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Aber zuerst musste ich irgendwie quer durch die Küche auf die andere Seite kommen und dann auch noch hinauf auf das Regal. Da hatte ich eine großartige Idee! Ich sprang abermals in die Höhe und schlang meinen Schwanz um den Griff des Müllkübels. Dann begann ich, Schwanz oben, Kopf unten, zu schaukeln. Ich schwang mich immer höher. Ich dachte dabei an den Trapezkünstler im Zirkus, den ich vorige Ostern gesehen hatte, und wie er das Trapez immer höher und höher hatte schwingen lassen und wie er es dann losließ und durch die Luft flog. Genauso machte ich es. Im richtigen Moment, also am höchsten Punkt meines Schwunges, ließ ich meinen Schwanz los und segelte sauber quer durch die Küche und setzte zu einer perfekten Landung auf dem mittleren Regal auf.

Вonnerwetter, dachte ich, was könnenMäuse alles machen!

Und dabei stehe ich  doch erst am Anfang!

Keiner hatte mich gesehen.

Sie waren alle viel zu sehr mit ihren Töpfen und Pfannen beschäftigt. Von dem mittleren Regal aus schaffte ich es irgendwie, an einem kleinen Wasserrohr in der Ecke höher zu krabbeln, und im Handumdrehen befand ich mich oben auf dem höchsten Regal fast unter der Decke, zwischen lauter Kasserollen und Bratpfannen. Ich wusste, dass mich hier oben keiner sehen konnte. Es war eine hervorragende Position, und ich begann, mir auf dem Regal einen Weg zu bahnen, bis ich mich direkt über der großen leeren silbernen Terrine befand, in die sie die Suppen füllen wollten. Ich stellte mein Fläschchen hin. Ich schraubte die Kappe ab und kroch an den Rand des Regals und kippte den Inhalt in die Silberterrine da unten. Im nächsten Augenblick kam schon einer der Köche mit einem mächtigen Topf, in dem die grüne Suppe dampfte, und goss die ganze Geschichte in die Terrine. Dann setzte er den Deckel drauf und rief: «Suppe für die große Gesellschaft kann raus!» Daraufhin erschien ein Kellner und trug die Silberterrine fort.

Ich hatte es geschafft! Selbst wenn ich jetzt nicht mehr lebendig zu meiner Großmutter zurückkäme, würden die Hexen ihren Mäusemacher bekommen! Ich ließ das leere Fläschchen hinter einem großen Stieltopf stehen und machte mich oben auf dem Regal auf den Rückweg. Ohne Flasche kam ich viel besser voran. Ich begann mehr und mehr, meinen Schwanz zu benutzen. Ich turnte von einem Topfgriff zum nächsten, während tief unter mir Köche und Kellner hin und her wuselten und Kessel dampften und Töpfe brodelten und Pfannen zischelten, und ich dachte: Oh, Junge, das ist das wahre Leben! Was für eine Wonne, eine Maus zu sein und solche abenteuerlichen Aufgaben zu erledigen! Ich schaukelte ununterbrochen weiter. Ich hing und hangelte, flog und schwebte aufs herrlichste von Griff zu Griff, und ich genoss das so in vollen Zügen, dass ich vollkommen vergaß, wie sehr ich mich da vor aller Augen bewegte, falls einer in der Küche zufällig nach oben schaute.

Was als Nächstes geschah, passierte so rasch, dass ich keine Zeit mehr hatte, mich zu retten. Ich hörte eine Männerstimme schreien: «Eine Maus! Schaut euch diese dreckige kleine Maus an!» Ich erhaschte einen Blick auf eine weiß gekleidete Gestalt mit einer hohen Kochmütze unter mir, und dann blitzte Stahl auf, als das Tranchiermesser durch die Luft fuhr, und dann schoss mir der Schmerz durch die Schwanzspitze, und plötzlich stürzte ich und knallte mit dem Kopf zuerst auf den Küchenboden.

Schon als ich fiel, wusste ich genau, was passiert war. Ich wusste, dass mir die Schwanzspitze abgehauen worden war und dass ich auf den Boden krachen würde und dass sich alle Mann in der Küche auf mich stürzen würden.

«Eine Maus!», schrien sie. «Eine Maus! Eine Maus! Schnell, fangt sie!»

Ich prallte auf den Boden, sprang sofort auf und rannte um mein Leben. Überall um mich herum waren diese großen schwarzen Stiefel und traten zu und knallten auf die Kacheln und ich wieselte zwischen ihnen hindurch und rannte und rannte und drehte und wendete mich und schlug Haken und flitzte quer über den Küchenboden.

«Fangt sie!», riefen sie. «Erschlag sie! Tritt doch drauf!»

