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Seit sie sich entspannt hatte, war ihr aufgefallen, daß sich auch der Druck auf ihrem Gesicht vermindert hatte. Nun raffte sie ihre letzten Kräfte zusammen, bog sich seitwärts und bekam ihren Mund einen Moment lang frei. »Hilfe!« rief sie. »Glauben Sie ihm nicht! Bitte, helfen Sie mir!« wieder wurde sie brutal am Weitersprechen gehindert.

Draußen entspann sich ein scharfer Wortwechsel. »Lassen Sie mich hinein«, sagte der Unbekannte.

»Das ist ein privater Raum. Ich sagte Ihnen doch schon, daß meine Frau unter Alpdrücken leidet.«

»Tut mir leid, Sir, aber ich glaube Ihnen nicht.«

»Na schön, kommen Sie rein.«

Als wollten sie kein Zeugnis gegen sich selbst ablegen, zogen sich die Hände von Marshas Körper zurück. Sobald sie frei war, rollte sie herum, richtete sich halb auf und blickte zur Tür. Ein junger Neger kam herein. Er schien Anfang der Zwanzig, hatte ein intelligentes Gesicht, war anständig angezogen und trug das kurze Haar gescheitelt und glatt gebürstet.

Er durchschaute die Situation sofort und sagte streng: »Lassen Sie die junge Dame gehen.«

»Seht euch das an, Jungs«, sagte Dixon. »Seht bloß mal, wer uns hier Befehle geben will.«

Marsha nahm undeutlich wahr, daß die Tür zum Korridor noch immer leicht offenstand.

»Okay, Nigger«, schnarrte Dixon, »du hast's so gewollt.« Seine rechte Faust schnellte fachgerecht nach vorn; er übertrug die ganze Kraft seiner breiten massigen Schultern in den Schlag, der den jungen Neger gefällt hätte, wenn er sein Ziel getroffen hätte. Aber der wich geschickt aus, der ausgestreckte Arm sauste an seinem Kopf vorbei, und Dixon stolperte nach vorn. Im gleichen Moment fuhr die linke Faust des Negers hoch und landete mit einem harten scharfen Knallen im Gesicht des Gegners.

Irgendwo weiter unten im Korridor öffnete und schloß sich eine Tür.

Eine Hand auf die Wange gepreßt, sagte Dixon: »Du gottverdammter Schuft!« Dann wandte er sich zu seinen Gefährten um. »Los, gebt's ihm!«

Nur der Junge mit der verletzten Hand hielt sich heraus. Die drei anderen fielen, wie von einem einzigen Impuls angetrieben, gemeinschaftlich über den jungen Neger her, und er ging unter dem Massenangriff zu Boden. Marsha vernahm das dumpfe Klatschen von Schlägen und außerdem - auf dem Korridor - ein immer lauter werdendes Stimmengewirr.

Auch die vier Jungen wurden von dem Stimmenlärm alarmiert. »Das ganze Hotel ist auf den Beinen«, warnte Lyle Dumaire. »Ich hab' euch gleich gesagt, wir sollten von hier verschwinden.«

Sie rasten auf die Tür zu, an der Spitze der Junge, der sich an der Rauferei nicht beteiligt hatte, die drei anderen in wilder Flucht dicht hinter ihm. Marsha hörte, wie Stanley Dixon irgend jemandem erklärte: »Es gab ein kleines Mißverständnis. Wir holen Hilfe.«

Der junge Neger erhob sich mit blutigem Gesicht vom Boden.

Eine neue gebieterische Stimme übertönte den Tumult im Korridor. »Wo war die Störung, bitte?«

»Wir haben Schreie und danach eine Rauferei gehört«, antwortete eine Frau erregt. »Dort drin!«

»Ich hatte mich schon vorher beschwert«, knurrte ein Mann erbost, »aber niemand hat sich darum gekümmert.«

Die Tür wurde aufgestoßen. Marsha erhaschte einen Schimmer neugierig spähender Gesichter und einer imponierenden, athletischen Gestalt. Dann wurde die Tür von innen geschlossen und die Deckenbeleuchtung angeknipst.

Peter McDermott betrachtete den unordentlichen Raum. »Was ist hier vorgefallen?«

Marsha lag zusammengekrümmt da, von Schluchzen geschüttelt. Sie versuchte sich aufzurichten, sank aber kraftlos gegen das Kopfende des Bettes und raffte die Fetzen ihres Kleides über der Brust zusammen. Schluchzend stammelte sie:

»Sie wollten... mich... vergewaltigen...«

McDermotts Miene verhärtete sich. Sein Blick heftete sich auf den jungen Neger, der an der Wand lehnte und sich mit dem Taschentuch das Blut vom Gesicht wischte.

»Royce!« Kalte Wut funkelte in McDermotts Augen.

