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„Daß dies wahr ist, habe ich an mir erfahren.“

„Ah! Wieso?“

„Nun, ich richte mein Augenmerk nur auf einen einzigen Stern; dem aber widme ich mein ganzes Leben.“

„Welcher wäre das?“

„Es ist weder der Morgen- noch der Abendstern, obgleich ich des Morgens und des Abends an ihn denke. Sie dürfen ihn nicht da draußen am Himmel suchen. Er ist mir näher, viel, viel näher, Mademoiselle Nanon.“

Sie erglühte; denn sein Auge ruhte mit einem tief innigen, fast anbetenden Ausdruck auf ihr. Aber ihr Vertrauen zu ihm war so groß und unerschütterlich, daß es ihr nicht als eine Gefahr erschien, das Thema fortzusetzen:

„Also Astronom sind Sie. Das ist mir lieb, denn wenn Sie weder Dichter noch Astronom wären und dennoch die Sterne anguckten, so bliebe nur noch ein drittes möglich.“

„Was wäre das?“

„Nun, man sagt, daß Verliebte den Himmel anlächeln.“

„Wirklich? Das muß eine eigentümliche Liebe sein. Ich würde mein Lächeln lieber der Dame widmen, der ich mein Herz geschenkt habe.“

„Ja, das würden Sie, denn Sie sind kein Schwärmer. Sie sind so praktisch, so sicher, so entschlossen, obgleich ich gefunden habe, daß Ihr Gemüt eigentlich recht weich und zart ist.“

„Ich danke Ihnen, Mademoiselle. Scheint Ihnen das ein Widerspruch zu sein?“

„O nein. Ein reines, gutes, weiches Gemüt ist eine große Gnadengabe Gottes; dabei aber kann der Wille doch ein fester und energischer sein. Dieses beides, nämlich ein tiefes Gemüt und einen starken Charakter, denke ich mir an dem Mann, der ein Mädchen glücklich machen kann. Sie haben heute wieder eine Probe Ihrer Energie und Entschlossenheit gegeben, indem Sie Madelon vom Tod erretteten. Wie sollen wir Ihnen dies vergelten, Monsieur Schneeberg!“

Er sah fast beschämt vor sich nieder. Dann gestand er:

„Mademoiselle Nanon, ich wollte, ich könnte Ihnen täglich solche und noch viel gefährlichere Dienste leisten. Ich höre nie gern von Dank sprechen; aber ich fühle mich so glücklich, wenn Ihr Auge mir sagt, daß Sie mit mir zufrieden sind.“

„So viele Dienste? Und doch kam ich zu Ihnen, um Sie wieder um eine Gefälligkeit zu bitten, die Ihnen jedenfalls unangenehm sein muß.“

„Unangenehm? O nein. Jede Gefälligkeit, die ich Ihnen erzeigen kann, ist mir hochwillkommen!“

„Wenigstens wird sie Ihnen Störung und Unbequemlichkeit bereiten.“

„Das achte ich nicht, wenn ich Ihnen nützlich sein kann.“

„Nun gut, lieber Monsieur Schneeberg; ich werde einmal recht aufrichtig mit Ihnen sein. Es gibt nämlich einen Menschen, den ich nicht leiden kann, und der mich nämlich zwingen will, seine Frau zu werden.“

Das offene Gesicht Fritz' verfinsterte sich.

„Der soll sich sehr in acht nehmen, Mademoiselle Nanon. In dieser Hinsicht verstehe ich keinen Scherz!“ sagte er.

„Und leider“, fuhr sie fort, „ist dies gerade derjenige, bei welchem ich morgen sein werde!“

„Darf ich erfahren, wer es ist, Mademoiselle?“

„Der Sohn des Toten.“

„Also Ihr Pflegebruder?“

„Ja.“

Sie erzählte ihm von den Briefen, die sie erhalten hatte, und auch, daß er einige Male gewalttätig hatte werden wollen.

„Das ist auch in Ortry geschehen?“ fragte Fritz.

„Leider!“

„Ein Glück für ihn, daß ich nicht dazugekommen bin.“

„Oh, da waren Sie noch gar nicht in Ortry.“

„Ah so!“

„Aber er hat mir gedroht, nächstens zu kommen.“

„Das soll er lieber bleiben lassen.“

„Oh, es ist ein sehr starker Mensch!“

Fritz warf einen Blick an sich selbst hinab, verzog seinen Mund zu einem leisen, mitleidigen Lächeln und sagte dann:

„Ich wollte nur, daß er sehr stark wäre!“

„Warum?“ fragte sie verwundert.

