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Es war ein schöner Tag geworden, und Herr Hieronymus Aurelius Schneffke benutzte gleich den Vormittag, um zu Fuß nach Schloß Malineau zu wandern. Da er sich Zeit ließ, kam er erst um die Mittagszeit dort an.

Er war sich einer Art von diplomatischer Sendung bewußt, und da Diplomaten schweigsame Leute sein sollen, so ließ er sich, als er in der Schenke sein Mahl einnahm, mit dem Wirt in kein Gespräch ein, obgleich dieser sich Mühe gab, sich über die Naturgeschichte des dicken Männchens Aufklärung zu verschaffen.

Nach Tisch nahm er Mappe und Feldstuhl und spazierte nach dem Schloß. Es fiel ihm gar nicht ein, dasselbe zu betreten und seine Erkundigungen zu beginnen. Nach seiner Ansicht mußte man mit ihm selbst anfangen, und damit hatte er recht.

Er suchte sich also einen passenden Punkt, plazierte sich dort auf den Feldstuhl, öffnete die Mappe und begann zu zeichnen.

Es dauerte nicht lange, so kam ein junger Mann daher. Er näherte sich, grüßte und trat nach rückwärts, um einen Blick auf das begonnene Bild zu werfen.

„Ah, Sie sind Maler, Monsieur?“ fragte er.

„Ja“, nickte Schneffke.

„Sind Sie Franzose?“

Sollte er sagen, daß er ein Deutscher sei? Nein, das fiel ihm gar nicht ein.

„Pole.“

„Ihr Name?“

„Schneffka.“

„Zeichnen Sie das Schloß in irgendeinem Auftrag?“

„Nein, ich male nur zum Vergnügen.“

„Verzeihen Sie, daß ich so zudringlich frage. Mein Vater ist gestern beerdigt worden und hat uns einige kleine Gemälde hinterlassen, deren Wert wir nicht kennen. Ein wirklicher Künstler hat sich hier noch niemals sehen lassen. Darum wäre es mir lieb, wenn Sie mir erlaubten, Ihnen die Bilder einmal zu zeigen.“

„Wo befinden sie sich?“

„Im Arbeitszimmer meines Vaters. Mein Name ist Berteu. Würden Sie sich vielleicht einmal in meine Wohnung bemühen?“

„Meinetwegen.“

Er klappte seine Mappe zu, griff zum Feldstuhl und folgte dem Voranschreitenden nach der Verwalterwohnung. Er tat, als sei ihm an der Inkommodation gar nicht viel gelegen, freute sich aber doch im stillen über dieselbe.

Charles Berteu führte ihn in das Zimmer, in welchem er gestern über den Rechnungsbüchern gesessen, dann die Schwester empfangen und endlich auch die Unterredung mit dem Kutscher gehabt hatte.

Es hingen da drei kleine Landschaften, von Anfängern gemalt. Sie waren fast gar nichts wert, aber Hieronymus nahm doch eine Miene an, als ob es sich um nichts Unbedeutendes handle. Es war ihm darum zu tun, einen Tag oder einige Tage hier verweilen zu dürfen.

„Nun?“ fragte Berteu.

„Schade, sehr schade!“

„Wieso?“

„Ich taxiere das Stück auf durchschnittlich fünfhundert Francs.“

„Alle Wetter! Wirklich?“

„Das haben sie jedenfalls gekostet, vielleicht noch mehr. Man hat es aber nicht verstanden, sie zu behandeln. Sie haben sehr gelitten.“

„O weh!“

„Ja, leider. Jetzt sind sie zusammen kaum zehn Franken wert, könnten aber leicht auf ihren früheren Wert und auch höher kommen, wenn sie gereinigt und renoviert würden. Das muß aber von einem guten Meister geschehen.“

„Ist das teuer?“

„Gewiß. Doch gibt es Maler, welche eine gewisse Leidenschaft für dergleichen Arbeiten haben. Sie arbeiten dann oft ohne Honorar.“

„Ah, so einer sollte sich hier einfinden.“

Schneffke nickte leise vor sich hin, tat aber, als ob er die Andeutung gar nicht verstanden habe, sondern beschäftigte sich noch weiter mit den Bildern.

„Renovieren Sie auch?“ fragte Berteu.

„Nur aus Liebhaberei, und dann auch nur Landschaften.“

„Das hier sind ja Landschaften.“

„Allerdings.“

„Sagen Sie, Monsieur, ob Sie diese Gegend vielleicht bald wieder verlassen.“

„Ich bin Herr meiner Zeit; ich kann kommen und gehen, ganz wie es mir gefällt und beliebt.“

„So würde ich wünschen, daß es Ihnen hier bei uns gefallen möchte. Vielleicht würden Sie sich entschließen, sich ein wenig mit diesen drei Landschaften zu beschäftigen.“

„Das wäre möglich. Nur glaube ich nicht, daß ich länger als einen Tag hier bleibe.“

„Darf ich den Grund wissen?“

„Sagen Sie selbst, ob ein Künstler in Ihrer Schenke Wohnung nehmen kann!“

„O, wenn es das ist, so wäre ja ganz leicht geholfen. Ich würde Ihnen hier bei mir ein helles, freundliches Zimmer anbieten. Und wenn Sie mich mit dem Honorar nicht zu sehr anstrengen, so – ich gehöre nämlich nicht zu den reichen Leuten.“

„Na, wollen einmal sehen. Zeigen Sie mir das Zimmer!“

Berteu führte ihn nach dem besten Raum, der ihm zur Verfügung stand, und worin es dem guten Hieronymus ganz gut gefiel.

„Nun, Monsieur, wie werden Sie sich entscheiden?“

„Ich will Ihnen sagen, Monsieur, eigentlich macht man so etwas nicht; man vergeudet seine Zeit und seine Kraft; aber Sie selbst gefallen mir, und Ihre drei Bildchen sind wirklich nicht übel; ich werde hierbleiben und Sie Ihnen renovieren, ohne Bezahlung von Ihnen zu nehmen, vorausgesetzt, daß Sie mich nicht geradezu verhungern oder verdursten lassen.“

„Topp, Monsieur! Das soll ein Wort sein!“

Sie schlugen ein. Charles Berteu freute sich bei dem Gedanken, wertvolle Bilder zu erhalten. Er nahm sich natürlich vor, sie sofort zu verkaufen. Der dicke Maler hatte mit einem Schlag seine ganze Zuneigung gewonnen. Er mußte gleich dableiben.

Schneffke begann auch bereits an diesem ersten Tag an den Bildern zu arbeiten, doch nahm er sich vor, sich nicht etwa zu beeilen. Er wollte hier soviel wie möglich für seinen alten Herrn Untersberg erfahren, der ihm ja ein so reichliches Reisegeld gezahlt hatte. Übrigens hatte sich seine Gouvernante ganz plötzlich in eine Engländerin verwandelt. Das mußte verschmerzt werden, und das vergißt sich ja bekanntlich am leichtesten und schnellsten entweder bei fleißiger Arbeit oder regem gesellschaftlichem Verkehr.

Am anderen Morgen saß er an der Staffelei, welche er sich improvisiert hatte, als Frau Berteu bei ihm eintrat, um ihm das Frühstück zu bringen. Er hatte eines ihrer drei Bilder vorliegen, und da er gerade darüber war, das Gras noch grüner, den Himmel noch blauer und die Sonne noch gelber zu machen, so war sie ganz entzückt von der prächtigen Akquisition, die ihr in diesem großen Künstler geradezu in das Haus gelaufen war.

Er hatte das Fenster offen, und vor seinem Auge lag die wunderbar entworfene Seitenfassade des Schlosses.

„Madame“, fragte er, „wem gehört eigentlich dieses Schloß?“

„Dem Herrn General Grafen von Latreau.“

„Das muß ein sehr reicher Herr sein!“

„Steinreich.“

„Wo wohnt er?“

„In Paris.“

„Solch reiche Herren von Adel pflegen sehr oft Freunde der Kunst zu sein. Befinden sich hier im Schloß Gemälde?“

„Einige.“

„Ah, die möchte ich mir einmal ansehen. Würden Sie nicht die Gewogenheit haben, mir die Erlaubnis dazu zu erteilen?“

Ihr Gesicht nahm sofort einen ganz anderen, abstoßenden Ausdruck an.

„Dazu habe ich nicht das Recht“, sagte sie.

„Wer sonst?“

„Der Beschließer.“

„Es gibt also außer dem Verwalter hier noch extra einen Beschließer, selbst wenn die Herrschaft sich nicht hier befindet, und wo wohnt der Mann?“