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»Selbstverständlich.« Es war eine Erleichterung für ihn, daß er wenigstens etwas tun konnte.

Von einer Telefonzelle im Korridor aus rief Curtis O'Keefe das O'Keefe-Cuyahoga-Hotel in Akron, Ohio, an. Der Manager Harrison war in seinem Büro.

»Lassen Sie alles stehen und liegen«, befahl O'Keefe. »Ich habe einen äußerst wichtigen Auftrag für Sie, der so schnell wie möglich erledigt werden muß.«

»Ja, Sir.«

»Setzen Sie sich mit einer Mrs. Irene Lash in der Exchange Street, Akron, in Verbindung. Die Hausnummer weiß ich nicht.« An die Straße erinnerte sich O'Keefe von dem Tag her, an dem er Dodos Mutter einen Korb mit Früchten geschickt hatte. War es wirklich erst am letzten Dienstag gewesen?

Er hörte, wie Harrison jemandem im Büro zurief: »Ein Adreßbuch - schnell!«

O'Keefe fuhr fort: »Suchen Sie Mrs. Lash selbst auf und bringen Sie ihr vorsichtig bei, daß ihre Tochter Dorothy bei einem Unfall schwer verletzt wurde und vielleicht sterben wird. Ich möchte, daß Mrs. Lash auf schnellstem Weg nach New Orleans geflogen wird. Mit einer Chartermaschine, wenn es sein muß. Die Kosten spielen keine Rolle.«

»Einen Moment, Mr. O'Keefe.« Durch die Leitung kamen Harrisons kurze Kommandos. »Verbinden Sie mich mit Eastern Airlines - dem Verkaufsbüro in Cleveland. Legen Sie das Gespräch auf eine andere Leitung. Und danach brauche ich eine Limousine mit einem schnellen Fahrer - am Ausgang Market Street.« Er sprach wieder in den Apparat. »Okay, Mr. O'Keefe, sprechen Sie weiter.«

Sie verabredeten, daß Harrison im Charity-Hospital anrufen würde, sobald er sämtliche Arrangements getroffen und Mrs. Lash zur Maschine gebracht hatte.

O'Keefe hängte auf in der Überzeugung, daß man alle seine Anweisungen aufs pünktlichste befolgen würde. Ein guter Mann, dieser Harrison. Verdiente vielleicht den leitenden Posten in einem der größeren Hotels.

Neunzig Minuten später bestätigte die Röntgenuntersuchung Dr. Beauclaires Diagnose. Ein Operationssaal im zwölften Stockwerk wurde für die Operation vorbereitet. Der chirurgische Eingriff würde mehrere Stunden in Anspruch nehmen.

Bevor Dodo in den Operationssaal gerollt wurde, durfte Curtis O'Keefe sie kurz sehen. Sie war bleich und bewußtlos. Es kam ihm so vor, als sei all ihre Frische und Vitalität dahingeschwunden. Nun hatten sich die Türen des Operationssaals hinter ihr geschlossen.

Dodos Mutter war auf dem Weg nach New Orleans. Harrison hatte ihn benachrichtigt. McDermott vom St. Gregory, den O'Keefe vor ein paar Minuten angerufen hatte, wollte jemanden zum Flughafen schicken, der Mrs. Lash in Empfang nehmen und direkt ins Krankenhaus bringen würde. Vorläufig konnte er nur warten.

O'Keefe hatte das Angebot, sich im Büro des Direktors auszuruhen, abgelehnt. Er wollte im Korridor vor dem Operationssaal ausharren, wie lange es auch dauern mochte.

Plötzlich hatte er das Bedürfnis, zu beten.

Eine Tür in der Nähe trug die Aufschrift: »Damen - farbig.« Eine andere daneben war als Abstellraum gekennzeichnet. Durch die Glasscheibe konnte man sehen, daß er dunkel war.

Curtis O'Keefe zwängte sich hinein und tastete sich im Halbdunkel an einem Sauerstoffzelt und einer Eisernen Lunge vorbei. Als er ein freies Fleckchen fand, kniete er nieder. Der Linoleumbelag fühlte sich unter seinen Knien viel härter an als die Teppiche, an die er gewöhnt war. Es machte ihm nichts aus. Er faltete flehend die Hände und senkte den Kopf.

Seltsamerweise fand er zum erstenmal seit vielen Jahren keine Worte für das, was ihm am Herzen lag.

18

Die Abenddämmerung senkte sich lindernd auf die Stadt herab. Bald kam die Nacht und brachte Schlaf und für eine Weile Vergessen. Morgen würde der Schock über die heutigen Ereignisse ein wenig abgeklungen sein. Schon die Abenddämmerung leitete einen Prozeß ein, den die Zeit schließlich vollenden würde; die Zeit heilte alle Wunden.

Dennoch würden viele Tage und Nächte dazu gehören, um all jene, die den Ereignissen am nächsten standen, von einem Gefühl der Trauer und des Schreckens zu befreien. Arbeit half einem dabei - milderte den Druck, wenn sie ihn auch nicht ganz lösen konnte.

