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»Natürlich nicht«, antwortete Bast und verbesserte sich hastig. »Ich meine: Selbstverständlich traue ich Ihnen zu, sich um die Erziehung eines Kindes zu kümmern. Ich war nur ... überrascht, das ist alles.«

»Überrascht?«

»Nach unserem Gespräch gerade, und dem, was Sie über Faye gesagt haben ...«

»Und an meiner Meinung hat sich seither kein Jota geändert«, antwortete Mrs Walsh wie aus der Pistole geschossen. »Umso wichtiger, dass Cindy eine anständige christliche Erziehung genießt. Ich weiß, Sie sind vielleicht der Meinung, ich wäre zu alt, um mir eine solch verantwortungsvolle Aufgabe zu übertragen, doch ich traue mir durchaus zu, mich um dieses arme gestrauchelte Wesen zu kümmern und sie zu einer gottesfürchtigen jungen Frau zu erziehen.«

Cindy, die so saß, dass Mrs Walsh ihr Gesicht zumindest nicht sehen konnte, ohne den Kopf zu wenden, verdrehte die Augen, und Bast musste sich beherrschen, um nicht in ähnlicher Form zu reagieren.

»Und was sagst du dazu?«, wandte sie sich direkt an Cindy.

»Warum nicht?« Das Mädchen hob trotzig die Schultern. »Klingt besser als Vater McNeill.«

»Und Faye?«

»Faye hat uns verraten«, sagte Cindy heftig.

»Das steht noch gar nicht fest«, antwortete Bast. »Und wenn, dann hat Roy sie wahrscheinlich gezwungen.«

»Und wenn sie wieder einer zwingt? Außerdem kann ich sie nicht leiden.«

»Du kennst sie doch gar nicht.«

»Ich kenn sie gut genug«, antwortete Cindy.

Das war nicht das, was sie meinte, das spürte Bast. Cindy sagte die Wahrheit: Sie war tatsächlich bereit, bei Mrs Walsh und Maistowe zu bleiben, aber aus einem anderen Grund. Sie wusste nur nicht, aus welchem.

»Hätten Sie etwas dagegen, wenn Cindy und ich ...?«

»Allein miteinander reden?« Mrs Walsh schüttelte den Kopf. »Selbstverständlich nicht. Kommen Sie, Jacob.« Sie stand auf. »Mir ist gerade eingefallen, dass ich vielleicht doch nicht alles Gepäck für die Reise zusammen habe.«

Bast lächelte ihr dankbar zu und geduldete sich, bis Maistowe und Mrs Walsh den Raum verlassen hatten. Dann aber erlosch ihr Lächeln schlagartig. »Also, was soll das?«, fragte sie.

»Was soll was?«

»Stell dich nicht dumm«, fauchte Bast. »Und behandele mich nicht, als wäre ich dumm. Was ist los? Gestern hättest du mir noch am liebsten die Augen ausgekratzt, weil ich dich hierher gebracht habe, und heute erklärst du mir, du willst hierbleiben?«

»Nicht hier«, antwortete Cindy. »Wir gehen weg. Heute noch.«

»Ich verstehe«, sagte Bast. »Du denkst an das Schiff. Eine große Reise, und ein noch größeres Abenteuer, wie? Aber ganz so ist es nicht. Die Lady ist ein heruntergekommener alter Kahn, und ich fürchte, was Mrs Walsh gesagt hat, war ernst gemeint. Sie wird dich wirklich zu einem gottesfürchtigen jungen Mädchen erziehen ... oder es wenigstens versuchen.«

Cindy grinste nur, und Bast musste sich plötzlich beherrschen, um nicht dasselbe zu tun. Vielleicht hatte Cindy ja sogar recht, und das hier war die bessere Lösung. Selbstverständlich war es Mrs Walsh bitterernst mit ihrem Vorsatz, ihr eine anständige Erziehung angedeihen zu lassen und sie zu einer gottgefälligen jungen Frau zu machen, aber sie machte sich keine allzu großen Sorgen, dass ihr das auch tatsächlich gelingen könnte. Cindy war nicht annähernd so verdorben, wie Mrs Walsh noch gestern behauptet hatte, aber sie war auch kein kleines Kind mehr, das Mrs Walsh nach Belieben formen und mit ihren kruden Ideen von Sittsamkeit und einem Leben nach Gottes Willen vollstopfen konnte. Mrs Walsh würde sich an ihr die wenigen Zähne ausbeißen, die sie noch hatte, daran bestand kein Zweifel - aber sie würde ihr trotzdem helfen, wieder in ein halbwegs normales Leben zurückzufinden ... oder wenigstens ein anderes Leben als das, das ihr hier bevorstand. Es war nicht so, dass sie Faye nicht traute, im Gegenteil - aber ein Leben an Bord der Lady irgendwo auf dem Meer oder auch in einem fremden Land war vermutlich sicherer als eines in Fayes Umgebung, wo London nahe und die Verlockung des leicht verdienten Geldes allgegenwärtig war.

