»Das vielleicht nicht, aber sie können es bestimmt hinziehen. Es ist mein Geld.«
»Aber du mußt dem Sheriff diese Information geben. Du mußt da raus, bevor du zu tief reingerätst - du hast bereits einer Schwerverbrecherin Beihilfe geleistet.«
»Coty Lamont hat auch Kokain genommen, nicht?« fragte Mrs. Hogendobber.
Addie nickte.
»So wie es aussieht, Addie, lieferst du das Kilo ab und endest mit einem Messer im Herzen.« Harry seufzte.
»Ich kann es Rick nicht erzählen«, wimmerte Addie.
Miranda nahm den Hörer von der Gabel, worauf Addie zur Tür stürmte. Tucker stellte ihr ein Bein, und Harry stürzte sich auf sie.
»Laßt mich gehen.«
»Verdammt noch mal, Addie, man wird dichumbringen. Wenn du Linda und Will das Kilo gibst, bist du für den Rest deines Lebens mit Linda im Geschäft. Sie wird dir Pferde bringen. Sie wird besondere Vergünstigungen verlangen. Wenn du Glück hast, nimmt sie das Kilo und verschwindet aus der Stadt. Wenn sie bleibt.«
»Wenn du kein Glück hast, dann gute Nacht«, erklärte Pewter nüchtern.
26
Rick Shaw, der sein ganzes Erwachsenenleben lang Gesetzeshüter gewesen war, erwartete nicht, daß die Menschen ihm auf Anhieb die Wahrheit sagten. Die Wahrheit mußte geschürft werden wie Diamanten, von Hand mit der Picke, mit Dynamit.
Als er die unerquickliche Geschichte im Postamt vernahm, erregte nicht so sehr die Tatsache seinen Zorn, daß Addie Informationen zurückgehalten hatte, sondern vielmehr die Torheit, mit der sie sich in Gefahr begab. Er notierte sich auch im Geiste, daß Mickey Townsend die Geldbeträge, die Nigel und Coty ihm schuldeten, drastisch heruntergespielt hatte. Addies Schuld hatte er überhaupt nicht erwähnt.
Sobald Rick in seinem Büro Addies vollständige Aussage zu Protokoll genommen und sie entlassen hatte, sprangen er und Cynthia Cooper in den Streifenwagen. Er hatte vorsichtshalber den Direktor der Bank angerufen und ihn angewiesen, Addie nicht an ihren Safe zu lassen. Er dürfe nur in Ricks Gegenwart geöffnet werden.
»Haben Sie Culpeper angerufen?« Cynthia benutzte die Abkürzung für den Sheriff von Culpeper County.
»Hm - ja.«
Sie fuhren schweigend. Als sie Romulus Farms, das Gestüt von Dr. D'Angelo, erreichten, wartete Sheriff Totie Biswanger schon auf sie.
»Ausgeflogen«, war alles, was er sagte.
»Alle beide?« fragte Cynthia.
»Äh - hm.« Was soviel hieß wie>ja<. Er wies auf die Hütte auf Dr. D'Angelos Farm.
»Pieksauber. Nichts fehlt. Kleider im Schrank. Essen im Kühlschrank.«
»Irgendwie komisch, hm?« Totie verschränkte die Arme über seinem gewölbten Brustkasten und starrte auf seine Schuhe.
27
»Sie haben die ganze verdammte Sache fallenlassen!« Fairs strahlendes Gesicht unterstrich die gute Nachricht.
Harry hatte ihn bei Mim getroffen, als sie dort ein Eilpaket ablieferte. Mim und Chark Valiant, der auch da war, freuten sich fast genauso über Fairs Neuigkeit wie Harry.
Sie waren alle im Stall versammelt, wo Mrs. Murphy und Tucker herumschnüffelten. Rodger Dodger und Pusskin waren nirgends zu sehen.
»So, dann will ich mir Royal Danzig mal anschauen«, sagte Fair. »Hatte gar nicht vor, soviel zu quatschen.«
»Ach, er kann noch einen Moment warten. Wenn wir erst beim Geschäft sind, vergessen wir, nach den Einzelheiten zu fragen.« Mim bat sie in die Sattelkammer.
»Wo ist Addie?« fragte Fair.
Mim, die es wußte, sagte nichts; denn sie hatten Chark über den heillosen Schlamassel, den seine Schwester angerichtet hatte, im Dunkeln gelassen. Auch dies war auf Rick Shaws Ersuchen geschehen.
