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»Vielleicht«, antwortete Monro ungerührt. »Vielleicht auch nicht. Aber das ist im Moment zweitrangig. Ich sagte Ihnen doch, dass ich Sie aus zwei Gründen ... hergebeten habe. Interessiert Sie der zweite Grund?«

Bast verschwendete keine Zeit damit, überhaupt zu antworten, und Monro hatte damit wohl auch gar nicht gerechnet, denn er schob sich an ihr vorbei, beugte sich mit einem leisen Ächzen vor und hob etwas auf, das bisher unter dem Bett gelegen hatte. »Können Sie mir vielleicht sagen, was das ist?«

Bast runzelte die Stirn, griff aber gehorsam nach der gesprungenen Glasplatte, die Monro ihr reichte und hatte im nächsten Moment Mühe, ein erschrockenes Zusammenzucken zu unterdrücken.

»Ah, ich sehe, Sie wissen, was das ist«, sagte Monro. Sein triumphierender Ton gefiel Bast nicht.

»Woher ... haben Sie das?«, fragte sie stockend. Es war die Photoplatte. Das photographische Negativ, das sie gestern in ihrem Gepäck gefunden hatte.

Sie war sich sicher, dass sie die Glasplatte wieder in den Mantel gesteckt hatte, nachdem sie sie Isis gezeigt hatte. Sie musste sie mit zurück in die Pension genommen haben. Oder etwa nicht? Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie die Photographie das letzte Mal in der Hand gehabt hatte. Es war so viel passiert in der Zwischenzeit. Der Überfall der Männer, ihr eigener todesähnlicher Schlaf ...

»Es lag unter dem Bett«, hörte sie Monro sagen. »Einer der Konstabler hat es gefunden, als er sich auf die Knie begeben hat, um sich zu übergeben - was ich ihm ehrlich gesagt nicht verübeln kann. Aber keine Sorge, es wurde selbstverständlich gereinigt.« Er steckte sein Tuch ein und begann seinen gewaltigen Schnauzbart zu zwirbeln. »Die eigentliche Frage von Belang jedoch ist, Miss Bast - wer hat es hier verloren? Und wen zeigt dieses Bild?«

Auf jeden Fall nicht sie - aber auch das sagte Bast nicht. Niemand außer Isis und sie wusste, wer auf diesem Bild wirklich zu erkennen war, und selbstverständlich würde Monro ihr nicht glauben. So, wie die Dinge lagen, konnte er das gar nicht.

»Ich finde, diese Person hat große Ähnlichkeit mit Ihnen, Gnädigste«, fuhr Monro denn auch prompt fort. »Oder zumindest mit jemandem, der wiederum große Ähnlichkeit mit Ihnen hat.«

»Ja, das könnte sein«, antwortete Bast. »Aber verzeihen Sie, Sir. Ich kenne die britischen Gesetze natürlich nicht so gut wie Sie, aber ... ist es in diesem Land verboten, photographiert zu werden?«

»Keineswegs«, antwortete Monro. »Hat Inspektor Abberline Ihnen eigentlich gesagt, dass man heute Morgen Sapersteins Leiche aus der Themse gefischt hat?«

»Nein«, antwortete Bast. »Wer soll das sein?«

»Israel Saperstein, der Pressephotograph, der manchmal für mich arbeitet«, antwortete Abberline, ohne sie dabei anzusehen. »Ich hatte Ihnen davon erzählt. Er bekommt von mir dann und wann einen kleinen Tipp, wo eine interessante Geschichte zu holen ist, und ich erhalte im Gegenzug von ihm Photographien von Tatorten. Jemand hat ihn umgebracht.«

»Nachdem er dieses Bild gemacht hat«, sagte Monro. »Ein Bild, auf dem Sie zu sehen sind.«

»Jemand, der mir ähnlich sieht«, antwortete Bast. Ihre Gedanken überschlugen sich. Natürlich wusste sie, dass ihre Antwort nichts anderes als lächerlich war, aber sie konnte plötzlich kaum noch klar denken, und für einen Moment drohte sie ernsthaft in Panik zu geraten. Sie erkannte die gesprungene Glasplatte ebenso zweifelsfrei wieder wie die schwarz verhüllte Gestalt darauf - aber sie konnte sich beim allerbesten Willen nicht erklären, wie sie hierherkam!

Monro sah sie nahezu verächtlich an. »Ich bitte Sie, Gnädigste. Ich weiß nicht sehr viel über die Gesetze Ihres Heimatlandes, aber selbst dort dürften diese Beweise zumindest für eine vorläufige Festnahme reichen. Es sei denn, Sie hätten mir etwas zu sagen. Jetzt.«

Bast sah ihn nur an, und Monro nickte, als hätte er nichts anderes erwartet. »Mortensen! Nowes!«, rief er mit erhobener Stimme. Ein zweiter Uniformierter betrat den Raum, und auch der andere Bobby spannte sich. »Verhaften Sie diese Frau!«, befahl Monro. »Legen Sie ihr Handschellen an, und bringen Sie sie nach Scotland Yard. Ich werde später nachkommen und das Verhör persönlich leiten.«

Die beiden Konstabler traten auf sie zu, und Bast zwang sie mit einem einzigen, eisigen Blick stehen zu bleiben. »Das werden Sie nicht tun.«

Die beiden Männer erstarrten mitten in der Bewegung und wirkten gleichermaßen verblüfft wie erschrocken, und Monro ächzte hörbar.

