»Pewter ist diejenige, die ausflippt«, sagte Murphy kichernd.
»Schnauze«, entgegnete Pewter und setzte sich auf den anderen Stuhl am Tisch. Sie dachte, die Menschen, ins Gespräch vertieft, würden nicht merken, wenn sie noch ein Gebäckstückchen stibitzte.
Sie merkten es. Addie gab ihr einen leichten Klaps auf die ausgestreckte Pfote. »Du hast keine Manieren.«
»Ich hab Hunger«, bettelte Pewter.
Mrs. Hogendobber langte in ihre voluminöse Rocktasche und zog ein paar winzig kleine Fischchen heraus, ein Katzenschmaus erster Güte. Sie lockte Pewter fort vom Tisch. Mrs. Murphy sprang vom Schalter und spurtete ebenfalls hinüber.
Harry lachte. »Daß ich das noch erleben darf.«
»Wenn ich es nicht tue, bleibt für uns nichts übrig.« Miranda lachte auch. Dann wandte sie sich wieder Addie zu. »Zu den unangenehmen Dingen am Reichtum gehört die Art, wie die Menschen einen behandeln.«
»Ah, hmm, noch bin ich nicht reich.« Addie malte mit dem Finger Muster auf den Tisch, die nur sie sehen konnte. »Da wir gerade von Geld sprechen - eigentlich bin ich vorbeigekommen, Harry, um dich zu fragen, ob du mir hundert Dollar leihen kannst. Du bekommst sie gleich nach Camden zurück.« Sie lächelte verlegen.
Harry, kein knauseriger Mensch, zögerte. Erstens war das eine Menge Kleingeld für sie. Zweitens, was war hier los?
»Warum leiht Chark dir das Geld nicht?«
Addie hob die Stimme. »Er ist wütend auf mich. Er ist ein Arschloch.«
»So, und was hast du mit dem Geld gemacht, das du in Montpelier gewonnen hast?« Harry jonglierte auf dem Weg zu den Schließfächern mit einem Berg Post.
»Äh.«
»Ich leihe dir keinen Cent, solange ich nicht weiß, warum du knapp bei Kasse bist. Denwahren Grund.«
»Und was soll das heißen?« Addie errötete.
»Das soll heißen, dein verblichener Freund war kokssüchtig. Woher weiß ich, daß du es nicht auch bist?«
Miranda hielt fassungslos mitten in ihrem Tun inne, Katzen und Hund ebenso. Aller Augen waren auf Addie gerichtet, deren Gesicht sich puterrot verfärbte.
»Er hat versucht aufzuhören. Bis Linda ihn in die Fänge bekam. Ich hoffe, sie kriegt ein Stilett durchs Herz. Bloß, sie hat kein Herz.«
»Und was ist mit dir?« Harry ließ nicht locker.
»Ich nehme überhaupt keine Drogen mehr. Außerdem ist mir Mutters Beispiel eine Warnung.«
»Aber, aber, Ihre Mutter war eine wunderbare Frau. Sie hat in Gesellschaft getrunken, sonst nichts«, verteidigte Miranda Marylou.
Addies Stimme wurde wehmütig. »Sie war eine Trinkerin, Mrs. Hogendobber. Sie war auf Partys richtig glücklich und zu Hause richtig traurig. Sie hat sich stark auf Mim gestützt, aber eine beste Freundin ist kein Liebhaber, und den brauchte Mutter. Zu Hause war sie trübsinnig, und dann griff sie zur Flasche.«
»Nun.« Miranda zögerte sichtlich, ihr Bild von Marylou Valiant zu revidieren. »Wenigstens hat sie sich immer wie eine Dame benommen.«
Harry verschränkte die Arme. »Du hast meine Frage noch nicht beantwortet. Wozu brauchst du hundert Dollar?«
»Weil ich bei Mickey Townsend Pokerschulden habe, vom Abend vor dem Rennen«, platzte sie heraus.
»Kann er nicht warten?« Miranda war neugierig.
»Mickey ist ein prima Kerl. Ich wünschte, Mutter hätte ihn geheiratet. Aber wenn es um Poker geht, ich meine, es isternst.« Sie rieb Daumen und Zeigefinger aneinander.
»Komm, komm, würde er dich nicht hundert Dollar an den Pferden abarbeiten lassen, die er gebracht hat?« Harry wartete darauf, daß sie die Karten aufdeckte.
»Ich hab ihn nicht gefragt.«
»Addie, ich glaube dir kein Wort!« Harry fand, daß sie den Punkt der Spitzfindigkeiten längst überschritten hatten. Mickey war eine faule Ausrede.
