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Der Rothaarige warf ihr einen zögerlichen Blick zu, knallte den Krug so fest auf den Tisch, dass es spritzte, und funkelte Roy warnend an. »Und jetzt spiel ausnahmsweise mal den Gentleman und überlass einer Dame deinen Platz.«

»Dame - ha!«, machte Roy. Aber der gefährliche Moment war vorbei. Er funkelte Bast noch einen Augenblick lang wütend und herablassend zugleich an - das war er sich selbst und seinem Ruf bei den anderen schuldig, vermutete sie -, aber schließlich wandte er sich mit einer Mischung aus einem Schnauben und einem blubbernden Rülpser ab und wankte um den Tisch herum, um sich zwischen die anderen auf die Bank zu quetschen.

»Und Sie sollten Ihr Bier austrinken und verschwinden«, fuhr der Rothaarige fort. »Wir brauchen hier keinen Ärger. Schon gar nicht mit Roy und seiner Bande.«

»Vielen Dank, trotzdem«, antwortete Bast. Sie bezahlte das Bier, gab ihm ein großzügiges Trinkgeld und schenkte ihm noch ein strahlendes Lächeln obendrauf, das allerdings an ihm abprallte. Sie setzte sich erst wieder, nachdem er gegangen war.

»Das war ziemlich mutig von dir«, sagte Faye und nickte anerkennend.

»Eher ziemlich dumm«, murrte Liz. »Mit denen solltest du dich lieber nicht anlegen.«

»Roy und seine Freunde?« Bast griff nach dem Bierkrug, trank aber nicht davon. Alkohol - egal in welchen Mengen - hatte keine Wirkung auf sie, aber das zweite Bier würde auch nicht besser schmecken als das erste. »Keine Sorge. Ich kenne solche Männer. Hunde, die bellen, beißen nicht ... so heißt es doch, oder?«

»Diese schon«, behauptete Liz. Sie versuchte unauffällig an ihr vorbeizulinsen, um Roy und seine vier Freunde im Auge zu behalten. »Das sind ganz üble Kerle. Hier bei uns ist keine, die sie noch nicht ...«

»Noch nicht was?«, fragte Bast, als sie nicht weitersprach, sondern nur die Lippen zu einem schmalen Strich zusammenpresste, blutleer und so gerade wie eine schlecht verheile alte Narbe. Als ob sie sich das nicht denken konnte.

»Ich nicht«, behauptete Faye. »Er hat's versucht, aber ich hab ihm in die Eier getreten, dass er gedacht hat, sie kommen ihm zu den Ohren wieder raus.«

»Ja, und danach haben sie dich so zusammengeschlagen, dass du zwei Wochen im Spital gelegen hast«, sagte eine der beiden anderen Frauen.

»Jedenfalls ist mir keiner von ihnen an die Wäsche gegangen«, antwortete Faye patzig. Dann lachte sie leise und trank den Rest aus ihrem Glas. »Jedenfalls nicht, ohne dafür zu bezahlen.«

Bast sah sie einen Moment lang mit gespielter Überraschung an, dann drehte sie sich auf ihrem Stuhl herum und sah durch den überfüllten Raum zur Theke hin. Trotz des Gedränges spürte der Rothaarige ihren Blick sofort - Bast hatte dafür gesorgt -, und sie hob die Hand und machte mit gespreizten Fingern auf die vier Frauen am Tisch aufmerksam. Der Rotschopf nickte widerwillig.

»Hast du die Spendierhosen an?«, erkundigte sich Liz. Sie klang weder überrascht noch in irgendeiner Art dankbar, aber Bast spürte auch, dass ihr Misstrauen nicht ihr persönlich galt, sondern der ganzen Welt. Wenn sie lange genug lebte, dachte sie, hatte sie gute Aussichten, ebenso verbittert und feindselig zu werden wie Maude; wenn auch vielleicht nicht so fett.

Der Gedanke führte zu einem anderen, den sie nicht haben wollte: der Erinnerung an ein bleiches Mädchengesicht, das sie aus leeren Augen vorwurfsvoll anzublicken schien. »Immerhin beantwortet ihr meine Fragen«, antwortete sie ungeschickt. »Und ihr habt mich vor diesen Kerlen gewarnt.«

»Was immer das helfen mag«, sagte Liz. »Ich bin Elizabeth, aber hier nennen mich alle nur Long Liz. Das da«, sie deutete nacheinander auf die anderen, »sind Kate, Marie-Jeanette und Faye. Du suchst also eine Freundin und meinst, es könnte Patsy sein.«

»Es wäre immerhin möglich«, antwortete Bast.

»Ist sie auch ...?«, begann Faye.

