunkel.«
»Wundern Sie sich nicht, wenn Frank Ihnen genau dieselben Fragen stellt wie ich. Ich habe natürlich mit ihm gesprochen.«
Barry, kein gebürtiger Virginier, lebte schon seit Anfang der siebziger Jahre in Orange County. Er kannte Sheriff Yancey gut. »Frank ist ein prima Kerl. Nicht furchtbar schlau, aber ein prima Kerl. Ich bin froh, daß Sie jetzt an der Sache dran sind.«
Rick konnte einen anderen Gesetzeshüter nicht verunglimpfen. »Frank ist vielleicht schlauer, als Sie denken. Verstehen Sie, Barry, es kommt nicht darauf an, was er weiß, sondern wen er kennt. Ich nehme Mickey Townsend morgen in die Mangel.« Er sprach das Wort genüßlich aus. »Vielleicht kann er mir etwas erzählen. Kommen Sie mit ihm aus?«
»Ja.«
Rick sah zum Streifenwagen hinüber. »Oh, noch etwas. Spielt jemand in diesem Klüngel Karten, bei den Rennleuten? Ich meine nicht ein freundschaftliches Spiel hier und da, sondern passionierte Kartenspieler?«
»Himmel, Mickey Townsend würde morden für einen Straight.«
17
Dr. Stephen D'Angelo, ein Lungenchirurg, ritt zum Stall. Er war stilvoll bekleidet mit Jagdstiefeln, brauner Reithose, weißem Hemd und legerem Tweedrock.
Linda Forloines ritt neben ihm. »Sie nimmt jedes Hindernis, ohne zu zögern.«
»Wo, sagten Sie, hat dieses Pferd gejagt?«
»Middleburg, Piedmont und Oak Ridge.«
Er klopfte seinem Pferd den Hals. »Wieviel?«
»Nun, sie verlangen zwanzigtausend Dollar. Aber gehen wir doch mal hin. Wenn Sie sie reiten und sie Ihnen gefällt, ich wette, daß ich den Preis drücken kann.«
»Okay. Treffen Sie eine Verabredung für Donnerstag nachmittag.« Er hielt vor der Stalltür an, saß ab und reichte Linda, die zuerst abgestiegen war, die Zügel.
Da Zeit für ihn Geld war, plante er seine Ritte jeden Tag zur exakt gleichen Zeit. Dann fuhr er ins Krankenhaus und zog sich dort um.
Als er aus New Jersey hierhergezogen war, hatte er sich geschworen, sich zur Ruhe zu setzen, doch die Kunde von einem guten Arzt spricht sich herum. Ehe er sich's versah, praktizierte er wieder und operierte an zwei Vormittagen im Krankenhaus.
Wie die meisten vielbeschäftigten Leute, die unter Hochdruck stehen, mußte er den Menschen um ihn herum vertrauen. Linda hielt den Stall sauber und die Pferde in Bewegung. Er konnte nicht ahnen, daß sie sich hinter seinem Rücken über ihn lustig machte.
Sie spottete über seine Reitkünste und nannte sie>todesmutig<. Sie stöhnte über seinen Pferdeanhänger; sie wollte einen viel teureren. Sie lobte ihren Beitrag zu seiner Farm vor allen und jedem, obgleich sie die Hand biß, die sie fütterte.
Sobald die Pferde abgesattelt und abgerieben waren, wollte sie ihre Freundin in Middleburg anrufen, die das Pferd, für das sich Dr. D'Angelo interessierte, für jemand anderen verkaufte. Das Pferd war 7500 Dollar wert. Wenn die Stute Dr. D'Angelo gefiel, wollte Linda ihre Freundin>beknien<, damit sie ihre Kundin bat, mit dem Preis herunterzugehen. Sie würden sich bei 15.000 Dollar entgegenkommen. Die Besitzerin des Pferdes würde tatsächlich 7500 Dollar bekommen. Linda und ihre Freundin wollten sich die zusätzlichen 7500 Dollar teilen und in die Tasche stecken, ohne es jemandem zu erzählen. Die ursprüngliche Besitzerin würde nichts merken, weil sie den Scheck einlösen und sie bar bezahlen würden. So etwas wurde im Pferdegeschäft jeden Tag gemacht, von Leuten, die alles andere als ehrenhaft waren, und oft Pferde verkauften, die alles andere als gesund waren.
Das Telefon klingelte, als Linda gerade eine irische Decke über eines der Pferde warf.
Das Wandtelefon hing an der Außenmauer.
Sie nahm ab.
»Hallo.«
»Linda«, sagte eine tiefe Männerstimme, »Coty Lamont wurde tot auf der Ladefläche seines Lieferwagens gefunden. Ein Messer im Herzen.«
Sie stöhnte. »Was?«
»Du verlierst Kundschaft.« Er lachte. Dann wurde sein Ton kalt. »Ich weiß, daß Sheriff Yancey dich verhört hat.«
Bevor er fortfahren konnte, sagte sie: »He, ich bin nicht blöd. Ich habe kein Wort gesagt.«
Lange Pause. »Bleib dabei. Verbindlichkeiten haben in diesem Geschäft kein langes Leben. Mitternacht. Morgen.«
»Ja. Klar.« Sie hängte ein und stellte zu ihrer Verwunderung fest, daß ihre Hand zitterte.
18
Das fahle Novemberlicht ergoß sich wie Champagner über Mrs. Murphy und ließ das Tiefschwarz ihrer Streifen glänzen. Den Schwanz senkrecht, die Schnurrhaare leicht nach vorn gerichtet, sprang sie über die Felder zu Mims Haus. Neben ihr, und keineswegs glücklich, wabbelte Pewter -keine Freiluftfanatikerin, Tee Tucker hielt mühelos Schritt.
Mims Anwesen lag keine fünfzehn Minuten vom Postamt entfernt, wenn man über Gärten und Felder abkürzte.
»Oh, können wir nicht ein Stückchen gehen?«
»Wir sind gleich da.« Murphy drängte vorwärts.
»Ich weiß, daß wir gleich da sind. Ich kann nicht mehr«, jammerte die graue Katze.
»Anhalten!« befahl Tucker.
Die zwei Katzen blieben stehen, Pewter atmete schwer. Ein Rascheln im Bartgras warnte sie, daß noch jemand da war. Die Katzen ließen sich auf den Bauch fallen, die Ohren nach vorn gerichtet. Tucker blieb auf der Stelle stehen.
»Wer geht da?« verlangte Tucker zu wissen.
»Die edelste Katze, die je auf Erden wandelte«, lautete die kesse Antwort.