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Fritz stieg wieder auf, lenkte um, kehrte auf der Dorfstraße zurück und lenkte dann in den nach der Mühle führenden Fahrweg ein. Er war am Tag hier gewesen und hatte sich bei dieser Gelegenheit genügsam orientiert. Als er das Gebäude erreichte, so daß die Pferde mit ihren Köpfen beinahe an das Tor stießen, klatschte er einige Male mit der Peitsche.

„Heda! Holla! Wohnt hier jemand?“ rief er dann.

Erst als er diesen Ruf, natürlich mit verstellter Stimme, wiederholt hatte, ließ sich im Inneren des Gebäudes eine Bewegung vernehmen. Dann wurde das Tor ein wenig geöffnet und man fragte:

„Wer ist denn hier draußen?“

„Verirrte. Wo befinden wir uns hier?“

„Alle Teufel! Verirrte! Und zwar mit einer Equipage! Wohin wollen Sie denn?“

„Nach Etain.“

„Und woher kommen Sie?“

„Von Schloß Malineau.“

„Da sind Sie allerdings bedeutend abseits geraten. Wenn Sie für eine Viertelstunde absteigen wollen, werde ich mich nachher gern auf den Bock setzen, um Sie auf den richtigen Weg zu bringen.“

„Das werden wir tun. Die Damen werden es erlauben.“

„Ah, Damen sind es! Um so mehr ist der kleine Unfall zu bedauern. Bitte, fahren Sie herein. Wir haben leider hier kein Licht; aber wir werden die Damen führen, nachdem sie ausgestiegen sind.“

Diese Verhandlung zwischen Ribeau und Fritz, denn jene waren die Sprecher, waren natürlich beiderseits mit verstellter Stimme geführt worden. Jetzt wurde das Tor weit geöffnet, dann aber, nachdem Fritz eingefahren war, sogleich hinter dem Wagen wieder verschlossen.

Die beiden Damen stiegen aus, jedenfalls jetzt mit dem innigen Wunsch, daß sie sich doch lieber nicht in diese Gefahr begeben haben möchten. Jede von ihnen fühlte sich bei der Hand ergriffen und durch eine Tür gezogen.

Fritz blieb scheinbar auf dem Bock sitzen. Aber als er die Schritte der sich Entfernenden nicht mehr hörte, stieg er ab, band die Zügel fest und zog dann das Licht hervor, um es anzubrennen. Beim Schein desselben bemerkte er, daß das Tor durch einen langen, hölzernen Riegel verschlossen war, den er leicht entfernen konnte.

Nun trat er durch die Tür, durch welche die Damen geführt worden waren. Er befand sich in dem eigentlichen Mühlenraum; er durchschritt denselben der Länge nach und vernahm sehr laute männliche und weibliche Stimmen, welche auf einen sehr ernsten Wortwechsel deuteten. Als er die Tür erreichte, hinter welcher sich die sprechenden Personen befanden, verlöschte er sein Licht und begann zu lauschen. –

Als vorhin nach der Unterredung Berteus mit seinem Kutscher der letztere sich entfernt hatte, war der erstere zu seinen Gästen zurückgekehrt. Unter diesen befand sich ein junger Mann, der sich eigentlich durch seine Figur und die Regelmäßigkeit seiner Gesichtszüge vorteilhaft auszeichnete, wenn nicht darin die verheerenden Spuren schlimmer Leidenschaften zu finden gewesen wären. Er hatte sich etwas abseits der übrigen Anwesenden gehalten um – Madelon beobachten zu können, welche seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte.

Sie hatte dies gar wohl bemerkt, aber doch so getan, als ob sie von derselben nicht die geringste Notiz nehme. Sie hatte es auch so eingerichtet, daß er stets von Nanon bedient wurde; einmal aber konnte sie es doch nicht vermeiden, daß er ihr sein leeres Glas entgegenhielt, um es sich von ihr füllen zu lassen.

Dieser junge Mann war Ribeau, von dem Berteu zu seinem Kutscher gesprochen hatte.

„Mademoiselle“, sagte er, indem sie ihm den Wein eingoß, „wissen Sie, daß Sie ein reizendes Wesen sind?“

„Soll das ein Kompliment sein?“ fragte sie frostig.

„Nein, es ist die reine Wahrheit. Werden Sie länger hier bleiben?“

„Ich reise bereits heute wieder ab.“

„Wie schade!“

„Wie gut!“

Sie hätte sich entfernen können, aber es drängte sie, ihn für seine auffällige Beachtung zu bestrafen; darum blieb sie diese kleine Weile bei ihm stehen.

„Wie gut, sagen Sie“, fuhr er fort. „Haben Sie mit Ihrer Heimat gebrochen? Gefällt es Ihnen nicht hier?“

„Allerdings nicht.“

„Aber Schloß Malineau ist doch schön.“

„Das ist wahr. Aber die Menschen hier sind mir nicht sympathisch.“

„Darf man die Gründe davon wissen?“

„Gewiß. Es gibt nur einen einzigen: Man weiß hier nicht die Augen zu beherrschen. Auch Blicke können unhöflich und beleidigend sein. Haben Sie das nicht gewußt?“

„Ah! Sie sind eine kleine, allerliebste Schlange! Aber ihr Gift tötet nicht; es wirkt vielmehr berauschend.“

„Nun, so nehmen Sie sich vor dem Katzenjammer in acht!“

Jetzt ging sie von ihm fort, gerade in dem Augenblick, in welchem Berteu zurückkehrte und auf ihn zugeschritten kam.

„Was hast du?“ fragte der letztere. „Du siehst ein wenig echauffiert aus.“

„Ich bin es auch. Ich hatte ein kleines Intermezzo, welches mich erregt hat.“

„Mit wem?“

„Mit deiner Schwester Madelon.“

„Ah! Einen galanten Wortwechsel?“

„Von meiner Seite, ja; sie aber war wenig höflich, das muß ich aufrichtig gestehen.“

„Du darfst es ihr nicht übelnehmen. Sie wohnt ja in Deutschland!“

„Allerdings. Im Land der Bären und Ochsen. Wie kann man da Umgangsform erwarten. Aber ein schönes Mädchen ist sie doch.“

Er folgte ihr auch jetzt noch mit begierigem Blick. Berteu bemerkte das mit innerer Befriedigung.

„Sie gefällt dir?“ fragte er.

„Ausnehmend. Alle Teufel! Du kennst mich. Sie ist zwar deine Schwester, aber eigentlich geht sie dich doch nichts an, und so glaube ich, sagen zu dürfen, daß –“

„O bitte, geniere dich nicht. Wir sind Freunde. Diese beiden Schwestern sind mir fremd. Übrigens kann ich dir sagen, daß mir Nanon ebensosehr gefällt, wie dir die andere.“

„Ah! Könnte sich nicht ein kleines Abenteuer entwickeln lassen?“

„Wie wir es gewohnt sind? Hm!“

„Nicht? Ja? Nein?“

„Vielleicht doch; aber es handelt sich dabei um die allergrößte Verschwiegenheit.“

„Pah, Alter! Ich dachte, daß du mich genügsam kennengelernt hättest! Übrigens höre ich, daß die beiden Mädchen heute schon wieder abreisen wollen?“

„Das haben sie sich allerdings vorgenommen.“

Ribeau sah seinen Freund mit einem fragenden, gespannten Ausdruck an.

„Aber sie reisen doch ab.“

„Ich sehe, daß ich dir mein Projekt erklären muß. So höre“, sagte dieser.

Er detaillierte seinen Plan. Jener hörte aufmerksam zu. Am Ende sagte er:

„Höre, Charles, wir haben manchen Streich ausgeführt, der heutige aber macht deiner Erfindung alle Ehre.“

„So bist du mit dabei?“

„Das versteht sich ganz von selbst. Aber, ich verlange diese kleine Schlange Madelon für mich.“

„Sie ist dein, notabene, falls du es verstehst, ihr Interesse zu erregen.“

„Keine Sorge; sie ist grob gegen mich gewesen. Das ist ein sicherer Beweis, daß sie sich für mich interessiert. Mit einem gleichgültigen Menschen ist man nicht grob; mit ihm spricht man gar nicht.!“

Damit war das Abenteuer besprochen. Und als dann später die Schwestern erklärten, daß sie aufbrechen wollten, war Ribeau überzeugt, zu seinen vielen Siegen einen neuen verzeichnen zu können.

Nachdem die Kutsche mit Nanon und Madelon abgegangen war, erklärte Berteu seiner Mutter, daß er sich für einige Zeit entfernen wolle.

Er steckte hierauf einige Flaschen Wein und vier Gläser zu sich und machte sich mit Ribeau auf den Weg. Indem sie nebeneinander durch das nächtliche Dunkel schritten, war es Berteu, als ob er einen eigentümlichen, menschlichen Laut vernommen habe.

„Horch!“ sagte er. „War das nicht wie ein Stöhnen hier links im Wald?“

„Pah! Der Wind geht durch die Äste.“