Bast seufzte tief. Das alles kam viel zu schnell und nicht einmal annähernd so gut durchdacht, wie es sein sollte. Sie begann erst jetzt allmählich zu begreifen, was sie eigentlich getan hatte, indem sie sich in Cindys und Fayes Leben einmischte. Sie hatte sich eine Menge Probleme aufgehalst, die sie in der wenigen Zeit, die ihr noch blieb, unmöglich lösen konnte.

Aber sie musste es zumindest versuchen.

»Du solltest nicht den Fehler begehen und Mrs Walsh unterschätzen«, sagte sie ernst. »Und mich auch nicht. Es könnte gut möglich sein, dass ich von Zeit zu Zeit vorbeikomme und nach dem Rechten sehe.«

Cindy machte sich nicht einmal die Mühe, darauf zu antworten.

»Letzten Endes ist es deine Entscheidung«, sagte Bast. Sagte und glaubte sie das nur, weil sie es glauben wollte und es einfach die bequemste Lösung war?

»Sieht so aus«, antwortete Cindy. »Aber ich geh nicht zurück zu Maude. Und zu Faye schon gar nicht.«

»Dann bleibt ja nur noch Mrs Walsh.«

»Oder du«, sagte Cindy. »Warum nicht?« Cindy nickte heftig. »Ich habe gehört, was du vorher zu Mrs Walsh gesagt hast. Du gehst zurück in deine Heimat. Ich könnte mit dir gehen.«

»Wozu?«

»Du könntest mir beibringen, so zu werden wie du.«

»Verzweifelt, auf der Flucht und halb tot?«

»Eine Kriegerin!«, antwortete Cindy. Ihre Augen leuchteten. »Ich habe gesehen, was du gestern Abend getan hast. Ich will das lernen.«

»Menschen zu töten?«

»Mich zu verteidigen«, antwortete Cindy kopfschüttelnd. »Dir kann niemand etwas tun! Ich will so werden wie du! Eine Kriegerin! Bringst du es mir bei?«

»Kein Problem«, antwortete Bast. »Ich kann dich alles lehren, was ich kann ... wenn du ein paar hundert Jahre Zeit hast.«

»Auf den Arm nehmen kann ich mich selbst«, sagte Cindy ärgerlich. »Du willst mich nicht bei dir haben, stimmt's?«

»Das hat nichts mit Wollen zu tun«, sagte Bast traurig. »Ich weiß ja nicht einmal, ob ich morgen um diese Zeit noch lebe.«

»Blödsinn!«, schnaubte Cindy.

Bast sah sie noch einen Herzschlag lang resignierend an, dann rief sie mit nur leicht erhobener Stimme nach Mrs Walsh.

Maistowe und sie tauchten so schnell auf, dass sie nicht einmal darüber nachdenken musste, ob sie gelauscht hatten oder nicht.

»Ich glaube, Cindy hat sich entschieden«, sagte sie. »Dann wäre jetzt nur noch die Frage zu klären, ob sie auch seefest ist.«

Cindy schnaubte wütend, ballte die Fäuste und stampfte davon.

Mrs Walsh fragte nicht, was sie in ihrer angeblichen Abwesenheit besprochen hatten. »Das freut mich aufrichtig«, sagte sie. »Es hätte mir wirklich leidgetan, wenn dieses arme Kind endgültig auf den falschen Weg geraten wäre.«

»Und Sie trauen sich das wirklich zu?«, fragte Bast.

»Ich bin vielleicht nicht mehr die Jüngste«, Mrs Walsh schürzte die Lippen und sah sie schon wieder mit diesem gespielten verletzten Ausdruck an, »aber noch nicht annähernd so alt wie Sie, mein K ... meine Liebe, und Jacob wird mich tatkräftig unterstützen.« Sie sah Maistowe Zustimmung heischend an, gab ihm aber gar keine Gelegenheit, auch nur einen Ton hervorzubringen. »Ich weiß, dass der Moment ungünstig ist, aber ich muss Sie um einen kleinen Gefallen bitten.«

»Wen soll ich umbringen?«, fragte Bast.

Mrs Walsh schien das nicht lustig zu finden, aber sie überging die Bemerkung. »Wir reisen heute Abend ab, und das für eine lange Zeit, jedenfalls für jemanden wie mich, der zeit seines Lebens niemals länger als zwei Tage aus London weg gewesen ist. Ich würde mich gern von einigen meiner Bekannten verabschieden, wenn Sie verstehen.«