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Peter sagte entschieden: »Der alte Mann wird keinen Geldgeber finden.«

»Wieso sind Sie dessen so sicher?«

»Weil Leute mit Geld ihr Kapital sicher anlegen wollen. Das setzt eine gute Geschäftsleitung voraus, und die hat das St. Gregory nicht. Es könnte sie haben, hat sie aber nicht.«

Sie fuhren in nördlicher Richtung auf den Elysian Fields, deren zwei Fahrbahnen wie ausgestorben waren, als unmittelbar vor ihnen plötzlich grelles Licht aufstrahlte und im Dunkel hin und her schwang. Christine bremste, und als der Wagen hielt, kam ein Verkehrspolizist auf sie zu. Er richtete seine Stablampe auf den Volkswagen, ging um ihn herum und nahm ihn genau in Augenschein. Währenddessen sahen sie, daß das Stück Straße direkt vor ihnen mit Seilen abgesperrt war. Hinter der Absperrung untersuchten Männer in Uniform und Beamte in Zivil die Straßendecke im Licht starker Scheinwerfer.

Christine drehte das Fenster herunter, als der Verkehrspolizist auf ihrer Seite auftauchte. Offenbar zufrieden mit dem Ergebnis seiner Untersuchung sagte er: »Sie müssen die Umleitung nehmen. Fahren Sie langsam auf der anderen Fahrbahn weiter, bis Sie mein Kollege am Ende der Absperrung wieder in die Bahn hier einweist.«

»Was ist los?« fragte Peter. »Ein Unfall?«

»Tjah, Unfall mit Fahrerflucht. Passierte am frühen Abend.«

»Ist jemand dabei umgekommen?« erkundigte sich Christine.

Der Polizist nickte. »Ein kleines Mädchen von sieben Jahren.« Ihr schockierter Gesichtsausdruck veranlaßte ihn, mehr zu erzählen. »Es ging neben seiner Mutter. Die Mutter ist im Krankenhaus. Das Kind war auf der Stelle tot. Der Fahrer muß es gewußt haben. Er fuhr gleich weiter.« Mit unterdrückter Stimme fügte er hinzu: »Der Schuft!«

»Werden Sie herausfinden, wer's war?«

»Den Burschen schnappen wir, verlassen Sie sich darauf.« Der Polizist nickte grimmig und zeigte mit dem Daumen nach hinten auf die Absperrung. »Die Jungen da sind drauf geeicht, und der Unfall hat sie wild gemacht. Auf der Straße sind Glassplitter; folglich muß der Wagen was abgekriegt haben.« Scheinwerfer blinkten hinter dem Volkswagen auf, und der Polizist winkte sie weiter.

Beide schwiegen, während Christine auf die Umleitung hinüberschwenkte. In Peters Kopf nagte ein flüchtiger Eindruck, eine unbestimmte Idee, die sich jedem Zugriff entzog. Er führte sein Unbehagen auf den Unfall selbst zurück, war jedoch so stark davon in Anspruch genommen, daß es ihn überraschte, als er Christine sagen hörte: »Wir sind gleich da.«

Sie bogen in die Prentiss Avenue ein. Gleich darauf schwenkte der kleine Wagen nach rechts, dann nach links und hielt auf dem Parkplatz eines modernen zweistöckigen Appartementhauses.

»Wenn alle Stricke reißen«, rief Peter fröhlich, »verdinge ich mich wieder als Barmann!« Er war damit beschäftigt, in Christines Wohnzimmer, das in weichen Tönungen von Moosgrün und Blau gehalten war, Drinks zu mixen. Nebenan in der Küche schlug Christine Eier auf.

»Haben Sie das denn schon mal gemacht?«

»Eine Zeitlang.« Er maß drei Unzen Whisky ab, teilte sie in zwei Portionen und fügte Angostura und Peychaud's Bitter hinzu. »Ich erzähl' Ihnen bei Gelegenheit davon.« Nachträglich goß er noch etwas Whisky dazu und tupfte mit dem Taschentuch ein paar Tropfen ab, die auf den porzellanblauen Teppich gefallen waren.

Während er sich aufrichtete, warf er einen Rundblick durch das Wohnzimmer mit seinen ansprechenden Farben und Möbelstücken - einem französischen Bauernsofa, dessen Überzug mit einem weißblaugrünen Blattmuster bedruckt war, zwei Hepplewhite-Stühlen neben einer Kommode mit einem Marmoraufsatz und dem Mahagonibüfett, an dem er die Getränke gemixt hatte.

