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„Dieser Stein scheint die Tür zu sein“, sagte Müller, indem er das Felsstück vorsichtig mit den Fingern betastete.

Auch Fritz tat dasselbe und bemerkte dabei ganz leise:

„Der Stein steht nicht frei, sondern er blickt nur mit der einen Seite aus der Wand des Lochs hervor. Man muß also annehmen, daß er beweglich ist und demnach mit seiner Umgebung nicht fest verbunden sein kann.“

„Ist er wirklich beweglich, was man allerdings glauben muß, so ist er nicht nach außen, sondern nach innen fortzunehmen.“

„Natürlich. Würde er herausgezogen, so wäre ja eine Spur davon zu bemerken. Er würde mit seiner Schwere das Moos zerdrücken. Aber wie bewegt man ihn? Wollen wir es einmal versuchen?“

„Ja, aber höchst vorsichtig. Wir dürfen ihn nur ein ganz klein wenig von seiner Stelle rücken. Komm, stemme an und laß uns schieben.“

Sie knieten nieder, legten die Achseln an und schoben: aber der Stein bewegte sich nicht im mindesten.

„Es muß inwendig einen Verschluß geben“, meinte Müller. „Es bleibt uns nichts übrig, als den Schluß der Versammlung ruhig abzuwarten. Vielleicht hören wir dann, wenn die Leute gehen, etwas, was uns auf die Spur bringt.“

„Oder sehen wir es sogar. Wir müssen uns nur so nahe wie möglich verbergen. Etwa hier unter die Büsche?“

„Ja. Sie stehen kaum eine Elle entfernt und sind so dicht, daß man uns wohl schwerlich bemerken wird.“

„Ich hätte nicht gedacht, daß diese Franzosen gar so dumm sind, daß sie keine Wachen stellen. Bei so geheimen Zusammenkünften ist es unumgänglich notwendig. Nicht einmal auf den Gedanken sind sie gekommen, einen Hund mitzubringen!“

„Der könnte alles verraten.“

„Es müßte nur der Richtige sein. Sie brauchten ihn ja gar nicht draußen zu lassen. Sie könnten ihn mit hineinnehmen und dann, wenn sie gehen, würde er uns ganz sicher entdecken.“

„Hm, ja! Wünschen wir, daß auch im Kriegsfall von den Soldaten der großen Nation kein größerer Scharfsinn entwickelt wird. Komm, verstecken wir uns!“

Sie krochen miteinander unter die erwähnten Büsche. Das Versteck war so gut, daß man nichts von ihnen bemerkt hätte, selbst wenn es nicht so ganz und gar dunkel gewesen wäre wie am heutigen Abend.

Eine Stunde verging, vielleicht auch eine etwas längere Zeit. Da ließ sich ein leises, knirschendes Geräusch vernehmen. Die beiden stießen einander an.

„Jetzt! Paß genau auf!“ raunte Müller seinem Diener zu. Wirklich erschien im nächsten Augenblick der Lichtschein wieder. Man gewahrte ganz genau, daß der Stein weg war, und zwar war er nach innen verschwunden. Der Ausgang verdunkelte sich in kurzen Zwischenräumen. Die Leute kamen, einer nach dem anderen herausgekrochen und entfernten sich dann.

Da sie mit den Köpfen zuerst erschienen, so konnten die zwei Lauscher nicht ein einziges der Gesichter erkennen.

Zwei nur waren stehengeblieben. Zuletzt kam noch einer hervorgekrochen und trat, nachdem er sich aufgerichtet hatte, zu ihnen.

„Nun“, sagte er vernehmlich; „glaubt ihr nicht, daß alles so richtig arrangiert ist?“

„Der alte Kapitän!“ flüsterte Müller seinem Nachbarn zu.

„Ganz gewiß“, antwortete der eine. „Die Leute brauchen eine große Übung, und Waffen sind nebst Munition ja mehr als reichlich vorhanden.“

„Sobald etwas passiert und ich euch brauche, werde ich euch das Zeichen geben. Wir kommen von heute an stets nur hier zusammen.“

„Ich wollte, es ginge bald los!“

„Man hat leider noch keinen Grund zur Kriegserklärung gefunden!“

„Sollte das so schwierig sein?“

„Hm!“ brummte der Alte. „Ich halte es nicht für sehr schwer, und so wird ja auch der Kaiser bald finden, was er sucht. Er will den Krieg, die Kaiserin wünscht ihn noch viel mehr. Gramont steht an der Spitze der auswärtigen Angelegenheiten; er ist ein ausgemachter Feind der Deutschen, er haßt sie und tut alles mögliche, um das Feuer zu schüren. Daher haben wir allen Grund, zu erwarten, daß unsere Hoffnungen sich baldigst erfüllen werden.“