»Ich schulde Mickey wirklich hundert Dollar. Ich will einfach davon runter. Und ich will nicht, daß Arthur dahinterkommt.«
»Mickey wird es ihm nicht erzählen.« Mrs. Hogendobber sprach aus, was auf der Hand lag, aber das machte auf die junge Frau keinen Eindruck.
Harry schoß aufs Geratewohl eine Frage ab: »Und wieviel schuldete Nigel Mickey wirklich?«
Ohne zu überlegen, antwortete Addie: »Ungefähr zweitausend. Er hätte es beglichen, denn er hat Linda und Will ein Kilo abgenommen.«
»Ein Kilo!« rief Harry aus.
»Ja, er dachte, er könnte es verschneiden und dann verkaufen und eine Menge Geld verdienen.« Addie merkte, daß sie die Katze aus dem Sack gelassen hatte. »Erzählt das bloß nicht Sheriff Shaw oder Deputy Cooper!«
»Das könnte mit dem Fall zusammenhängen«, entgegnete Mrs. Hogendobber folgerichtig.
»Warum hat denn kein Mensch das Kilo erwähnt? Wo zum Teufel ist es? Wer immer ihn getötet hat, hat es vermutlich eingesackt und bereichert sich daran.« Harry fuchtelte mit den Händen in der Luft, entsetzt, daß Addie eine so wesentliche Tatsache zurückgehalten hatte.
»Ich hab es.« Ihre Stimme war dünn.
»Was?« fragten Menschen und Tiere im Chor.
»Mein Gott, Adelia, du bist verrückt. Menschen haben für weniger als ein Kilo Kokain gemordet, und du weißt, daß Linda und Will dir bald auf den Fersen sein werden.« Harry war außer sich.
»Sind sie schon.« Sie stützte den Kopf in die Hände. »Ich habe es in meinem Safe in der Crozet National Bank deponiert, als Nigel mich bat, ihm zu helfen. Sonst weiß es niemand. Der Sheriff von Orange County und Rick haben seinen Wagen und seine Unterkunft durchkämmt. Nichts. Sauber. Linda weiß, daß die Polizei das Koks nicht gefunden hat. Sie will das Zeug zurückhaben.«
»Das kann ich mir denken!« entfuhr es Harry.
»Sie sagt, sie wird mich erpressen, wenn ich es nicht zurückgebe. Sie sagt, niemand wird glauben, daß ich nichts mit dem Drogenhandel zu tun habe, und wenn ich sie anzeige, steht ihr Wort gegen meins. Sie sagt, wenn ich ihr das Koks zurückgebe, ist die Sache erledigt.«
»Und warum brauchen Sie nun die hundert Dollar?« griff Miranda den Refrain auf.
»Für Benzin für den Kombi und Taschengeld. Ich fahre den Stoff heute abend hin. Ich habe kein Geld mehr, weil ich Linda einen Teil von dem Geld zurückgegeben habe, das ich ihr - « sie hielt inne, überlegte - »von einem Pferdehandel schulde.«
»Wieviel? Sag schon, wieviel?« fragten Tucker und Harry zugleich.
»Äh...« Es folgte eine lange Pause. »Im Moment sind es tausendfünfzehn Dollar.«
»Guter Gott, Addie.« Harry ließ sich auf den Stuhl sinken, den Pewter geräumt hatte, als ihr der Katzenschmaus angeboten wurde. Sie wußte instinktiv, daß Addie Linda Forloines ihre eigene Rauschgiftrechnung schuldig geblieben war. Addie log sie an.
»Ziemlich dämlich, was?« Sie ließ den kastanienbraunen Kopf hängen.
»Hirnverbrannt.« Harry machte eine Faust und tippte sich an den Schädel.
Mirandas korpulente Gestalt überschattete die beiden sitzenden Frauen. »Das ist eine Dummheit, und es wird zu mehr Leid führen.
>Wie ein Hund sein Gespeites wieder frißt, also ist der Narr, der seine Narrheit wieder treibt.< Sprüche sechsundzwanzig elf.«
»Ich verbitte mir das«, bellte Tucker.
»Widerlich«, sagte Addie.
»Ich gebe dir keine hundert Dollar. Und wir rufen auf der Stelle Rick Shaw an.«
»Nein! Er wird es Arthur erzählen, und Arthur erzählt es Chark. Sie werden die verdammte Treuhänderschaft verlängern. Dann komme ich nie an mein Geld!« »Das Testament Ihrer Mutter ist das Testament Ihrer Mutter. Das kann nicht umgestoßen werden«, sagte Miranda.