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„Eigentlich nicht!“

„Also, Sie wollen wirklich nicht verzeihen? Hier, Monsieur, stoßen wir an! Schließen wir Frieden!“

Er hielt dem Maler das Glas entgegen. Dieser tat, als werde es ihm nicht leicht, so schnell sein Bedenken zu überwinden, stieß aber doch mit ihm an.

„Na, da mag es also sein. Bleiben wir einig!“ sagte er schließlich.

„Und Sie warten meine Rückkehr ab?“

„Ja, wenn auch nicht hier, so doch in Etain, wo ich, wie ich bereits sagte, mit meiner Braut zusammentreffe.“

Sie saßen noch einige Zeit beisammen, sich von gleichgültigen Dingen unterhaltend; dann trennten sie sich.

Nachdem der Maler gegangen war, sagte Berteu zu sich:

„Er tut so unschuldig. Soll ich ihm trauen? Er sieht ganz und gar nicht pfiffig aus, aber dennoch kommt er mir vor wie einer, der es faustdick hinter den Ohren sitzen hat. Ich werde doch scharfe Augen auf ihn haben müssen!“

Und als Schneffke in seinem Zimmer angekommen war, brummte er vor sich hin:

„Ein wunderbar schlechter Kerl, und dabei zehnmal dümmer, als er aussieht! Der und mich ausfragen! Da müssen doch ganz andere kommen! Übermorgen um Mitternacht bin ich in dem Steinbruch bei Ortry.“

SECHSTES KAPITEL 

Zwei Agenten treffen sich

Als er am anderen Morgen aufgestanden war und sein Frühstück erhielt, hörte er, daß Berteu bereits ausgegangen sei. Er machte sich zunächst mit den alten Bildern des Verwalters zu schaffen und begab sich sodann hinüber in das Schloß zur Familie Melac.

Er wunderte sich, als er bemerkte, daß man sämtliche Fenster geöffnet und die Gardinen zurückgeschlagen habe. Als er eintrat, empfing ihn der alte Schließer mit dem freudigen Ausruf:

„Monsieur, wenn Sie wüßten, was für eine gute Botschaft wir gestern abend spät noch erhalten haben!“

„Ich errate es“, antwortete er.

„Nun?“

„Sie bekommen Besuch.“

„Richtig! Aber wer kommt?“

„Sie lüften das ganze Schloß, folglich kommt der Besitzer.“

„Erraten, erraten. Fast gegen Mitternacht erhielten wir noch diese Depesche.“

Er zeigte dem Maler dieselbe. Sie lautete:

„Morgen kommen wir. Graf Latreau.“

„Was sagen Sie dazu?“ fragte er dann.

„Daß Sie Ihre Herrschaft sehr lieb haben müssen. Das sehe ich an Ihrer Freude, die Sie empfinden. Und ferner sage ich dazu, daß ich nun gleich wieder gehen kann.“

„Gehen? Warum?“

„Sie werden keine Zeit haben, sich mit einem so fremden Mann zu beschäftigen.“

„Oh, wir haben die ganze Nacht gearbeitet. Mutter und Marie sind droben bei den Gardinen. Wollen Sie einmal mit?“

„Gern, sehr gern.“

Der Beschließer führte den Maler hinauf in die gräflichen Gemächer, wo Mutter und Tochter beschäftigt waren. Er wurde von beiden herzlich willkommen geheißen. Er wußte gar nicht, wie es kam, aber bald stand er selbst auf der Gardinenleiter, und die alte, brave Beschließerin schlug immer die Hände zusammen und rief:

„Vater, siehst du es denn auch?“

„Was diesen?“

„Dieser Unterschied.“

„Zwischen den alten Gardinen und neugewaschenen?“

„O weh! So ein Mann! Ich meine, in welcher Art und Weise Monsieur seine Arrangements trifft. Das hat Chic und Schmiß. Man merkt es, daß er ein Künstler ist.“

Der kleine Hieronymus bewegte sich in wahrhaft halsbrecherischer Weise auf seiner Leiter; heute kam es ihm kein einzigesmal in den Sinn, zu stolpern oder gar herabzufallen.

Gegen Mittag war die Arbeit getan. Die Wohnung stand zum Empfang der Herrschaft bereit. Schneffke wurde zum Essen eingeladen und machte sich dann an das Pastellbild, an welchem er noch einige vollendende Striche vorzunehmen hatte.

Vater und Mutter befanden sich in den herrschaftlichen Zimmern; nur Marie saß bei ihm, mit einer Häkelarbeit beschäftigt, wobei sie von Zeit zu Zeit einen bewundernden Blick auf das Porträt warf und auf den Maler, welcher keine Sekunde und kein Wort für sie übrig zu haben schien.

