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Jetzt hatte ich lauter kahle Damenköpfe vor mir, eine Reihe hinter der anderen, ein wogendes Meer von nackten Glatzen und alle miteinander rot und entzündet durch die ständige Reibung des rauen Innenfutters. Ich kann euch gar nicht beschreiben, wie widerwärtig sie waren, und irgendwie wurde ihr Anblick dadurch noch grotesker, dass unter diesen fürchterlich zerkratzten Köpfen hochelegant und modisch gekleidete Körper saßen. Es war wirklich monsterhaft. Es war widernatürlich.

Oh, Himmel, dachte ich, komm mir zu Hilfe! Lieber Gott, sei mir gnädig! Jede von diesen verfaulten glatzköpfigen Weibern ist eine Kindsmörderin, und ich bin mit ihnen in einem Raum eingesperrt und kann ihnen nicht entkommen!

In diesem Augenblick überfiel mich ein neuer und noch viel entsetzlicherer Gedanke. Meine Großmutter hatte erzählt, dass die Hexen mit ihren speziellen Nasenlöchern ein Kind selbst in der finstersten Nacht auf der anderen Straßenseite wittern können. Bis jetzt hatte meine Großmutter in allem Recht behalten. Es schien deshalb unabwendbar zu sein, dass eine von den Hexen in der letzten Reihe mich jeden Moment erschnüffeln konnte, und dann würde der Schrei «Hundeköttel!» durch den ganzen Saal hallen, und ich säße wie eine Ratte in der Falle.

Ich ließ mich hinter dem Wandschirm auf die Knie nieder und wagte kaum mehr zu atmen.

Dann fiel mir plötzlich noch eine wichtige Einzelheit ein, die meine Großmutter erwähnt hatte. «Je schmutziger du bist», hatte sie gesagt, «desto schwerer fällt es einer Hexe, dich zu riechen.»

Wie lange war es her, dass ich das letzte Mal in der Badewanne gewesen war?

Ewigkeiten. Ich hatte ja mein eigenes Hotelzimmer, und meine Großmutter gab sich niemals mit unwichtigen Kleinigkeiten ab. Wenn ich genau nachdachte, schien es mir fast, dass ich seit unserer Ankunft noch kein einziges Mal gebadet hatte.

Und wann hatte ich mir das letzte Mal meine Hände oder mein Gesicht gewaschen?

Sicherlich nicht an diesem Morgen.

Und gestern genauso wenig.

Ich warf einen Blick auf meine Hände. Sie waren mit Schmutz und Erde und weiß der Himmel was noch allem verschmiert.

So hatte ich vielleicht doch noch eine Überlebenschance. Diesen ganzen Dreck würden die Stinkewellen kaum durchdringen können.

«Hexen von England!», rief die Hoch- und GroßmeisterHexe. Sie selbst hatte, wie ich bemerkte, weder ihre Perücke noch ihre Handschuhe noch ihre Schuhe ausgezogen. «Hexen von England!», kreischte sie.

Die Zuhörerinnen rutschten unbehaglich hin und her und richteten sich dann auf ihren Stühlen kerzengerade auf.

«Elendigliche Hexen!», kreischte sie weiter. «Nutzlose Faulbelze von Hexen! Zimperliche Schlappschwänze von Hexen! Was seid ihr? Nichts als ein Haufen von nichtsnutzigen Würrrmerrrn!»

Ein Zittern durchlief die Zuhörerschaft. Die Hoch- und Großmeister-Hexe hatte ganz offensichtlich schlechte Laune, das merkten alle. Ich hatte das Gefühl, dass gleich etwas Schreckliches passieren würde.

«Heute frrrüh saß ich frrriedlich beim Frrrühstück», schrie die Hoch- und Großmeister-Hexe. «Und dabei hab ich zum Fenster hinaus auf den Strrand geschaut, und was musste ich erblicken? Euch frag ich das jetzt: Was musste ich erblicken? Das Innerste hat sich mir umgedreht! Ginder hab ich gesehen, Hunderte, nein, Tausende von diesen widerwärtigen ekelhaften Gindern, die im Sand gespielt haben! Zum Gotzen war das, wirklich zum Gotzen! Warum seid ihr die noch nicht losgeworden?», schrie sie. «Warum habt ihr sie noch nicht ausrrradiert, diese scheußlichen stinkenden Ginder?»

Bei jedem Wort, das sie sprach, zischten ihr kleine hellblaue Spuckeblasen aus dem Mund.

«Ich frage euch, warum?», kreischte sie.

Niemand wagte ihr eine Antwort zu geben.

«Ginder stinken!», schrie sie. «Sie verstinken einem die ganze Gegend! Wir wollen diese Ginder hier nicht in der Nähe haben!»

Die kahlen Köpfe der Zuhörerinnen nickten heftig.

«Ein Gind pro Woche, das rrreicht mir nicht!», donnerte die Hoch- und Großmeister-Hexe. «Ist das das Einzige, was ihr zu bieten habt?»

«Wir werden uns bessern», murmelte das Publikum. «Wir werden uns große Mühe geben.»

«Bessern reicht mir auch nicht!», schrie die Hoch- und Großmeister-Hexe. «Ich erwarte maximale Superergebnisse! So, und jetzt gommen meine Befehle! Meine Befehle lauten: dass jedes einzelne Gind in diesem Lande zermalmt werden soll, zerdrückt, zerquetscht, zerstampft oder zergocht, bis ich im nächsten Jahr wiedergomme. Habe ich glar ausgedrückt, was ich will?»

Ein tiefer Seufzer stieg aus dem Publikum empor. Ich sah, wie sich die Hexen tief verstörte Blicke zuwarfen, und ich hörte, wie eine Hexe am Ende der ersten Reihe mit lauter Stimme sagte: «Alle? Wir können doch unmöglich samt und sonders alle vernichten!»

Die Hoch- und Großmeister-Hexe fuhr herum, als ob ihr jemand mit einer Stricknadel in den Po gestochen hätte. «Wer hat das gesagt!», zischte sie. «Wer wagt es, mit mir zu streiten? Du bist das gewesen, nicht wahr?» Sie deutete mit einem behandschuhten Finger, der so spitz wie eine Nadel war, auf die Hexe, die gesprochen hatte.

«Ich hab das doch nicht so gemeint, Euer Hochgeboren!», rief die Hexe entsetzt. «Ich wollte wirklich keinen Streit vom Zaune brechen. Ich habe nur laut gedacht!»

«Du hast es gewagt, mir zu widersprrrechen!», schrie die Hoch- und Großmeister-Hexe.

«Ich habe nur laut gedacht!», jammerte die unglückliche Hexe. «Ich schwöre es, Euer Hochgeboren!» Sie begann vor Angst zu zittern.

Die Hoch- und Großmeister-Hexe machte einen Satz nach vorn, und als sie abermals sprach, klang ihre Stimme so, dass mir das Blut gerann.

«Sämtliche Hexen mit Widerworten

werden schwarz wie vergohlte Mandeltorten!»,

 schrie sie.

«Nein, nein!», flehte die Hexe in der ersten Reihe. Die Hoch-und Großmeister-Hexe fuhr jedoch fort:

«Dumme Hexen ohne Grips und Verstand

werden ohne viel Faxen und Fackeln verbrannt!»

«Rettet mich!», rief die unglückliche Hexe in der ersten Reihe. Die Hoch- und Großmeister-Hexe kümmerte sich jedoch nicht um sie. Sie erhob abermals die Stimme.

«Hirnverbrannte Hexen wie du

grillen wie Würstchen beim Barbecue!»

«Vergib mir, Euer Hochgeboren!», stöhnte das elende Opfer. «Ich hab's doch nicht so gemeint!» Aber die Hoch- und Großmeister-Hexe zischte weiter ihre Zaubersprüche.

«Hexen, die mich des Irrtums zeihn,

werden nicht lange mehr bei uns sein!»

Im nächsten Augenblick schoss ein Strahl von Funken, die wie feinste Metallspäne aussahen, aus den Augen der Hoch-und Großmeister-Hexe und jagte direkt zu der, die zu sprechen gewagt hatte. Ich sah, wie die Funken auf sie zustoben und sie durchdrangen, und sie stieß einen wilden heulenden Schrei aus, und eine Rauchwolke hüllte sie ein. Es roch im ganzen Saal nach verbranntem Fleisch.

Keiner rührte sich. Alle betrachteten genau wie ich den Rauch. Und als er sich verzogen hatte, war der Stuhl leer. Ich erhaschte noch den flüchtigen Blick auf einen Hauch Weiß, das wie eine kleine Wolke nach oben schwebte und zum Fenster hinaustrieb.

Die Versammlung stieß einen tiefen Seufzer aus.