„Ich gebe dir ja ganz recht; aber der Alte, der Alte.“
„Nun, was ist mit ihm?“
„Er wird uns töten.“
„Pah! Dagegen können wir uns sichern. Haben wir das Geld, wer hindert uns, fortzugehen? Nach Amerika oder sonst wohin, wo er uns gar nicht erreichen kann.“
„Der? Nicht erreichen? Ah, er wäre imstande, uns nachzukommen und zur Rede zu stellen.“
„Das verbieten wir ihm.“
„Er wird von uns Befehle annehmen. Glaube nur das nicht.“
„Er muß sie wohl annehmen. Es kommt dabei nur darauf an, wie er sie erhält.“
„Nun, wie denn?“
„Durch ein Messer oder eine Kugel.“
„Verdammt. Du würdest ihn töten?“
„Warum nicht? Er selbst wird sich keinen Augenblick bedenken, uns eine Kugel durch den Kopf zu jagen, falls er zu der Ansicht käme, daß es ihm vielleicht Nutzen bringt.“
„Aber wir haben ihm Treue geschworen.“
„Dummkopf! Ist dieser alte Kapitän berechtigt, uns einen Schwur abzufordern? Unser Eid hat weder vor Gericht, noch vor sonst wem die geringste Gültigkeit. Aber ich sehe, daß du dich fürchtest. Lassen wir den Gedanken also fallen. Du bist ein Hasenfuß. Wirf dem Alten die Millionen an den Kopf. Du wirst dafür tausend Jahre vom Fegefeuer erlassen bekommen.“
Er tat, als ob er gehen wollte. Der andere ergriff ihn beim Arm und sagte schnelclass="underline"
„Halt, halt! Ich habe mich ja noch gar nicht dagegen entschieden. Ich habe nur ein Bedenken.“
„Welches denn?“
„Daß er uns vielleicht beobachten und beaufsichtigen läßt.“
„Durch wen?“
„Durch Lefleur.“
„Pah! Dem geben wir einen Schlag auf den Kopf, so sind wir die Aufsicht los. Überhaupt habe ich gar nicht beabsichtigt, mit dir jetzt einen vollständigen Plan zu spinnen. Ich wollte nur wissen, ob du unter Umständen geneigt sein würdest, auf meine Absicht einzugehen.“
„Nun, abgeneigt bin ich nicht.“
„Das ist es, was ich hören will. Das Weitere können wir unterwegs oder auch erst morgen früh besprechen. Es ist dazu noch Zeit, wenn wir das Geld bereits in den Händen haben. Ich glaube, daß du in diesem Fall ganz gern geneigt sein wirst, es zu behalten.“
„Wollen sehen. Aber, ob dieser – dieser – wie war doch der fremde Name?“
„Dieser Deep-hill.“
„Ja, ob dieser Deep-hill auch wirklich kommen wird, wollte ich sagen.“
„Sicher. Der Kapitän hat es gesagt, und der ist stets ganz genau unterrichtet. Man muß zugeben, daß in allem, was er vornimmt, eine genaue und untrügliche Berechnung vorhanden ist.“
„Aber wie erkennen wir ihn?“
„Das wird nicht schwer sein. Ein Amerikaner ist sehr leicht zu erkennen oder zu erfragen.“
„Aber nehmen wir an, daß er noch Leben hat.“
„Nun, so tut ein Messerstich, ein Griff an die Gurgel das übrige. Lassen wir für jetzt solche unnütze Fragen. Wenn der Augenblick des Handelns gekommen ist, so wird sich alles ganz von selbst ergeben.“
„Gehen wir also?“
„Ja. Komm.“
Sie entfernten sich. Erst als ihre Schritte bereits seit Minuten nicht mehr zu hören waren, flüsterte Müller Fritz zu:
„Komm. Jetzt können wir von der Stelle.“
Sie krochen unter den Büschen hervor und dehnten ihre Glieder, welche sich in einer so unbequemen Lage befunden hatten.
„Zwei schöne Kerls“, flüsterte Fritz dabei.
„Galgenvögel.“
„Eigentlich wäre es unsere Pflicht gewesen, sie unschädlich zu machen.“
„Wie wolltest du das anfangen, ohne uns zu verraten?“
„Sie einfach niederschlagen.“
„Dadurch wäre es doch herausgekommen, daß sich Lauscher hier befunden haben. Nein. Wir mußten sie unbedingt laufen lassen.“
„Vielleicht kann ich sie doch fassen. Was sie eigentlich beabsichtigen?“
„Nun, einen Mordversuch auf diesen Amerikaner Deep-hill.“
„Das versteht sich ganz von selbst, Herr Doktor. Aber wann und wie soll er ausgeführt werden?“
„Hm! Das ist eben die Frage. Er kommt mit dem Mittagszug in Thionville an?“
„Ja, das habe ich genau gehört.“
„Auf dem Bahnhof können sie ihn doch nicht überfallen.“
„Ganz unmöglich. Aber dann unterwegs.“
„Wie es scheint, wird er sich nach Ortry zum Kapitän begeben.“
„Sicher. Und bis dahin will man ihn überfallen. Man muß das auf alle Fälle verhindern.“
„Natürlich! Das wirst du tun.“
„Es wird schwer gehen. Ich fahre ja mit demselben Zuge weiter und habe also eigentlich keine Zeit.“
„Es ist leichter, als du denkst. Du fährt ja mit dem Frühzug nach Trier. Dabei meldest du die Angelegenheit der Bahnpolizei. Die wird den Amerikaner bei seiner Ankunft ausfindig zu machen wissen und ihn warnen. Übrigens ist es ja leicht möglich, daß du ihn während der Fahrt erfragen und dann sogar selbst unterrichten kannst.“
„Wollen sehen. Aber, hm!“
„Was hast du noch für Bedenken?“
„Ich muß dieser lieben Nanon mein Wort halten; ich muß mit ihr fahren; aber ich kann sehr leicht daran verhindert werden.“
„Wieso?“
„Es ist möglich, daß die Polizei mich zurückhält, wenn ich anzeige, was geschehen soll.“
„Wohl schwerlich.“
„Man wird mich ausfragen, auf welche Weise ich von dem Mordanschlag erfahren habe. Wie soll ich da antworten?“
„Nun, die Polizei weiß, daß du Kräutersammler bist. Da kann es ja gar nicht auffallen, wenn du berichtest, daß du dich heute nach Einbruch der Dunkelheit noch im Wald befunden hast. Dort hast du zwei Männer belauscht.“
„Schön! Ich kannte sie nicht, und ich getraute mich auch nicht, etwas gegen sie zu unternehmen, da sie bewaffnet waren, ich aber nicht. Jedoch, soll ich den Kapitän erwähnen?“
„Nein. Wer weiß, ob man dir dann noch glauben würde.“
„Schön! So ist es also abgemacht. Gehen wir jetzt?“
„Nein. Es kann mir gar nicht einfallen, diesen Ort zu verlassen, ohne mich ein wenig umgesehen zu haben. Wer weiß, wozu es gut ist, wenn ich mich orientiere. Wollen einmal nach dem Eingang sehen.“
„Ah, nach dem Keil, von dem der Alte sprach?“
„Ja. Aus seinen Worten schließe ich, daß das Loch nur mittels eines Keils verschlossen und geöffnet werden kann. Dieser Keil muß sich also wohl in einer Ecke des Steins befinden. Suchen wir danach.“
Sie traten an das Felsstück, der eine rechts und der andere links und betasteten die Kanten desselben mit möglichster Genauigkeit.
„Sapperlot! Hier muß es sein!“ sagte nach kurzer Zeit Fritz.
„Wo?“
„Da unten in der Ecke. Ich drückte, und da gab es nach.“
„Laß sehen.“
Müller untersuchte die Stelle, an welche Fritz ihm die Hand leitete und fand allerdings, daß etwas dem Druck seines Fingers nachgab.
„Das ist's!“ sagte er. „Das ist ein Keil, den man zurückschieben kann. Es ist das Ende einer Schnur an ihm befestigt, um ihn wieder heranziehen zu können. So! Jetzt habe ich ihn hineingeschoben. Und nun wollen wir sehen, ob auch der Stein zu bewegen ist.“
Er schob an dem Felsstück, es ließ sich durch einen ganz leichten Druck aus seiner Lage bringen und wich zurück.
„Auf!“ flüsterte Müller. „Jetzt können wir hinein. Komm, Fritz. Das Sesam ist geöffnet.“
„Aber vorsichtig, Herr Doktor!“ meinte der treue Diener. „Nehmen Sie den Revolver heraus.“
„Habe ich schon bei der Hand. Ich krieche voran, und du folgst mir.“
Die Öffnung war groß genug, um einen Mann einzulassen. Das Loch ging kaum drei Fuß tief, dann fühlte Müller, daß er sich erheben könne. Einige Augenblicke später stand Fritz neben ihm.
„Haben Sie Ihre Laterne mit?“ flüsterte er.