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„Sicherlich nicht! Aber wie haben die Leute, von denen Sie sprachen, von mir erfahren können? Richemonte und Rallion sind beide verschwiegene Charaktere!“

„Vielleicht sind sie belauscht worden!“

„Das ist das Wahrscheinliche.“

„Ich denke es auch.“

„Aber der Ort, an welchem ich überfallen werden soll! Das wäre die Hauptsache! Haben Sie darüber gar keinen Wink aufgefangen?“

„Hm! Man sprach von einem Bahnwärter.“

„Bahnwärter gibt es auf der Strecke, nicht aber auf dem Bahnhof. Gibt es zwischen Thionville und Ortry dergleichen Beamte?“

„Nein. Es gibt da keine Bahn.“

„Sonderbar! In welcher Weise wurde dieses Bahnwärters Erwähnung getan?“

„Die beiden wollten zu ihm gehen und sich mit ihm unterhalten, um dann beweisen zu können, daß nicht sie die Tat begangen hätten.“

„Und doch wollen sie mich berauben.“

„Es schien ganz so, als ob vor der Beraubung etwas zu geschehen habe. Die beiden Männer schienen anzunehmen, Sie bereits in einem Zustand zu finden, welcher die Beraubung erleichtert! Für den Fall, daß Sie noch lebten, wurde der Messerstich und der Griff an der Gurgel erwähnt.“

Da erbleichte der Amerikaner.

„Herrgott!“ rief er entsetzt. „Jetzt wird es licht; ich beginne zu ahnen. Aber das wäre ja fürchterlich.“

„Was, was, was?“ fragten die drei wie aus einem Munde.

„Sollte der dritte, von dem Sie sprechen, den Zug entgleisen lassen wollen?“

Da fuhr Fritz auf, daß er mit dem Kopf an die Decke stieß und rief.

„Das ist's; das ist's! Er will Steine auf die Schienen legen. Die beiden anderen kommen wie ganz zufällig hinzu. Wagen werden zertrümmert, Menschen verwundet und getötet. In der dabei entstehenden entsetzlichen Verwirrung ist es nicht schwer, den Amerikaner herauszufinden. Man nimmt ihm die Brieftasche aus dem Rock. Ist er tot, so geht das sehr leicht; ist er nur verwundet, so genügt ein Druck auf die Gurgel, ihn vollends kaltzumachen.“

Die Damen waren sprachlos vor Schreck gewesen. Jetzt aber rief Emma:

„Jetzt gilt es zu handeln! Man darf um Gottes willen keine Zeit verlieren. Wo befinden wir uns?“

Fritz riß sein Fenster hüben und der Amerikaner das seinige drüben auf.

„Königsmachern ist schon vorüber!“ rief der erstere.

„Wie viele Stationen haben wir noch?“

„Königsmachern ist die letzte vor Thionville. Wenn etwas geschieht, so geschieht es hier, bald gleich. Wo ist die Notleine? Wir müssen ein Zeichen geben!“

Er langte hinaus, Deep-hill drüben. Aber sie fanden die Leine nicht.

„Auf mit den Coupés“, sagte Fritz. „Ich laufe auf dem Trittbrett hin.“

Er langte zum Fenster hinaus und öffnete die Tür. Der Amerikaner tat auf seiner Seite ganz dasselbe. Sie traten auf die Trittbretter hinaus, und ganz in demselben Augenblick ertönte von der Maschine das schrille, bekannte und entsetzliche Rot und Warnungssignal.

Der Zug passierte eine Kurve. Fritz befand sich an der inneren Seite derselben und konnte infolgedessen einen Teil der Bahnstrecke, welche vor der Maschine lag, übersehen.

„Herrgott Steine, große Steine auf den Schienen!“ rief er. „Der Zug kann bis dahin nicht halten. Es gibt ein entsetzliches Unglück. Monsieur, hinaus mit den Damen. Abspringen und sofort zur Seite eilen.“

Er langte in das Coupé, erfaßte Madelon und riß sie hinaus. Er war stark und sie schmächtig und nicht schwer. Er tat einen Satz vorwärts. Es gelang. Noch einige Sprünge, und er rutschte mit dem Mädchen die hohe Böschung hinab.

Der Amerikaner war ebenso geistesgegenwärtig und entschlossen wie der Deutsche.

„Heraus, Miß!“ rief er.

Emma erkannte, daß es keine andere Rettung gäbe und überließ sich seinem Arme. Er war nicht von riesenhaftem Körperbaue, aber er entwickelte in diesem Augenblick eine Riesenkraft. Die Maschine heulte; die Bremsen kreischten; die Räder brüllten. In den Coupés ertönten vielstimmige Rufe des Entsetzens. Deep-hill umfaßte Emma mit seiner Linken, hielt sich mit der Rechten an der Griffstange fest, holte aus und tat den entscheidenden Sprung. Er kam auf die Füße, knickte zwar unter seiner Last zusammen, raffte sich aber sofort wieder empor und schoß mit ihr die hohe Böschung des Damms hinab.

