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„Tut es Ihnen leid, daß wir miteinander gefallen sind, Mademoiselle?“

„Es war ungeschickt von mir!“ antwortete sie.

„Nein, es war im Gegenteil sehr geschickt. Sie glauben gar nicht, wie gern ich falle, zumal mit Ihnen. Und wissen Sie vielleicht, warum?“

„Wie sollte ich?“

„Nun, es gibt einen alten Glauben. Wenn ein Herr und eine Dame, welche beide unverheiratet sind, gemeinschaftlich fallen; so – so – hm, so gibt es bald eine fröhliche Hochzeit!“

„Monsieur!“

Sie sprach dieses Wort in einem Ton aus, der allerdings einigermaßen verwahrend genannt werden konnte, aber doch nicht im mindesten zornig klang. Ein liebliches Rot lag auf ihren Wangen, und ihre Augen blickten keineswegs grimmig auf den Sprecher.

„Na“, meinte der Alte, „der Herr macht ja nur Scherz! Ah, man klopft! Wer mag kommen?“

Der Maler wollte sich schnell empfehlen, aber der Beschließer winkte ihm, zu bleiben, und sagte:

„Bitte, Sie stören gar nicht. Es ist jedenfalls eine ganz unbedeutende Angelegenheit.“

Er ging, um zu öffnen. Ein elegant gekleideter junger Mann trat ein. Er grüßte höflich und sagte:

„Entschuldigung, meine Herrschaften! Ich heiße Martin und bin aus Roussillon. Ich reise für ein bedeutendes Weinhaus. Darf ich vielleicht fragen, ob Sie Bedarf haben?“

„Ah! Sapperment!“ erklang es da von der Seite her, auf welcher Schneffke stand.

Er hielt die Augen wie in starrer Verwunderung auf den Eingetretenen gerichtet. Dieser drehte sich zu ihm, und auch sein Blick glänzte eigentümlich auf, zeigte aber bereits im nächsten Augenblick keine Spur mehr davon.

„Danke!“ sagte Melac. „Ich bin nur Beschließer dieses Schlosses. Meine Mittel erlauben mir nicht, Wein in den Keller zu legen.“

„Aber der Besitzer? Vielleicht –?“

„Er ist nicht anwesend.“

„Wohl verreist?“

„Nein. Er lebt in Paris. Es ist Seine Exzellenz, der Herr General Graf von Latreau.“

„General Graf von Latreau?“ fragte der Weinreisende im Ton großer Verwunderung. „Ah, bei diesem Herrn bin ich in den letzten Tagen oft gewesen, bei ihm und Komtesse Ella, seiner Enkelin.“

„Wie? Sie kennen den gnädigen Herrn?“

„Ja. Haben Sie nicht gehört, was sich mit dem gnädigen Fräulein ereignet hat?“

„O doch! Es stand ja in allen Zeitungen. Heute vormittag las ich, daß sie errettet worden ist. Ich bin fürchterlich erschrocken, und danke mit den Meinen Gott, daß dieser Anschlag zunichte wurde. Es soll ein Weinreisender gewesen sein, welcher –“

Er hielt inne, blickte den Fremden betroffen an und fuhr dann fort:

„Ah, Sie sagten, daß Sie in den letzten Tagen bei dem General gewesen seien? Und Sie sind Weinreisender! Monsieur, Sie sind doch nicht etwa ganz derselbe?“

„Wer?“ fragte der andere lächelnd.

„Der das gnädige Fräulein gerettet hat?“

„Nein; das war mein Herr, nämlich Monsieur Belmonte, aber ich war dabei und habe mitgeholfen.“

„Wirklich? Wirklich? Welch ein Zufall, daß Sie nun nach Malineau kommen. Monsieur, bitte, gehen Sie noch nicht fort! Haben Sie die Güte, uns von diesem Ereignis zu erzählen!“

„Gern, wenn Sie sich so dafür interessieren, obgleich ich eigentlich meine Zeit dem Geschäft zu widmen habe.“

„Das werden Sie nachholen. Haben Sie diese Gegend bereits einmal bereist?“

„Nein.“

„Nun, so werde ich Ihnen die Namen aller nennen, welche Wein kaufen; auf diese Weise kann ich Ihnen erkenntlich sein, und Sie holen das Versäumte nach. Monsieur Schneffka, auch Sie dürfen jetzt nicht gehen. Sie müssen die Erzählung dieses merkwürdigen Ereignisses mit anhören. Bitte, setzen Sie sich, meine Herren!“

Man nahm am Tisch Platz; die Gläser wurden gefüllt, und der Reisende begann zu erzählen.