„Und dann! Sacre bleu! Dann marschieren wir nach Deutschland!“

„Nicht wir zuerst. Die glorreiche Armee hat die internationalen Gesetze der Kriegsführung zu respektieren; der Franctireur aber ist ein freier Mann. Wir werden tun, was uns beliebt!“

„Donnerwetter, wir werden reiche Leute!“

„Hoffentlich machen wir unser Geschäft. Wir haben bisher nur Ausgaben gehabt, und zwar höchst bedeutende. Der Deutsche wird bezahlen müssen, und zwar nicht nur mit hundert Prozent! Ich wollte, daß in diesem verdammten Germanien nicht ein Stein auf dem andern bliebe! Ich habe allen Grund, die Rasse zu hassen!“

„Aber man sagt, daß Preußen jetzt sehr stark sei!“

„Wer das sagt, ist ein Dummkopf!“

„Aber die Ulanen!“

„Die Ulanen? Pah! Die haben wir nun erst recht nicht zu fürchten! Der Preuße hat sie von den Russen geborgt.“

„Wieso?“

„Die Ulanen sind die Nachkommen von den asiatischen Reitern, welche sich Anno Vierzehn und Fünfzehn bis an die Seine wagen konnten, weil das Glück zufälligerweise den großen Kaiser verlassen hatte. Ihr habt doch von ihnen gehört?“

„Ja. Es sind kleine Kerls mit großen Bärten.“

Der dritte, welcher bisher geschwiegen hatte, wollte auch etwas sagen; er ließ also sein Licht leuchten, indem er hinzufügte:

„Sie haben kleine Pferde mit großen Mähnen und Schwänzen.“

„Sie stinken nach Talg und stecken voll Ungeziefer!“

„Sie fressen Pfeffer und saufen Schwefelsäure!“

„Ihre Hosen und Röcke sind aus Schweinsleder!“

„Ihre Lanzen gebrauchen sie nur, um Kinder damit aufzuspießen und in das kochende Wasser zu halten!“

„Ja, es ist ein grausames, gottvergessenes Volk; aber es ist dem Aussterben nahe. Das Lazarettfieber hat die meisten hinweggerafft, im Krieg von Schleswig-Holstein sind sie massenhaft erfroren, und Anno Sechsundsechzig haben die Österreicher jämmerlich unter ihnen aufgeräumt.“

„So hätten wir sie ja gar nicht zu fürchten!“

„Nicht im geringsten! Es sind ihrer bloß noch einige Hundert vorhanden, die in der Zeit von einigen Minuten von unseren Mitrailleusen niedergeschmettert werden. Es ist geradezu lächerlich von dem König von Preußen, sich auf dieses Gezücht zu verlassen!“

„Aber tüchtige Artillerie soll er haben!“

„Pah! Eine einzige Mitrailleuse bringt drei oder vier ganze Batterien zum Schweigen!“

„Und die Zündnadel!“

„Die ist zum Totlachen! Hat man je gehört, daß man mit Nadeln Krieg führt?“

„Das ist wahr!“

„Und unser Chassepot! Dem ist kein Gewehr gewachsen!“

„Aber ich las da vor kurzen in der Zeitung, daß der König von Preußen große Generäle habe!“

„So? Wen denn zum Beispiel?“ fragte der Kapitän im verächtlichsten Ton.

„Steinmetz!“

„Der ist altersschwach geworden. Er ist bereits achtundneunzig Jahre alt und kann nur noch mittels Ziegenmilch am Leben erhalten werden.“

„Sodann Seidlitz!“

„Seidlitz ist ein ganz junger, unerfahrener Oberst der Artillerie. Mit dem schießt jeder französische Kanonier um die Wette!“

„Und Ziethen!“

„Ziethen! Was ihr euch einbildet! Sollen wir uns vor Ziethen fürchten! Ihr wißt wohl gar nicht, was er ist?“

„Nun, ein berühmter Husarengeneral. Er soll bereits sehr alt sein und bei dem König von Preußen in großer Gunst stehen. Er hat sogar die Erlaubnis erhalten, an der königlichen Tafel zu schlafen.“

„Das ist wahr; das steht in allen Büchern. Aber ein Husarengeneral ist er nicht, obgleich man es euch weisgemacht hat. Er stammt aus Roßbach und ist Marinelieutenant. Weiter hat er es trotz seines Alters nicht gebracht. Überhaupt braucht man nur zu hören, daß preußische Offiziere an der Tafel schlafen dürfen, so weiß man sofort, was man von der ganzen Armee zu halten hat. Wie soll das während eines Feldzugs werden, wo es ja noch größere Anstrengungen gibt als Essen und Trinken.“