Seit dem frühen Nachmittag war eine Menge geschehen.

Während Peter McDermott allein in seinem Büro im Zwischengeschoß saß, machte er eine Bestandsaufnahme dessen, was getan worden war und was noch zu tun blieb.

Die harte und traurige Pflicht, die Toten zu identifizieren und die Angehörigen zu benachrichtigen, hatte er bereits hinter sich. Dort, wo das Hotel bei den Beerdigungen Beistand leistete, waren die Vorbereitungen schon im Gange.

Feuerwehr und Polizei waren längst wieder abgezogen. Inspektoren vom Technischen Überwachungsamt waren eingetroffen, die sämtliche Fahrstühle des Hotels auf Herz und Nieren prüften. Sie würden die Nacht durcharbeiten und den ganzen nächsten Tag. Einige Fahrstühle waren inzwischen wieder in Betrieb.

Abgesandte von Versicherungen - Männer mit düsteren Mienen, die bereits mit beträchtlichen Schadenersatzforderungen rechneten - stellten Fragen, nahmen Aussagen zu Protokoll.

Am Montag würde ein Team von Fachleuten von New York herüberfliegen und mit den Plänen für den Einbau neuer Aufzüge an Stelle der alten beginnen. Es würde die erste größere Ausgabe unter dem neuen Regime Wells-Dempster-McDermott sein.

Das Kündigungsgesuch des Chefingenieurs lag auf Peters Schreibtisch. Er hatte die Absicht, es anzunehmen. Doc Vickery mußte ehrenvoll entlassen werden, mit einer Pension, die seiner langjährigen Dienstzeit im Hotel angemessen war. Peter würde dafür sorgen, daß er gut behandelt würde.

M. Hebrand, dem Chef de Cuisine, würde die gleiche Berücksichtigung zuteil werden. Aber seine Pensionierung mußte rasch erfolgen, ebenso die Beförderung von Andre Lemieux zum Küchenchef.

Von dem jungen Andre Lemieux - der von Spezialitätenrestaurants, intimen Bars, einer Reorganisation des gesamten Verpflegungsfahrplans träumte - würde die Zukunft des St. Gregory zu einem erheblichen Teil abhängen. Ein Hotel lebte nicht nur vom Zimmervermieten. Es konnte bis zum letzten Platz belegt sein und trotzdem bankrott machen. Die Hauptquelle der Einkünfte lag in den Sonderdienstleistungen -Kongressen, Restaurants, Bars.

Neue Leute mußten eingestellt, die einzelnen Abteilungen umorganisiert, die Verantwortlichkeiten neu festgelegt werden. Als geschäftsführender Vizepräsident würde Peter einen Großteil seiner Zeit mit reinen Verwaltungsfragen und Geschäftspolitik zu tun haben. Für die tägliche Arbeit im Hotel würde er einen stellvertretenden Direktor brauchen. Es mußte ein fähiger junger Mann sein, der das Personal fest in der Hand hatte, aber mit Leuten, die älter waren als er selbst, gut auskam. Ein Absolvent der Hotelfachschule würde sich für den Posten vermutlich am besten eignen. Peter beschloß, am Montag den Dekan Robert Beck in der Cornell-Universität anzurufen. Der Dekan stand mit vielen seiner ehemaligen Studenten in Verbindung. Vielleicht kannte er einen Mann, der den Anforderungen entsprach und gleich greifbar war.

Trotz der Tragödie des heutigen Tages mußte man vorausdenken.

Da war seine eigene Zukunft mit Christine. Die Aussicht erregte und beflügelte ihn. Sie hatten bisher nicht darüber gesprochen. Christine war schon nach Hause gegangen. Er würde sich bald zu ihr auf den Weg machen.

Einige weniger angenehme Angelegenheiten waren noch in der Schwebe. Vor einer Stunde hatte Captain Yolles von der Kriminalpolizei kurz bei Peter hereingeschaut. Er kam von einer Unterredung mit der Herzogin von Croydon.

»Wenn man ihr gegenübersitzt«, sagte Yolles, »fragt man sich, was sich hinter der soliden Eisschicht verbirgt. Ist sie eine Frau? Empfindet sie etwas bei dem Gedanken daran, wie ihr Mann gestorben ist? Ich habe seine Leiche gesehen. Mein Gott! - Das hat er nicht verdient; das wünsche ich nicht mal meinem schlimmsten Feind. Übrigens hat sie ihn auch gesehen. Nicht viele Frauen hätten den Anblick ertragen können. Aber sie! -Sie hat nicht mit der Wimper gezuckt. Keine Wärme, keine Tränen. Hat bloß den Kopf zurückgeworfen, wie sie's immer macht, und ihre übliche hoheitsvolle Miene aufgesetzt. Wenn ich die Wahrheit sagen soll - als Mann fühle ich mich zu ihr hingezogen. Irgendwie packt einen die Neugier, und man möchte wissen, wie sie nun eigentlich wirklich ist.« Der Kriminalbeamte verstummte nachdenklich.