Der ganze Fußboden schien voll von schwarzen Stiefeln zu sein, die mich tottreten wollten, und ich duckte mich und drehte mich und hüpfte und sprang und schnellte hin und her und machte wilde Sätze und dann, aus reiner Verzweiflung und ohne dass ich wusste, was ich tat, nur um ein Plätzchen zu finden, wo ich mich verbergen konnte, fuhr ich einem der Köche in das Hosenbein und klammerte mich an seiner Socke fest.

«He!», schrie der Koch. «Verflixt noch einmal! Jetzt ist sie mir in die Hose gesaust! Wartet, Jungs! Jetzt werden wir sie aber haben!»

Die Hände des Mannes begannen mit aller Kraft gegen das Hosenbein zu schlagen, und wenn ich jetzt nicht flink war, konnte ich wirklich zermalmt werden. Ich hatte nur einen einzigen Fluchtweg und der führte nach oben. Ich grub meine kleinen Krallen dem Mann in seine behaarten Beine und krabbelte nach oben, immer höher, die Wade entlang, durch die Kniekehle und dann zur Hüfte hinauf.

«Heiliges Kanonenrohr!», heulte der Mann. «Sie kommt mir ganz rauf. Sie läuft mein Bein rauf!» Ich hörte, wie die anderen Köche vor Vergnügen schrien und wieherten, aber ich schwöre euch, mir war nicht im Geringsten zum Kichern zumute. Ich krabbelte um mein Leben. Die Hände des Mannes klopften und trommelten hinter mir her, und er machte Luftsprünge, als ob er barfuß auf heißen Ziegelsteinen stünde, und ich kletterte immer weiter und wich so gut wie möglich aus und hatte ziemlich bald das Ende des Hosenbeins erreicht, und da ging es nicht mehr weiter.

«Hilfe! Zur Hilfe!», kreischte der Mann. «Jetzt sitzt sie in meiner Unterhose! Sie rennt in meiner verdammten Unterhose herum! Holt sie doch raus! Hilf mir doch jemand, damit sie da wieder rausgeht!»

«Lass doch deine Hose runter, du Torfkopf!», rief jemand anders. «Und dann zieh deine Unterhose aus, dann werden wir sie schon erwischen!»

Ich steckte jetzt genau in der Mitte der Männerhose, an der Stelle, wo die beiden Hosenbeine zusammenstoßen und wo der Reißverschluss beginnt. Es war hier drinnen finster und scheußlich heiß. Ich wusste aber, dass ich weiter musste. Ich stürzte mich also wieder weiter und fand den Anfang des anderen Hosenbeines. Ich rutschte wie ein geölter Blitz durch die Röhre, purzelte unten heraus und fand mich wieder auf dem Fußboden. Ich hörte, wie der dämliche Koch immer noch schrie: «Sie steckt in meiner Hose! Holt sie raus! Bitte, bitte!

Kann mir nicht jemand helfen und sie rausholen, ehe sie mich beißt!»

Ich erhaschte noch einen flüchtigen Blick auf die gesamte Küchenbrigade, die sich um ihn drängelte und sich halb totlachte, und keiner sah die kleine braune Maus, die über den Kachelboden huschte und in einen Sack mit Kartoffeln sprang.

Ich buddelte mich zwischen den schmutzigen Kartoffeln ein und hielt die Luft an.

Der Koch musste angefangen haben, seine Hosen auszuziehen, denn jetzt brüllten sie alle durcheinander: «Da ist ja gar nichts! Da steckt nichts drin! Du hast ja gar keine Mäuse, du mickriger Mäusemelker!»

«Aber da ist eine gewesen! Ich schwör's euch, da war eine!», schrie der Mann zurück. «Ihr habt ja noch nie eine Maus in der Hose gehabt. Ihr habt ja keine Ahnung, was das für ein Gefühl ist!»

Die Tatsache, dass ein so winziges Wesen, wie ich es war, eine ganze Mannschaft von erwachsenen Männern so in Aufruhr versetzen konnte, erfüllte mich mit einem wohligen Glücksgefühl. Trotz der Schmerzen, die ich in meinem Schwanz hatte, musste ich schmunzeln.

Ich blieb, wo ich war, bis ich sicher sein konnte, dass sie mich vergessen hatten. Dann wühlte ich mich wieder aus den Kartoffeln heraus und schob meinen kleinen Kopf über den Rand des Sackes. Die Küche war wieder von dem Krach und Getöse der Köche und der Kellner erfüllt, die unaufhörlich überall herumrannten. Ich erblickte den Kellner, der vorhin das beanstandete zähe Fleisch zurückgebracht hatte. Er kam jetzt wieder herein. «He, Jungs!», rief er. «Ich hab die alte Ziege gefragt, ob das neue Stück Fleisch besser wäre, und sie hat gesagt, es wäre einfach göttlich! Richtig lecker wär es, hat sie gesagt!»