An den Wänden hingen einige französische Drucke von Louisiana und ein impressionistisches Ölgemälde. Der Raum wirkte warm und heiter, genau wie Christine selbst. Nur eine verschnörkelte Kaminuhr auf dem Büfett paßte nicht zu dem übrigen. Die leise vor sich hin tickende Uhr war unverkennbar viktorianisch, mit Metallverzierungen und einem fleckigen, vom Zahn der Zeit angenagten Zifferblatt. Peter betrachtete sie neugierig.

Als er mit den Drinks in die Küche kam, schüttete Christine gerade den geschlagenen Eierschaum aus einer Schüssel in die brutzelnde Pfanne.

»Noch drei Minuten«, sagte sie, »dann bin ich soweit.«

Er reichte ihr ein Glas, und sie stießen miteinander an.

»Konzentrieren Sie sich auf das Omelett. Jetzt ist's fertig.«

Es war wirklich ein Meisterwerk - leicht, locker und mit Kräutern gewürzt. »So sollten Omeletts immer sein«, meinte er anerkennend.

»Ich kann auch Eier kochen.«

Er winkte lässig ab. »Ein andermal, wenn Sie mich zum Frühstück einladen.«

Nachher gingen sie ins Wohnzimmer hinüber, und Peter mixte noch einen Drink. Es war fast zwei Uhr.

Er setzte sich neben sie aufs Sofa und wies auf die seltsam aussehende Uhr. »Ich kann mir nicht helfen, aber ich werde das Gefühl nicht los, daß die Uhr mich mißbilligend anstarrt, weil es schon so spät ist.«

»Vielleicht tut sie das wirklich«, erwiderte Christine. »Sie gehörte meinem Vater und stand in seinem Sprechzimmer, wo die Patientinnen sie sehen konnten. Es ist das einzige, was ich zurückbehalten habe.«

Sie versanken in Schweigen. Christine hatte ihm einmal ganz beiläufig von dem Flugzeugunglück in Wisconsin erzählt. Nach einer Weile sagte er sanft: »Sie müssen sich danach entsetzlich einsam vorgekommen sein.«

»Ich wollte sterben«, sagte sie schlicht. »Aber natürlich kommt man darüber hinweg - nach einer gewissen Zeit.«

»Wie lange dauerte es?«

Sie lächelte. »Ein - zwei Wochen. Der Hang zum Leben war schließlich stärker.«

»Und danach?«

»Als ich nach New Orleans kam, wollte ich mich dazu zwingen, nicht mehr daran zu denken. Aber mit jedem neuen Tag fiel es mir schwerer, und da wurde mir klar, daß ich mir irgendeine Arbeit suchen mußte, nur wußte ich nicht, was für eine und wo.«

Sie machte eine Pause, und Peter sagte: »Erzählen Sie weiter.«

»Zuerst dachte ich daran, mein Studium wiederaufzunehmen, aber ich kam sehr bald wieder davon ab. Ein akademischer Grad nur um seiner selbst willen erschien mir so sinnlos, und dann hatte ich auch das Gefühl, als wäre ich alledem entwachsen.«

»Das kann ich verstehen.«

Christine nippte nachdenklich an ihrem Glas. Peter betrachtete ihr beherrschtes Gesicht und spürte, wieviel Selbstbeherrschung und Gelassenheit es ausstrahlte.

»Na ja, eines Tages ging ich zufällig durch die Carondelet Street«, erzählte Christine, »und da sah ich plötzlich ein Schild: >Handelsschule<. Das ist das richtige, dachte ich mir; ich lerne einfach Schreibmaschine und Stenografie und suche mir eine Stellung, wo ich endlos viel zu tun habe. Und genauso ist es dann schließlich auch gekommen.«

»Und wieso landeten Sie gerade im St. Gregory?«

»Ich wohnte da - seit meiner Ankunft in New Orleans. Eines Morgens brachte man mir mit dem Frühstück auch die >Times -Picayune<, und im Inseratenteil fand ich ein Stellungsangebot für den Posten einer Privatsekretärin beim Hoteldirektor. Es war noch sehr früh, und ich dachte, ich würde als erste dort sein und warten. Damals war W. T. zeitiger im Büro als alle anderen. Ich ging in den Verwaltungstrakt und setzte mich ins Vorzimmer.«

»Hat er Sie vom Fleck weg eingestellt?«

»Eigentlich nicht... das heißt, offiziell engagiert wurde ich im Grunde nie. Als W. T. erfahren hatte, warum ich draußen wartete, rief er mich herein und fing an, mir Briefe zu diktieren und mich mit Anweisungen zu bombardieren. Die anderen Bewerber um den Posten trafen ein, nachdem ich schon stundenlang hart gearbeitet hatte, und so übernahm ich es denn auch, ihnen mitzuteilen, daß die Stellung bereits vergeben war.«

Peter schmunzelte. »Das sieht dem Alten ähnlich.«