„Damit ich einmal einen Menschen fände, mit welchem anzubinden es sich in Wirklichkeit verlohnte. Was ich bisher gehabt habe, war nur Spielerei. Man will sich doch gern einmal kennenlernen.“

Sie blickte lächelnd zu ihm hinüber und meinte:

„Ja, Sie müssen eine fürchterliche Körperkraft besitzen. Wissen Sie, daß ich mich gefürchtet habe, als Sie mir zum ersten Mal Ihre Hand reichten.“

„Gefürchtet? Herrgott, sich gefürchtet!“

„Ja, wirklich. Ich dachte, es würde um meine Hand geschehen sein, Monsieur Schneeberg.“

„Wie könnte ich Ihnen auch nur im entferntesten weh tun.“

„Ja, als Sie dann meine Hand so leise in die Ihrige nahmen, so vorsichtig und leise, als ob ich aus lauter Flaumfeldern bestände, da merkte ich allerdings, daß ich mich geirrt hatte.“

„Man darf nicht immer nach der Gestalt gehen. Ich kenne einen Herrn, einen Ulanenoffizier, mit dem ich nicht in die Schranken treten möchte.“ Er meinte damit seinen Rittmeister, und fuhr fort:

„Ist Ihr Pflegebruder auch so lang und stark?“

„Nicht so lang, aber sehr breit und stark. Das sollen ja die Gefährlichsten sein. Nun denken Sie sich, daß ich morgen den ganzen Tag bei ihm sein muß!“

„Wann ist die Begräbnisfeierlichkeit?“

„Um drei Uhr nachmittags.“

„So ist es ja Zeit, wenn Sie kurz vorher erscheinen.“

„Als Pflegetochter? O nein, da muß man eher kommen. Die Leute würden erfahren, daß wir zögerten, obgleich wir anwesend waren.“

„Es sind doch jedenfalls andere Trauergäste auch vorhanden?“

„Sehr viele jedenfalls.“

„So brauchen Sie ja nicht zu fürchten.“

„Meinen Sie das nicht. Er wird ganz gewiß die Gelegenheit ergreifen, mich allein zu sprechen.“

„Und das fürchten Sie?“

„Am Tag nicht.“

„Sie bleiben auch des Abends dort?“

„Ja, wenn auch nicht bis zur Nacht. Es wird ein Trauermahl geben, und wir dürfen nicht eher gehen, als bis dieses beendet ist.“

„Hm! Ich verstehe, Mademoiselle Nanon. Wie weit ist es von hier bis nach Schloß Malineau?“

„Noch anderthalb Stunden.“

„Steht dieses Gebäude ganz allein?“

„Zehn Minuten davon steht eine alte Pulvermühle einsam im Wald, und auf der anderen Seite, ebensoweit vom Schloß, liegt das Dörfchen, welches zum Schloß gehört.“

„Wie heißt dasselbe?“

„Auch Malineau. Man kommt hindurch, wenn man von hier nach dem Schloß will.“

„Gibt es einen Gasthof dort?“

„Nein, aber eine Schenke mit Ausspannung.“

„Wie wollen Sie morgen von hier nach dem Schloß gelangen?“

„Zu Fuß. Irgend jemand könnte unser kleines Gepäck, dessen wir bedürfen, nachbringen.“

„Ich bitte Sie, das anders zu machen!“

„Es wird wohl kaum anders gehen.“

„Und doch. Sie nehmen von hier eine Kutsche für den ganzen Tag und fahren mit derselben direkt nach dem Schloß. Wenn Sie ausgestiegen sind, kehrt der Kutscher in der Schenke ein und wartet, bis Sie ihm einen Boten schicken, daß er Sie abholen und nach Etain zurückbringen soll.“

„Und Sie fahren mit?“

„Nein, das werde ich nicht tun!“

„Warum nicht? Gerade weil ich nicht auf Ihren Schutz verzichten wollte, kam ich heute so spät noch zu Ihnen.“

„Haben Sie keine Sorge. Ich werde viel eher als Sie an Ihrem Ziel sein, wenn mich auch niemand bemerken sollte, und Sie werden den ganzen Tag unter meinem Schutz stehen.“

„Wirklich? Versprechen Sie mir das?“

„Ja. Hier meine Hand.“

„So bin ich beruhigt in Beziehung auf mich, nicht aber in Beziehung auf Sie, mein lieber Monsieur Schneeberg.“

„Haben Sie um mich keine Sorge. Ich bin überzeugt, daß wir den morgigen Tag ebenso friedlich beschließen werden wie den heutigen!“

„Das gebe Gott! Und da Sie so gut und freundlich gegen uns sind, will ich Ihnen auch eine Hoffnung mitteilen, welche wir für morgen hegen.“