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Frau Melac mußte herzlich lachen. Sie meinte:

„Ich wiederhole, daß Sie Ihre Bilder vortrefflich zu wählen verstehen. An Ihnen ist ein zarter lyrischer Dichter verdorben. Nicht?“

„Vielleicht drücke ich mich in späteren Jahren kräftiger aus. Jetzt ist man jung und zart besaitet. Wenn einen später das Leben in die Schule nimmt, so wird man mürrisch, bekommt das Podagra und dichtet nur noch tragische Szenen.“

„So wünsche ich, daß Sie möglichst lange jung bleiben.“

„Da gebe ich Ihnen ohne alle Abstimmung meine Zustimmung. Aber nun einmal ohne Scherz, Madame! Hier meine Hand. Sind Sie mir bös, daß mein Herz mich getrieben hat, zu Marie von Liebe zu sprechen?“

„Ich kann Ihnen nicht zürnen. Kein Mensch kann die Stimme seines Herzens zum Schweigen bringen. Nur hat man die Pflicht, auch den Verstand sprechen zu lassen.“

„Oh, das tue ich ja.“

„Und glauben Sie, daß die Stimme der Vernunft in diesem Fall mit derjenigen des Herzens im Einklang stehen werde?“

„Ich bin überzeugt davon.“

„Aber wir wohnen in Frankreich, und Sie wohnen im Ausland. Wollen Sie uns das einzige Kind so weit fort entführen?“

Er schüttelte den Kopf und antwortete:

„Tragen Sie keine Sorge. Ich bin frei. Der Maler ist an keinen Ort gebunden. Überhaupt ist es mir auch noch gar nicht beigekommen, Ihnen oder Marie ein bindendes Wort abzufordern.“

„Ah! Wie habe ich das zu verstehen?“

„Ich habe Marie gesagt, daß ich sie liebe, und sie hat mir das gleiche erwidert. Dann kam der Graf und jetzt muß ich fort. Wir haben also über unsere Zukunft noch kein Wort sprechen können.“

„Ich glaubte, das sei in Ordnung gebracht?“

„Nein. Ich allerdings werde mich für gebunden betrachten. Komme ich wieder, und Marie ist noch frei, dann werde ich mir Mühe geben, Ihnen zu beweisen, daß ich Ihres Kindes nicht ganz unwert bin. Sagen Sie dann ja, so werden Sie mich glücklich machen.“

„Das ist ehrenwert, Monsieur. Meine Sympathie haben Sie. Weiß mein Mann davon?“

„Nein.“

„Soll er es erfahren?“

„Das überlasse ich am besten Ihnen.“

„Werden Sie noch vor Ihrer Abreise mit ihm sprechen?“

„Ich muß fort und weiß nicht, ob er Zeit hat.“

„Ich glaube allerdings kaum, daß er eine Minute für Sie erübrigen kann. Er ist beim gnädigen Herrn und kann nicht um Entlassung bitten.“

„So muß es genügen, Sie von unserer Herzensangelegenheit unterrichtet zu haben. Werden Sie mir erlauben, Marien zuweilen eine Zeile zu senden?“

„Gern, Monsieur. Hoffentlich sehen wir Sie bald wieder?“

„Ich wünsche es. Schreiben muß ich Ihnen auf alle Fälle, da ich Sie ja über die Familie Bas-Montagne unterrichten muß. Jetzt darf ich Sie nicht länger zurückhalten. Bitte, nehmen Sie eine Hand des Dankes und des Abschieds. Seien Sie überzeugt, daß ich ein ehrlicher Mann bin und daß Sie mir das Glück Ihres Kindes anvertrauen können.“

„Ich glaube es. Leben Sie wohl, Monsieur.“

Sie hatte sich erhoben und reichte ihm ihre Hand, die er an seine Lippen drückte. Er wollte gehen; sie aber sagte:

„Warten Sie noch einen Augenblick. Soviel kann der Fuhrmann schon noch warten.“

Sie ging.

„Sackerment, jetzt wird sie mir den Alten auf den Hals schicken“, brummte Schneffke. „Na, mir auch recht! Es ist ganz in der Ordnung, auch mit dem Vater zu sprechen, nachdem man mit der Tochter und der Mutter gesprochen hat.“

Er mußte ein Weilchen warten; dann trat – Marie ein. Das war eine frohe Überraschung.

„Marie!“ rief er. „Mutter hat also bedeutend mehr Verstand als dieser Lakai, mit dem ich noch einige Worte im Vertrauen sprechen möchte.“

„Zweifelst du daran?“

„Nein, nachdem, was ich mit ihr gesprochen habe. Sie hat dich geschickt?“

„Ja; aber so schnell willst du fort?“

„Ja. Draußen warten bereits die Pferde.“

„Aber du wirst schreiben?“

Da zog er sie an sich und fragte:

„An wen, mein Engel? An den Vater?“

„Doch wohl auch an mich?“

„Ja, wenn ich gewiß wüßte, daß du meine Zeilen auch lesen wirst.“

„Gern, herzlich gern. Ich werde täglich einen Brief erwarten.“

„Kind, das ist zuviel verlangt. Sagen wir monatlich!“

„Das ist zuwenig.“

„Wöchentlich?“

„Das mag eher gehen.“

„Und du antwortest mir auch?“

„Ja, obgleich ich diese Art von Briefen noch nicht geschrieben habe.“

„Oh, das lernt sich leicht. Übrigens will ich dir einen kleinen Fingerzeig geben: Du schickst mir allemal einen tüchtigen Kuß mit.“

„Wie macht man das?“

„Man macht mit der Feder einen Kreis auf das Papier, gerade so groß, daß man die Lippen, wenn man sie spitzt, hineinbringt. Dann schreibt man in diesen Kreis das Wort ‚ein Kuß‘, und wenn es trocken geworden ist, setzt man den Kuß auch wirklich hinein.“

„Bleibt er drin?“

„Wenn das Kuvert gut ist, ja.“

„Und was wird dann später mit ihm?“

„Ich nehme mir ihn weg.“

„Womit? Mit den Fingern?“

„Nein, sondern mit der Beißzange, du kleiner, lieber Spaßvogel du!“

„Glaubst du, daß meine Küsse aus einem so harten, festen Material bestehen?“

„Das wollen wir sogleich einmal probieren.“

Und sie probierten solange, bis draußen der Fuhrmann durch ein lautes Peitschenknallen seine Ungeduld zu erkennen gab.

„Hörst du“, meinte der Maler. „Dieser Mensch ist ganz sicher höchst unglücklich verheiratet, sonst würde er uns diese paar Minuten gönnen. Also, lebe wohl, mein Leben.“

„Lebe wohl und – bleibe mir treu.“

Eine Minute später rollte der Wagen mit dem glücklichen Hieronymus von dannen. – – –

Charles Berteu hatte sich während des ganzen Tages nicht zu Hause sehen lassen. Erst am Spätnachmittage kehrte er zurück. Seine Mutter kam ihm ängstlich entgegen.

„Wo bleibst du solange?“ fragte sie. „Ich habe mit größter Ungeduld auf dich gewartet.“

„Warum?“ antwortete er rasch.

„Das weißt du noch nicht?“

„Was soll ich wissen? Ich hatte in der Pulvermühle zu tun. Da war ich bis jetzt.“

„Ohne es mir zu sagen. Hätte ich es gewußt, so konnte ich zu dir schicken, um dich holen zu lassen.“

„War es so notwendig?“

„Hast du denn nicht gesehen, daß sämtliche Vorhänge des Schlosses emporgezogen sind?“

„Die Rouleaux? Das habe ich gesehen. Jedenfalls stäubt man die Zimmer aus.“

„Nein. Der General ist angekommen.“

Er stand starr.

„Der General?“ fragte er. „Allein?“

„Nein, sondern mit dem Fräulein und sämtlicher Dienerschaft.“

„So bleibt er hier?“

„Wie es scheint.“

„Alle Teufel! Sein Kommen war, da der Vater gestorben ist, zu erwarten; aber so bald!“

„Er hat nach dir geschickt.“

„Auch das noch.“

„Du sollst die Bücher mitbringen und das Verzeichnis der Vorräte. Er will abschließen.“

„Himmeldonnerwetter! Da geht es dem Vater noch im Grabe schlecht.“

„Er ist zu unvorsichtig gewesen. Er konnte und mußte es viel klüger anfangen. Jetzt geht es auch uns an den Kragen.“

„Uns? Uns kann kein Mensch etwas tun.“

„Aber die Stelle.“

„Die wäre ja auf alle Fälle verloren gewesen. Oder glaubst du etwa, daß der General mich als Verwalter angestellt hätte?“

„Nein. Aber jetzt sei nun aufrichtig! Haben wir etwas beiseite gebracht?“

„Nein. Es ist alles verbraucht worden.“