Es geschah dies keine Sekunde zu früh.

Ein Krach, ein fürchterlicher, entsetzlicher Krach, als seien Berge von Erz und Stein zusammengebrochen, ertönte. Ein rasendes Rollen, Pfeifen, Heulen, Wogen, Dröhnen und Stampfen folgte. Das Entsetzliche war geschehen. Der Zug war entgleist und krachte, sich überstürzend, den Damm hinab.

Was nun geschah, läßt sich unmöglich beschreiben. Ein ganzer Berg von Trümmern bedeckte die Stelle. Die Wagen hatten sich überschlagen, waren ineinandergerammt, lagen auf der Seite, auf dem Rücken oder standen hinten oder vorne in die Höhe.

Von Menschenstimmen war wohl eine Minute lang gar nichts zu hören. Dann aber begann ein Wimmern, Stöhnen, Rufen, Schreien, Heulen, Beten und Brüllen, welches jeder Schilderung spottet.

Hart hinter der Unglücksstelle waren zwei Paare zu sehen, das eine auf der rechten und das andere auf der linken Seite des Damms. Emma lag ohnmächtig im Gras, und der Amerikaner kniete bei ihr. Hat sie Schaden genommen? fragte er sich. Er hoffte jedoch, diese Frage mit nein beantworten zu können. Er öffnete ihr das Kleid, damit die Lunge freiere Bewegung erhalten möge. Dabei sah er, von welcher Schönheit dieses reizende Mädchen war.

„Herrlich, herrlich!“ flüsterte er. „So vollkommen, ja tadellos, kann nur eben eine Engländerin sein. Was war Amély dagegen, der kleine Kolibri. Könnte ich die Liebe dieser Göttin erringen.“

Und auf der anderen Seite kniete Fritz bei Madelon. Auch sie hatte die Augen geschlossen, öffnete sie aber jetzt und blickte verwirrt um sich.

„Lebe ich noch?“ fragte sie.

„Ja, Sie leben, Fräulein“, antwortete Fritz. „Wir sind der Gefahr noch im letzten Moment entronnen. Gott sei Dank für diese Rettung.“

„Und wo ist Fräulein Emma?“

„Drüben auf der anderen Seite jedenfalls.“

„Ist auch sie gerettet?“

„Ich hoffe es.“

„Sie hoffen es nur? Sie wissen es nicht genau?“

„Nein. Ich konnte ja noch nicht hinüber. Der Zug ist da drüben hinabgestürzt. Gott! Er wird sie doch nicht dennoch gepackt und zerschmettert haben.“

„Wir müssen sehen. Hinüber, hinüber.“

Sie hatte im Moment alle Spannkraft zurückerhalten. Sie klomm mit einer Eile den Damm hinan, als ob sie nicht soeben den fürchterlichsten Schreck erlebt habe, den man sich nur denken kann.

Fritz vermochte kaum, ihr zu folgen, hielt sich aber doch an ihrer Seite. Droben angekommen erblickten sie die beiden anderen. Emma lag noch immer bewußtlos.

„Sie ist tot!“ rief Madelon erschreckt.

„Nein“, antwortete der Amerikaner laut, „sie lebt; sie atmet. Kommen Sie!“

Jetzt ging es schnell hinab. Madelon kniete nieder, beschäftigte sich eine Minute mit der Freundin und sagte dann:

„Es scheint nur eine Ohnmacht zu sein. Lassen Sie uns allein, Messieurs. Ihre Hilfe wird auch anderweitig gebraucht.“

„Das ist wahr. Kommen Sie!“ sagte Fritz.

Sie eilten der Schreckensstelle zu. Es war ein Anblick des Grauens. Die Lokomotive hatte sich tief in die Erde gewühlt. Sie zischte, dampfte und ächzte noch jetzt wie ein sterbender Drache, der seine Wut gefesselt fühlt. Die Körperteile des Heizers und Maschinisten lagen in der Nähe, fast bis zur Unkenntlichkeit entstellt.

Auch in und bei den Waggons sah es fürchterlich aus. Die Geretteten und nur leicht Verwundeten hatten sich unter den Trümmern mühsam hervorgearbeitet; die übrigen aber waren noch von den Lasten gebannt, die auf ihnen lagen. Die Geretteten und die Leichtverletzten begannen nun die Nachforschung nach den Armen, welche weniger glücklich gewesen waren. Fritz arbeitete mit dem Amerikaner allen voran.