»Nein! Nein!« rief Marsha flehend. »Er war's nicht! Er kam mir zu Hilfe!« Sie machte die Augen zu; ihr wurde übel beim Gedanken an weitere Gewalttaten.

Der junge Neger richtete sich auf. Er steckte das Taschentuch weg und sagte spöttisch: »Nur zu, Mr. McDermott, warum schlagen Sie mich nicht? Sie brauchten sich danach bloß auf einen Irrtum herausreden.«

»Ein Irrtum reicht mir. Ich habe Sie zu Unrecht verdächtigt und möchte mich deswegen bei Ihnen entschuldigen«, erwiderte Peter kurz. Er empfand eine tiefe Abneigung gegen Aloysius Royce, der die Rolle eines Kammerdieners bei dem Hotelbesitzer Warren Trent mit dem Studium der Jurisprudenz an der Loyola-Universität verband. Vor Jahrzehnten war sein Vater, der Sohn eines Sklaven, Warren Trents Leibdiener, Gefährte und Vertrauter geworden. Als der alte Mann ein Vierteljahrhundert später starb, rückte sein Sohn Aloysius, der im St. Gregory geboren und aufgewachsen war, an seine Stelle; er wohnte in der Privatsuite des Hoteleigentümers und durfte, auf Grund einer losen Übereinkunft, kommen und gehen, wie es ihm beliebte und seine Studien es erforderten. Aber Peter McDermott fand, daß Royce unnötig arrogant und herablassend auftrat und jede freundschaftliche Geste mit einer Mischung von Argwohn und aggressiver Feindseligkeit aufzunehmen schien.

»Erzählen Sie mir, was Sie wissen«, sagte Peter.

»Es waren vier - vier feine weiße junge Gentlemen.«

»Haben Sie den einen oder anderen von ihnen erkannt?« Royce nickte. »Zwei.«

»Das dürfte genügen.« Peter griff nach dem Telefon.

»Wen wollen Sie anrufen?«

»Die Polizei. Ich fürchte, wir müssen sie hinzuziehen.«

Der junge Neger lächelte schwach. »Falls ich Ihnen einen Rat geben darf, ich würde es nicht tun.«

»Warum nicht?«

»Erstens mal«, sagte Aloysius gedehnt und beim Sprechen seinen lokalen Akzent absichtlich stark betonend, »würde ich als Zeuge auftreten müssen. Und es gibt kein Gericht in unserem souveränen Staat Louisiana, das der Aussage eines Negers in einem Fall versuchter Notzucht unter Weißen Glauben schenkt. Nein, Sir, und schon gar nicht, wenn vier aufrechte junge weiße Gentlemen behaupten, daß der Nigger lügt. Auch wenn Miss Preyscott die Aussage des Negers bestätigt, würde das Gericht sie ihm nicht abnehmen. Und ich bezweifle stark, ob ihr Daddy ihr das erlauben würde, wenn man bedenkt, welch ein Aufhebens die Zeitungen davon machen würden.«

Peter legte den Hörer wieder auf. »Manchmal scheinen Sie's förmlich darauf anzulegen, die Dinge unnötig zu komplizieren«, sagte er. Aber er wußte, daß Royce recht hatte. Seine Augen schweiften zu Marsha hinüber. »Sagten Sie >Miss Preyscott<?«

Royce nickte. »Ihr Vater ist Mr. Mark Preyscott. Der Preyscott. Stimmt's, Miss?« Marsha nickte unglücklich.

»Miss Preyscott«, sagte Peter, »kennen Sie die jungen Leute, die für den Zwischenfall verantwortlich sind?«

Die Antwort war ein kaum vernehmbares: »Ja.«

Der junge Neger erklärte: »Sie gehören alle zum Alpha Kappa Epsilon, glaube ich.«

»Ist das wahr, Miss Preyscott?«

Sie nickte bejahend.

»Und sind Sie mit ihnen zusammen hierhergekommen - in diese Suite?«

»Ja«, flüsterte sie.

Peter musterte Marsha forschend. Nach einer Weile sagte er: »Es liegt bei Ihnen, Miss Preyscott, ob Sie Anzeige erstatten wollen oder nicht. Wozu immer Sie sich auch entscheiden, das Hotel wird Sie dabei unterstützen. Aber ich fürchte, Royce hatte mit dem, was er sagte, nicht so unrecht. Die Affäre würde zweifellos ziemlich viel Staub aufwirbeln.« Er fügte hinzu: »Den Ausschlag gibt natürlich Ihr Vater. Finden Sie nicht, daß ich ihn anrufen und herbitten sollte?«

Marsha hob den Kopf und sah Peter zum erstenmal offen an. »Mein Vater ist in Rom. Er darf nichts davon erfahren -niemals! Sagen Sie ihm bitte nichts.«