»Konstabler Nowes! Konstabler Mortensen! Sind Sie wahnsinnig geworden? Sie sollen sie in Ketten legen, habe ich gesagt!«

»Es ist alles in Ordnung«, sagte Bast ruhig, an die beiden Konstabler gewandt. »Sie können gehen. Schließen Sie die Tür und warten Sie draußen. Und vergessen Sie, dass Sie mich gesehen haben.«

Die beiden wandten sich gehorsam um und gingen, und Monro starrte ihnen aus hervorquellenden Augen nach. Faye sah aus, als würde sie jeden Moment in Ohnmacht fallen, und Abberline ... sah sie einfach nur an, bar jeden Gesichtsausdrucks. Er sah aus wie jemand, fand Bast, den nichts mehr erschüttern konnte, weil er ohnehin zu dem Schluss gekommen war, längst den Verstand verloren zu haben.

»Was ... was soll das ... was geht hier vor?«, stammelte Monro. »Was ...?«

»Halten Sie die Klappe«, sagte Bast müde.

Monro verstummte. Seine Augen wurden noch größer, und nun erschien eindeutig Furcht darin. Er wollte etwas sagen, aber er bekam kein Wort heraus.

»Ich habe keine Zeit für diesen Unsinn«, sagte Bast, »und auch keine Lust mehr. Sie werden mir jetzt zuhören, und ich werde Ihnen auch gestatten, mir zu antworten - und nur, wenn Sie mir Ihr Wort geben, vernünftig zu sein und nicht nach Ihren Leuten zu rufen oder irgendetwas ähnlich Dummes zu tun. Habe ich Ihr Wort?«

Monro starrte sie mit immer größerem Entsetzen an, aber schließlich nickte er, und Bast entließ ihn vorsichtig aus ihrem geistigen Würgegriff, noch immer jederzeit bereit, ihn erneut zum Schweigen zu bringen.

»Bast, was ... was tust du?«, stammelte Faye. »Was bedeutet das?«

Bast brachte sie mit einer Geste zum Schweigen. »Ich gebe Ihnen mein Wort, Mr Monro, dass ich mit diesen Morden nichts zu tun habe, so wenig wie mit dem Verschwinden dieses Photographen. Aber es könnte sein, dass ich ... weiß, wer dahinter steckt. Ich werde dieser Spur nachgehen, und sollte sich mein Verdacht als berechtigt erweisen, dann werde ich die Sache beenden. Das versichere ich Ihnen.«

Monro zog sein Taschentuch wieder heraus, diesmal allerdings, um sich damit über die Stirn zu tupfen, auf der plötzlich Schweißperlen glitzerten, obwohl es hier drinnen empfindlich kalt war. »Was ... was geht hier vor?«, stammelte er. »Was fällt Ihnen ein? Wissen Sie nicht, wer ich bin?«

»Doch«, antwortete Bast. »Aber Sie wissen ganz offensichtlich nicht, wer ich bin. Seien Sie froh, dass es so ist. Ach ... nebenbei - was macht Ihr Herz?«

»Mein Herz?« Monro sah sie verständnislos an. »Was soll der Unsinn? Es ist vollkommen in Ordnung.«

»Jetzt nicht mehr«, sagte Bast.

Monro setzte zu einer zornigen Entgegnung an, aber plötzlich riss er den Mund auf, presste die linke Hand gegen die Brust und griff sich mit der anderen an die Kehle. Ein sonderbarer, gurgelnder Laut kam über seine Lippen, während er immer verzweifelter - und vergeblich - nach Luft rang. Er begann ganz langsam in die Knie zu brechen.

»Bast!«, sagte Abberline scharf.

Bast machte noch eine Sekunde weiter, dann aber gestattete sie Monros Herz, weiterzuschlagen und half ihm sogar behutsam dabei, in seinen normalen Rhythmus zurückzufinden. Monro hatte gelogen oder es nicht gewusst - aber mit seinem Herzen stand es wirklich nicht zum Besten.

»Können wir jetzt vernünftig miteinander reden?«, fragte sie.

Monro rang japsend nach Luft. Die rechte Hand hatte er immer noch am Hals, mit der anderen stützte er sich auf der Bettkante ab, ohne von dem blutigen Leichnam darauf Notiz zu nehmen. »Abberline, verhaften Sie sie!«, japste er. »Nehmen Sie diese Frau fest! Das ist ein Befehl!«