»Sie hat aus Charlottesville angerufen«, antwortete Chark. »Sie sagt, sie hat jede Menge zu tun und weiß nicht, wann sie zurück sein wird.«
»Oh, okay.« Fair nahm sich eine Tasse Kaffee. Er war wegen eines Notfalls in einem Reitstall seit vier Uhr morgens auf den Beinen. »Soweit ich es mir zusammenreimen kann oder soviel Colbert Mason mir erzählen wollte, hat er sich mit meiner Anklägerin Linda Forloines in Verbindung gesetzt. Sie behauptete, er hätte vollkommen mißverstanden, was sie gesagt hat. Sie war wütend, weil er so etwas auch nur denken konnte, und sie habe nicht die Absicht, eine Anklage gegen mich vorzubringen. Das wäre also erledigt.« Er setzte sich in den bequemen alten Ledersessel und bereute es sogleich, weil er wußte, er würde nicht mehr aufstehen wollen.
»Typisch«, lautete Mims Kommentar.
»Sie ist es nicht wert, daß man sich mit ihr befaßt«, fügte Chark hinzu.
Sie alle kannten Lindas Vorgehensweise. Sie tat, als verfüge sie über interne Informationen, sie machte Andeutungen, wurde plump vertraulich, veränderte die Modulation ihrer Stimme, um ihren Worten mehr Gewicht zu verleihen. Auf diese Weise konnte sie sagen, man hätte sie mißverstanden, und durchblicken lassen, daß mit einem selbst etwas nicht stimme, wenn man so etwas auch nur denken könne.
»So, jetzt will ich mir aber Royal Danzig ansehen.« Fair zwang sich aus dem Sessel.
Sie gingen durch den schönen Mittelgang, und Chark holte den temperamentvollen Burschen aus seiner Box, während Fair mit den Händen über die Beine des Pferdes fuhr, kam Rodger Dodger, soeben von einer Inspektion der Koppeln zurückgekehrt, in den Stall geschlendert, seine geliebte Pusskin an seiner Seite.
»Royal, was hast du?« fragte der alte rotbraune Kater.
»'ne empfindliche Stelle an meinem linken Bein. Ich glaube, ich bin falsch aufgetreten, als sie mich auf die Koppel gebracht haben.«
»Ich hoffe, es ist nichts Ernstes«, erwiderte Rodger höflich.
»Das hoffe ich auch, ich will nach Camden.«
»Rodger, wie geht's, wie steht's?« rief Mrs. Murphy, als sie Rodgers Stimme hörte. Sie war mit Tucker in der Sattelkammer gewesen. Die roch so gut und war mollig warm.
»Murphy. Hi, Tucker«, sagte Rodger, und Pusskin murmelte einen Gruß.
Mrs. Murphy setzte sich und legte den Schwanz um sich.»Ich habe dir einen Vorschlag zu machen, Rodger.«
»Was für einen Vorschlag?« Tucker spitzte die Ohren»Warum hast du mir nichts gesagt?«
»Weil er erst reifen mußte.« Mrs. Murphy wandte sich wieder an Rodger.»Es ist möglich, daß eure Stallmäuse wissen, was in Orions Box ist.«
»Warum fragst du nicht die Pferde?« fragte Tucker.
»Hab ich.« Rodger schnippte eine Minute lang mit dem Schwanz.
»Sie konnten sich an nichts erinnern, nicht mal Orion, und er ist der älteste, mit zwölf. Andererseits, was immer da drin ist, könnte vor Jahren im Sommer vergraben worden sein. Die Jagdpferde kommen im Sommer immer raus auf die Weide, dann wären also bloß die Mäuse und ich hier gewesen. Ich erinnere mich an nichts, aber im Sommer geh ich ja ins große Haus und ruh mich dort aus, wegen der Klimaanlage.« »Wenn du mit den Mäusen ein Abkommen triffst, sprechen sie vielleicht mit uns.« Mrs. Murphy hielt sich streng an ihre Tagesordnung.
»Was für ein Abkommen?«
»Sie nicht zu fangen.«
»Das kann ich nicht. Mim wird wütend, wenn ich keine Mäuse in der Sattelkammer abliefere. Sie fragt Chark jeden Tag, ob Pusskin und ich unsere Pflicht getan haben.«
»Sie ist richtig pingelig«, fügte Pusskin hinzu.