»Schwarz?«, half ihr Bast aus, als sie nicht weitersprach, sondern ganz im Gegenteil plötzlich ein bisschen verlegen aussah. Sie musste an das denken, was die Frau in Maudes zwielichtigem Etablissement über Patsy gesagt hatte, und schüttelte den Kopf. »Nein. Ich bezweifle sowieso, dass ich hier richtig bin. Aber ich hatte diese Adresse - Nummer neunzehn -, und eines von Maudes ... Mädchen hat mir gesagt, dass sie vor ungefähr zwei Jahren dort aufgetaucht sei. Das hätte gepasst ... und es ist die einzige Spur, die ich habe.«

»Dann hast du ein Problem«, sagte die Frau mit dem französisch klingenden Namen. In ihrer Stimme war nicht der leiseste Hauch eines entsprechenden Dialekts. »London ist groß. Wenn hier eine nicht gefunden werden will, dann wird sie auch nicht gefunden.«

»Ja, das habe ich befürchtet«, seufzte Bast. Sie spielte weiter mit ihrem Krug und setzte ihn dann hastig ab, als sie Liz' Stirnrunzeln bemerkte. Der Krug fasste nahezu eine halbe Gallone und musste an die fünf Pfund wiegen. Selbst die Kerle am Nebentisch hoben ihre Krüge mit beiden Händen an, wenn sie daraus tranken. »Wahrscheinlich war es dumm von mir. Immerhin war ich bei Maude und habe gesehen, welche Art von Geschäft sie betreibt.«

»Und jetzt bist du schockiert, dass sie sich mit solchen wie uns abgibt?«, fragte Liz.

»Keineswegs«, antwortete Bast ruhig. »Ich bin keine Moralistin. Was jemand tut oder nicht, ist ganz allein seine Entscheidung.« Vorausgesetzt, er ist alt genug, um diese Entscheidung zu treffen.

»Wie nobel«, sagte Liz.

»Aber es käme hin«, sagte Faye hastig und wenigstens zum Teil wohl auch, um Liz zum Schweigen zu bringen. Sie legte den Kopf schräg und sah Bast forschend an. »Wenn ich es genau bedenke, siehst du ihr sogar ein bisschen ähnlich.«

»Ha!«, machte Kate.

»Nein, im Ernst«, beharrte Faye. »Ich meine: Natürlich sieht sie ihr kein bisschen ähnlich, aber trotzdem ...« Sie lachte nervös. »Also wenn Patsy schwarz wäre, dann könnte man glauben, sie wären Schwestern.«

»Blödsinn«, schnaubte Liz, während Bast nun doch einen Schluck von ihrem warmen Ale nahm; wenn auch nur, um sich hinter dem wuchtigen Krug zu verstecken. Faye war eine ausgezeichnete Beobachterin. Tatsächlich sahen sich Isis und sie nicht im Geringsten ähnlich, aber da war noch eine andere, tiefer gehende Art der Verwandtschaft, die dem sehenden Auge verborgen blieb, welche die junge Frau aber ganz offensichtlich spürte.

Fast zu ihrer Erleichterung kam in diesem Moment der Rotschopf, um ihre Bestellung zu bringen; ein Tablett mit vier Gläsern, die billigen, dafür aber umso stärkeren Whisky enthielten.

»Das ist die letzte Runde, Ladys«, sagte er. »Gleich ist Sperrstunde.«

»Seit wann interessiert sich hier einer dafür?«, erkundigte sich Kate.

»Seit die Zeiten gefährlich geworden sind, Schätzchen«, antwortete er. »Vor allem für anständige Ladys wie euch.«

Bast bezahlte - als sie den Preis hörte und zugleich Kates überraschten Gesichtsausdruck bemerkte, verzichtete sie dieses Mal darauf, ihm ein Trinkgeld zu geben - und wartete, bis er wieder außer Hörweite war, dann hob sie ihren Krug und prostete den Frauen zu. Faye, Marie-Jeanette und nach kurzem Zögern auch Kate taten dasselbe und tranken. Liz rührte ihr Glas nicht an.

»Warum sagt ihr mir nicht einfach, wo ich diese Patsy finde?«, fragte sie. »Ein einziger Blick, und ich weiß, ob sie die ist, nach der ich suche.«

»Wer sagt dir denn, dass Patsy gefunden werden will?«, fragte Liz.

»Ich bin ihre Freundin«, sagte Bast. »Sie hat nicht den geringsten Grund, sich vor mir zu verstecken. Das ist wahr.« Zugleich sorgte sie dafür, dass Liz ihr glaubte. Trotzdem verschwand das Misstrauen nicht vollkommen aus ihrem Blick.

»Was genau willst du denn von ihr?«, fragte sie.

»Das ist ... eine Familienangelegenheit«, antwortete Bast ausweichend. »Rein privat. Aber es ist wichtig.«

»Und das sieht Patsy genauso?«, wollte Liz wissen.