Eine Stunde später empfahl er sich, von dem Dank des Beschließers begleitet. Der Maler ging zu gleicher Zeit. Als sie sich im Freien befanden und sich unbeobachtet wußten, fuhr es dem Maler heraus:

„Donnerwetter! Ich dachte, nicht recht zu sehen!“

„Und ich traute meinen Augen nicht!“

„Du hier in Malineau!“

„Und du auch!“

„Du ein Weinreisender aus Roussillon namens Martin!“

„Martin ist mein Vorname! Aber du als Monsieur Schneffka, als ein Pole! Was soll das heißen?“

„Hm! Was soll dein Weinreisender heißen. Ein Berliner Telegrafist als Weinreisender!“

„Ja, ja! Es kommen wunderbare Dinge vor in der Welt, mein lieber Hieronymus Aurelius Schneffke. Ich glaube, zu erraten, weshalb du hier bist.“

„Nun, weshalb?“

„Um Tierstudien zu machen jedenfalls nicht! Also anthropologische Angelegenheiten: Menschenstudien?“

„Du triffst beinahe das richtige.“

„Diese kleine, allerliebste, dicke Marie Melac?“

„Hm! Ja!“

„Wird sie anbeißen?“

„Ich denke es.“

„Ich nicht.“

„Warum nicht?“

„Weil ich dein berühmtes Pech kenne.“

„Unsinn! Ich lernte kürzlich sogar eine Gouvernante kennen, mit welcher ich nach Frankreich fuhr.“

„Du warst natürlich sofort Feuer und Flamme!“

„Ja, es wurde mir allerdings ein bißchen heiß; aber –“

„Na, was für ein aber ist es?“

„Als wir nach Thionville kamen, war aus der Gouvernante die Tochter eines englischen Lords geworden.“

„Allerdings verteufeltes Pech. Die Sache ist also, daß du eine vornehme Engländerin für eine Gouvernante gehalten hast, nicht wahr?“

„So ungefähr.“

„Das kann Herrn Hieronymus Schneffke leicht passieren. Und nun bist du bereits wieder getröstet, wie ich sehe.“

„Ganz und gar. Ich habe schon das Glück gehabt, mit dieser allerliebsten Marie in die Stube zu purzeln.“

„Hahahaha. Ein gutes Omen!“

„Welches auf Hochzeit deutet.“

„Hoffentlich! Aber, nun einmal ernsthaft. Was tust du hier in Frankreich?“

„Es war eine Studienreise, während welcher ich zufälligerweise hierher kam. Und du? Du warst also in Paris?“

„Ja.“

„Und die Geschichte, welche du erzähltest, ist wirklich passiert?“

„Ganz genau so.“

„Wer aber ist denn dieser Belmonte?“

„Der Rittmeister von Hohenthal.“

„Donnerwetter! Sollte ich das Richtige ahnen?“

„Nun, was ahnst du?“

„Hm. Ich bin doch auch Soldat.“

„Landwehrmann.“

„Landwehrunteroffizier, willst du wohl sagen.“

„Gut! Also weiter.“

Der dicke Maler machte ein sehr gescheites Gesicht und fuhr fort:

„Man munkelt von Krieg.“

„Man munkelt das sogar sehr vernehmlich.“

„Zwischen Preußen und Frankreich.“

„Natürlich nicht zwischen Preußen und Honolulu.“

„Da werden sogenannte Eclaireurs geschickt.“

„Vermutlich.“

„So einer ist dein Rittmeister und du auch?“

„Ich bestreite es dir gegenüber nicht, da ich dich als einen verschwiegenen Jungen kenne.“

„Keine Sorge! Denkt ihr wirklich, daß es losgeht?“

„Ja, und zwar bald.“

„Sapperment! Da kann ich machen, daß ich nach Hause komme.“

„Ja, troll dich heim. Man wird dich brauchen.“

„Einige Tage muß ich noch hier bleiben, wenigstens zwei.“

„Wegen der Marie?“

„Wegen eines Bildes, welches ich auszubessern habe.“

„Ach so! Dann ist deine Studienreise zu Ende, und du fährst direkt nach Berlin.“

„Nicht direkt. Ich nehme unterwegs Absteigequartier bei Thionville. Es gibt da ein Schloß, welches Ortry heißt.“

Martin Tannert wurde aufmerksam.

„Ortry?“ fragte er. „Ah! Was willst du dort?“