Endlich legte er den Pastellstift weg, trat vom Bild zurück und betrachtete es.

„Fertig?“ fragte sie.

„Ja“, nickte er.

Da kam sie zu ihm, stellte sich an seine Seite und ließ ihre guten Augen auch auf dem Gemälde ruhen.

„Es ist doch wunderbar, so etwas fertigzubringen“, sagte sie. „Wie macht man so ein Lächeln, so einen Blick, der sich doch eigentlich gar nicht beschreiben läßt?“

Er sah ihr in die Augen und antwortete:

„Wie bringen Sie das Lächeln fertig, welches jetzt soeben um ihre Lippen spielt?“

Sie errötete.

„Und wie bringen Sie diesen tiefen, feuchten und doch so reinen Blick fertig, welcher jetzt aus Ihrem Auge fällt?“ fuhr er fort. „Wissen Sie, daß Sie ein Auge haben, ein Auge, hm, ich finde den rechten Ausdruck nicht; aber wenn man Ihnen in dieses Auge blickt, so – so – so –“

Er stockte. Sie sah in fragend an und darum fügte er hinzu, aber im vorsichtigsten Ton:

„So möchte man – hm! Darf ich es sagen?“

Sie nickte nur.

„Aber Sie werden mir bös werden.“

„Nein; nie!“

„Ah! Wirklich nie, Mademoiselle?“

„Ich kann mir nicht denken, daß es etwas gibt, weshalb ich Ihnen zürnen könnte“, antwortete sie freundlich.

„Aber das, was ich Ihnen sagen wollte, das ist doch etwas, worüber Sie zornig werden könnten.“

„Versuchen Sie es einmal!“

„Nun, ich wollte sagen: Wenn man Ihnen in diese guten, lieben Augen blickt, da möchte man Sie – – – küssen!“

Er mußte das letztere Wort fast mit Gewalt herausstoßen. Über ihr Gesicht flog eine dunkle Glut, und es war, als ob sie sich von ihm abwenden wolle.

„Sehen Sie, Mademoiselle“, sagte er, „daß Sie mir zürnen! Sie gehen fort!“

Da wendete sie sich schnell um. Ihr Gesicht war unbefangen, und helles Lachen ertönte von ihren Lippen.

„Sind denn meine Augen gar so lieb und gut?“ fragte sie.

„Ganz und gar!“

„Und so ein Kuß ist wohl etwas sehr Wertvolles?“

„Ungeheuer“, nickte er.

„Hm! Das habe ich bisher noch gar nicht gewußt.“

„Herrgott von Mannheim. Wenn ich es Ihnen doch einmal beweisen könnte!“

„Wozu? Ich müßte es bereits längst schon wissen.“

Er fuhr doch ein wenig zurück.

„Bereits wissen? Wieso? Haben Sie einen Schatz?“

„Nein.“

„Aber gehabt?“

„Auch nicht, wie ich Ihnen bereits gesagt habe.“

„Aber wie können Sie da sagen, daß Sie es längst wissen müßten, daß ein Kuß so kostbar ist?“

„Weil ich schon geküßt habe.“

„Alle Wetter! Keinen Geliebten und doch geküßt?“

„Ja.“

„Aber wen denn in aller Welt?“

„Na, den Vater und die Mutter!“

Er holte tief Atem, schlug die Hände zusammen und sagte:

„Ich Esel! Das konnte ich mir doch gleich denken. Aber, Mademoiselle, das ist nichts; das ist ganz und gar nichts. Was man dem Vater oder der Mutter, dem Bruder oder der Schwester gibt, das ist niemals ein Kuß zu nennen.“

„Nicht? Wie soll man es denn nennen?“

„Hm! Es heißt auch ein Kuß; aber es ist keiner.“

„Das begreife ich nicht.“

„Wenn ich es Ihnen nur begreiflich machen könnte. Aber mit Worten geht das nicht.“

„Auch nicht mit dem Pastellstift?“

„Nein.“

„Oder dem Pinsel?“

„Vollends gar nicht.“

„So werde ich wohl darauf verzichten müssen.“

„Das ist schade, jammerschade.“

Er warf dabei einen so sehnsüchtigen Blick auf ihre vollen, roten Lippen, daß sie sich diesesmal wirklich von ihm abwendete. Sie setzte sich; er zog sich einen Stuhl in ihre Nähe und betrachtete sie, wie ihre kleinen, dicken Fingerchen so gewandt mit der Häkelnadel umgingen. Es kamen ihm da allerlei Gedanken, welche aber alle auf nur eins hinausliefen. Und da entfuhr es ihm ganz unwillkürlich: