Выбрать главу

Er wollte weitergehen, da aber rief der andere, doch ohne den Hut noch zu entfernen:

„Richard, alter Junge! Das wirst du doch gerade mir nicht antun! Komm her! Mach mir den Spaß, und nimm den verteufelten Hut weg, damit sich meine Seele an deinem Gesicht weiden kann!“

Er zögerte. Ein Bekannter mußte es sein, darüber gab es gar keinen Zweifel. Er sprang also über den Straßengraben, bückte sich über den noch immer in dem Gras Liegenden und schob den Hut zur Seite. Sein Erstaunen war allerdings ebenso groß wie freudig.

„Hohenthal! Arthur! Wer hätte das vermutet!“

„Ich dachte auch nicht, dich gleich hier zu treffen“, antwortete der angebliche Weinhändler, in dem er endlich aufsprang.

„Du hier im Gras! So unverhofft!“

„Und du hier mit dem Buckel! Mensch, Kamel oder vielmehr, Dromedar, denn du hast ja nur einen Höcker! Wie siehst du aus!“

„Sehr distinguiert! Nicht wahr?“

„Ja. Dieses Haar, diese Farbe! Man könnte sich totlachen, wenn man nicht da in der Nähe Franzosen wüßte!“

„Aber doch scheint meine Verkleidung höchst unzureichend zu sein.“

„Warum?“

„Weil du mich sofort erkannt hast.“

„Das bilde dir nicht ein! Ich wußte, daß du auf Schloß Ortry haust; ich wollte dich besuchen. Daher kam es, daß ich dich erkannte, sonst aber nicht.“

„Mich besuchen?“

„Ja, natürlich.“

„Du kommst aus Paris?“

„Über Metz.“

„Wo hast du Station?“

„An letzterem Ort.“

„Welche Geschäfte?“

„Sehr gute. Und du?“

„Auch nicht schlecht.“

„Ich komme, um dir einige Mitteilungen zu machen, welche für dich von allergrößter Wichtigkeit sind. Hast du Zeit?“

„Für solche Angelegenheiten und für deine Person natürlich stets, lieber Arthur.“

„Gut! Aber wollen wir unsere Konferenz gleich hier abmachen? Gibt es keinen besseren Ort?“

„Hm!“ antwortete Müller, sich umblickend. „Wir müssen unbeobachtet sein!“

„Wenigstens unbelauscht!“

„Na, da an der Schenke ist eine Laube. Nicht?“

„Ja, ein Glas Wein oder Bier käme mir recht. Ich bin durstig gelaufen.“

„So komm!“

Sie schritten auf die Schenke zu. Da kam eine Equipage daher gerollt. Marion saß ganz allein in derselben. Müller blieb stehen und grüßte höflich. Hohenthal tat infolgedessen dasselbe.

„Himmelelement!“ sagte er, als der Wagen vorüber war. „Das war eine Schönheit!“

„Nicht wahr?“

„Pikfein! Wer das haben könnte!“

Er schnalzte mit der Zunge, wie ein Weinkenner, welcher einen guten Tropfen geschmeckt hat.

„Du hast doch stets Appetit!“ lachte Müller.

„Du nicht auch? Nein, du lebst nur für den Dienst des Königs, nicht aber für den viel süßeren der Frauen. Wer übrigens war diese Fee?“

„Die Baronesse von Sainte-Marie.“

„Auf Ortry etwa, deine junge Herrin also?“

„Nein, sondern die Schwester meines Zöglings.“

„Sapperlot! Unverheiratet?“

„Ja.“

„Verlobt?“

„Nein.“

„Verliebt?“

„Nein.“

„Du, Kamerad, zeige mir einmal deine Hand.“

„Hier! Warum?“

„Den Puls!“

„Ach so! Brennt es?“

Hohenthal fühlte mit ernster Miene den Puls und sagte dann in kläglichem Ton:

„Aus dir wird kein Mensch gescheit. Ich wollte, ich hätte meinen Martin da; der versteht es besser.“

„Allerdings, ein gelungener Kerl!“

Sie hatten jetzt die Laube erreicht und traten ein. Der Wirt fragte nach ihrem Wunsch, erfüllte denselben und entfernte sich dann. Hohenthal tat einen tiefen Zug und fragte nachher in scherzhaftem Ernst:

„Die war wirklich wunderbar schön. Aufrichtig, lieber Junge! Hast du auch hier nicht angebissen?“

Müller blickte ernst vor sich nieder und antwortete:

„Aufrichtig? Ja.“

„Halleluja! Endlich, endlich! Natürlich sofort?“

„Sofort, als ich sie zum ersten Mal sah. Und das war in Dresden.“

„In Dresden? Nicht hier? Mensch, Richard, ich wittere einen Roman oder wenigstens eine Novelle. Erzähle!“

„Unsinn! Hier! Wir haben andere Dinge zu sprechen. Und übrigens ist mir diese Sache zu ernst, zu heilig.“

„Ja, du hast die Gabe, alles von der heiligsten Seite zu betrachten. Aber, Liebster, vertraue mir nur eins!“

„Was?“

„Hat auch sie angebissen?“

Müller zuckte die Achsel und antwortete:

„Woran soll sie beißen? Etwa an diesen Buckel?“

„Pah! Dein Gesicht ist nicht das eines vergebens nach Liebe Jammernden. Sobald der Buckel fort ist, ist sie dein. Nicht?“

„Ich hoffe es. Ich sage das zu deiner besonderen Beruhigung, sonst bist du nicht von diesem Gegenstand fortzubringen.“

„Das rechnest du mir doch nicht etwa als Fehler an? Gründlichkeit ist stets eine Tugend, besonders aber in so hochwichtigen Dingen. Nun aber zur Sache! Zunächst muß ich dir sagen, daß ich Monsieur Belmonte heiße und der Vertreter eines Weinhauses im Süden bin.“

„Ah! Verkaufst du viel?“

„Massenhaft. Jetzt liefere ich nach Metz. Hoffentlich finde ich den Wein noch dort, wenn wir da einziehen, natürlich mit klingendem Spiel und fliegenden Fahnen.“

„Brr! Das kostet ein Geld! Natürlich gibst du den Wein auf Kredit?“

„Freilich. Sechs Monate Ziel.“

„Wer bezahlt ihn?“

„Das schöne Frankreich.“

„Also bist du mit deinen Erfolgen zufrieden?“

„Ich kann es ganz gern sein. Ein großer Anteil davon fällt auf meinen Wachtmeister.“

„Gerade so wie bei mir. Schneeberg ist ein braver Kerl.“

„Martin nicht minder. Ohne ihn stände ich nicht in dieser Weise da.“

„Aber, Arthur, was suchst du in Ortry?“

„Dich natürlich, Richard.“

„Doch nicht bloß Besuch?“

„Wo denkst du hin! Wie dürfte ich mir so einen Abstecher erlauben, wenn ich dir nichts Wichtiges mitzuteilen hätte!“

„Ah! Etwas Wichtiges? Da sollst du mir hochwillkommen sein, lieber Kamerad. Lege dich aus.“

„Da auf Ortry wohnt ein alter Kapitän, der Richemonte heißt.“

„Gerade so.“

„Du, nimm den aufs Korn!“

„Warum?“

„Er läßt in Paris Franctireurs werben.“

„Ah! Wirklich?“

„Ja. Ich habe es mit eigenen Ohren gehört.“

„Wer es glaubt!“

„Und die Kerls mit eigenen Augen gesehen. Verstanden, ungläubiger Thomas! Ich bin eigens gekommen, um dich auf die Spur dieses Kerls zu bringen.“

„Danke sehr.“

Hohenthal blickte ganz erstaunt auf Müller, den diese große Neuigkeit gar nicht zu überraschen schien.

„Mensch“, sagte er, „wie kommst du mir vor? Ich würde für einen solchen Wink gut und gern tausend Taler zahlen!“

„Ich werfe kein Geld zum Fenster hinaus!“

„Was? Du glaubst nicht, was ich dir sage?“

„Gerade weil ich es glaube, bezahle ich nicht.“

„Dann begreife dich dieser und jener, aber ich nicht!“

„Ich glaube es, weil ich diesen alten Kapitän bereits fest habe.“

„Ach – so! Das ist etwas anderes! Du kennst also die Verhältnisse bereits?“

„Vollständig. Ortry ist der Herd der Freischärleragitation. Der Kapitän ist ein wahrer Teufel. Er hat unterirdische Magazine angelegt, in denen kolossale Vorräte von Waffen und Munition liegen.“

„Kennst du diese Magazine?“

„Ja.“

„Glückskind! So komme ich also zu spät?“

„Ja. Aber trotzdem bin ich dir herzlich dankbar!“

„Bitte, bitte! So kann ich also mit einer anderen Nachricht vorreiten!“