«Rrruhe!», rief die Hoch- und Großmeister-Hexe, indem sie beide Arme hob. «Ihr wisst doch genau, dass ihr in diesem Hotel nichts tun und lassen dürft, das die allgemeine Aufmerksamkeit auf euch zieht! Glar, diesen übel riechenden gleinen Gerl müssen wir unter allen Umständen verschwinden lassen, aber das muss so unauffällig und geräuschlos wie möglich bassieren, denn: sind wir nicht die überaus ehrenwerten Damen von der Göniglichen Gesellschaft zur Verhinderung von Gindesmisshandlungen?»
«Was schlägst du denn vor, o Klügste aller Klugen», riefen sie. «Wie sollen wir dies kleine Häufchen Dreck entfernen?»
Sie reden von mir, dachte ich. Diese Weiber diskutieren tatsächlich darüber, wie sie mich abmurksen sollen. Ich begann zu schwitzen.
«Wer das auch sein mag, wichtig ist er nicht», verkündete die Hoch- und Großmeister-Hexe. «Den gönnt ihr mir überlassen. Ich werd ihn schon riechen, und dann mach ich eine Makrele aus ihm und lass ihn zum Mittagessen servieren.»
«Bravo!», schrien die Hexen. «Schneid ihm den Kopf ab und hack ihm die Flossen ab und brat ihn braun in heißer Butter!»
Ihr könnt euch vorstellen, dass mich das alles nicht gerade fröhlich stimmte. Willi und Marie rannten immer noch da oben auf dem Podium herum, und ich sah, wie die Hoch- und Großmeister-Hexe kräftig ausholte, um Willi einen Tritt zu versetzen. Sie erwischte ihn genau mit der Spitze ihres Schuhes und ließ ihn durch die Luft segeln. Das Gleiche wiederholte sie bei Marie. Ihre Treffsicherheit war beachtlich. Sie hätte einen hervorragenden Fußballspieler abgegeben. Beide Mäuse knallten gegen die Wand, und ein paar Augenblicke lang blieben sie betäubt liegen. Dann bekrabbelten sie sich wieder und taumelten davon.
«Noch einmal aufgepasst!», rief die Hoch- und GroßmeisterHexe. «Jetzt werde ich euch das Rezept für das Formula 86 retard / Mausemutarium ansagen! Bleistift und Bapier heraus!»
Im ganzen Saal wurden Handtaschen geöffnet und Notizbücher herausgekramt.
«Sag uns das Rezept, o Blitzgescheite!», rief die Menge ungeduldig. «Verrate uns das Geheimnis.»
«Zuerst», begann die Hoch- und Großmeister-Hexe, «musste ich etwas entdecken, das die Ginder im Handumdrehen glitzeglein machte.»
«Und was ist das gewesen?», kreischten die Zuhörerinnen.
«Der Teil war buppenleicht», erwiderte die Hoch- und Großmeister-Hexe. «Wenn man ein Gind vergleinern will, braucht man nur ein Fernrohr umzudrehen und das Gind verkehrt rum anzugucken.»
«Sie ist ein Wunder!», schrie das Publikum. «Wer außer ihr hätte sich so etwas ausdenken können!»
«Man nimmt also das falsche Ende eines Fernrohrs», fuhr die Hoch- und Großmeister-Hexe fort, «und dann gocht man's, bis es schön weich ist.»
«Und wie lange dauert das?», fragten sie.
«Vierundzwanzig Stunden leise göcheln lassen», antwortete die Hoch- und Großmeister Hexe. «Und während das göchelt und göchelt, nimmt man haargenau vierundfünfzig brrraune Mäuse, hackt ihnen mit einem Güchenmesser die Schwänze ab und brät die Schwänzchen in Haaröl, bis sie gar und gnusprig sind.»
«Und was macht man mit den Mäusen, denen man die Schwänze abgeschlagen hat?», erkundigten sich die Zuhörerinnen.
«Die dünstet man eine Stunde lang in Frosch- oder Grötensaft», lautete die Antwort. «Aber nun aufgemerkt! Bis jetzt habe ich euch den leichten Anfang dieses Rrrezeptes gesagt. Jetzt kommt das Broplem, und das, was wirrrklich schwierig ist: man muss nämlich noch etwas hinzugeben, das eine echte Verzögerung bewirkt, und es muss etwas sein, das Ginder im Lauf eines Tages zu einer x-beliebigen Zeit schlucken können, das aber erst am gommenden Tag und nicht vor Schlag neun zu wirrken beginnt, wenn sie nämlich in der Schule eintreffen.»
«Und auf was bist du da gestoßen, o Superkluge?», riefen sie. «Verrate es uns, verrate uns das große Geheimnis!»
«Das Geheimnis», verkündete die Hoch- und GroßmeisterHexe triumphierend, «ist ein Wecker.»
«Ein Wecker!», kreischten sie. «Das ist ein «Natürlich», antwortete die Hoch- und Großmeister-Hexe. «Ein Wecker, der vierundzwanzig Stunden geht, gann heute gestellt werden, und morgen früh um Punkt neun rasselt er los.»
«Aber dann brauchen wir ja fünf Millionen Wecker!», schrien die Zuhörerinnen. «Einen brauchen wir doch für jedes Kind!»
«Blödweiber!», heulte die Hoch- und Großmeister-Hexe. «Wenn ihr ein Steak essen wollt, bratet ihr doch auch nicht einen ganzen Ochsen! Mit den Weckern ist es genauso. Ein einziger Wecker wird für dausend Ginder reichen. Also jetzt Schluss mit dem Fackeln und aufgepasst: So müsst ihr es machen! Ihr stellt euren Wecker, dass er am nächsten Morgen in der Früh um neun Uhr läutet. Dann rröstet ihr ihn im Backofen, bis er zart und gnusprig ist. Schreibt ihr mit?»
«Sehr wohl, Euer Hochgeboren, selbstverständlich!»
«Nächster Schritt», fuhr die Hoch- und Großmeister-Hexe fort, «ihr nehmt euer geköcheltes Fernrohr und eure gebratenen Mäuseschwänzchen und eure gedünsteten Mäuse und werft alles in den Mixer. Dann mixt ihr das bei Höchstgeschwindigkeit, bis eine schön dicke Paste entsteht. Und während der Mixer läuft, müsst ihr das Dotter von einem GrunzerEi hinzugeben.»
«Ein Grunzer-Ei?», kreischten die Hexen. «Genau das werden wir tun!»
Trotz dieses ganzen Durcheinandergeschreis, das gar nicht abreißen wollte, hörte ich genau, wie eine Hexe in der letzten Reihe zu ihrer Nachbarin sagte: «Ich werd allmählich ein bisschen zu alt dazu, um noch auf die Bäume zu steigen und Vogelnester auszunehmen. Diese ungehobelten Grunzer bauen ihre Nester doch immer in den höchsten Wipfeln.»
«Das Ei wird also mitgemixt», fuhr die Hoch- und Großmeister-Hexe fort. «Und dann werden nacheinander folgende Zutaten hinzugefügt: die Gralle eines Grabbenknackers, der Schnabel eines Glatschmaulklauers, die Schnauze eines Grabbelspritzers und die Zunge eines Gatzengnilchs. Ich verdraue darauf, dass es euch keine Schwierigkeiten macht, diese Zutaten zu beschaffen.»
«Überhaupt nicht!», grölten sie durcheinander. «Wir werden den Klatschmaulklauer mit dem Speer erlegen und dem Krabbenknacker eine Grube graben und den Krabbelspritzer erschießen und den Katzenknilch in seiner Sasse fangen!»
«Ausgezeichnet!», antwortete die Hoch- und GroßmeisterHexe. «Wenn dann alles im Mixer gut durchgemixt ist, wird eine lieblich leuchtende grüne Flüssigkeit entstanden sein. Nun wird ein Dropfen, nur ein einziger winziger Dropfen dieses Saftes auf ein Stück Schogolade oder auf eine Brrraline getropft, und das Gind, das sie gegessen hat, wird Schlag neun am nächsten Morgen innerhalb von sechsundzwanzig Sekunden in eine Maus verwandelt werden.
Und jetzt ein Wort zur Warnung! Die Dosis darf niemals erhöht werden! Ihr dürft niemals mehr als einen einzigen Dropfen auf jedes Stück Schogolade oder andere Süßigkeiten dropfen. Und geinem Gind mehr als eine einzige Braline oder Schogolade geben! Eine Überdosis vom Verzögerungszauber unseres Mäusemachers kann die Zeiteinteilung des Weckers durcheinander bringen und eine schlimme Wirkung haben: Das Gind wird zu früh in eine Maus verwandelt. Eine erhebliche Überdosis gann sogar zur sofortigen Wirkung führen, und das wollt ihr doch nicht, nicht wahr? Ihr werdet doch nicht wollen wollen, dass die Ginder direkt in eurem Laden zu Mäusen werden. Das würde die ganze Blanung verderben. Das könnte uns alle verraten. Seid also achtsam! Allzu viel tut selten gut!»
Bruno Jenkins verschwindet
Die Hoch- und Großmeister-Hexe holte Luft, um weiterzusprechen: «Und jetzt will ich euch beweisen», sagte sie, «dass dieses Rezept perfekt funktioniert. Ihr habt hoffentlich begriffen, dass ihr den Wecker auf jede beliebige Zeit einstellen könnt. Es muss nicht unbedingt neun Uhr sein. So habe ich zum Beispiel gestern höchstpersönlich eine kleine Portion des Zaubermittels hergestellt, um es euch öffentlich vorführen zu können. Dabei habe ich das Rezept nun ein wenig abgewandelt. Bevor ich den Wecker röste, stelle ich ihn ein, aber ich habe ihn nicht für neun Uhr am kommenden Morgen gestellt, sondern für halb vier am kommenden Nachmittag. Und das bedeutet: auf halb vier heute Nachmittag. Und das -» sagte sie, indem sie einen Blick auf ihre Armbanduhr warf, «ist in genau sieben Minuten.»