Curtis O'Keefe und Dodo hatten sich in ihren zwei nebeneinanderliegenden Suiten bequem eingerichtet, wobei Dodo wie immer für beide auspackte, weil ihr das Freude machte. Der Hotelier saß nun im größeren der zwei Salons und studierte einen Geschäftsbericht, einen von mehreren, die sich in einer blauen Mappe mit der Aufschrift »Vertraulich - St. Gregory, vorläufiges Gutachten« befanden.
Dodo inspizierte den prachtvollen Obstkorb, der auf Peter McDermotts Anweisung hin in der Suite abgeliefert worden war, entschied sich für einen Apfel und war gerade dabei, ihn zu schälen, als das Telefon neben O'Keefes Ellenbogen innerhalb weniger Minuten zweimal läutete.
Der erste Anrufer war Warren Trent, der den Gast höflich begrüßte und sich erkundigte, ob alles in Ordnung sei. Nachdem Curtis O'Keefe freundlich versichert hatte, daß sie sich wohl fühlten - »Könnte gar nicht besser sein, mein lieber Warren, nicht mal in einem O'Keefe-Hotel« -, nahm er für sich selbst und Dodo die Einladung an, am Abend privat mit dem Besitzer des St. Gregory zu speisen.
»Es wird uns ein Vergüngen sein«, erklärte der Hotelier huldvoll. »Übrigens, ich bewundere Ihr Haus.«
»Das hatte ich befürchtet«, erwiderte Warren Trent trocken.
O'Keefe lachte schallend. »Wir unterhalten uns heute abend darüber, Warren. Vielleicht auch ein wenig über Geschäfte, wenn's sein muß, aber vor allem freue ich mich auf ein Gespräch mit einem großen Hotelmann.«
Als er den Hörer auflegte, fragte Dodo mit nachdenklich gekrauster Stirn: »Wenn er ein so großer Hotelmann ist, Curtie, warum verkauft er dann an dich?«
Wie immer gab er ihr eine ernsthafte Antwort, obwohl er im voraus wußte, daß sie sie nicht begreifen würde. »In der Hauptsache, weil die Zeiten sich geändert haben und er das nicht begriff. Heutzutage genügt es nicht, ein guter Hotelier zu sein; man muß auch kalkulieren können.«
»Herrje«, sagte Dodo, »sind die Äpfel groß!«
Der zweite Anruf, der dem ersten unmittelbar folgte, kam aus einem Münzfernsprecher in der Hotelhalle. »Hallo, Odgen«, sagte Curtis O'Keefe, nachdem der Anrufer seinen Namen genannt hatte, »ich lese gerade Ihren Bericht.«
Elf Stockwerke tiefer, in der Halle, nickte ein Mann mit fahlem Gesicht und schütterem Haar, der wie ein Buchhalter aussah, was er - unter anderem - auch war, seinem jüngeren Gefährten zu, der vor der Telefonzelle wartete. Er hieß Odgen Bailey, wohnte auf Long Island und hatte die letzten zwei Wochen unter dem Namen Richard Fountain aus Miami im Hotel verbracht. Es war typisch für seine Umsicht, daß er weder den Hausanschluß benutzte noch von seinem Zimmer in der vierten Etage aus anrief. Nun sagte er in korrektem Tonfalclass="underline" »Es gibt da noch einige Punkte, die wir gern ergänzen würden, Mr. O'Keefe, und einige zusätzliche Informationen, die Sie, glaube ich, brauchen werden.«
»Sehr gut. Ich erwarte Sie in fünfzehn Minuten.«
Beim Auflegen sagte Curtis O'Keefe belustigt zu Dodo: »Es freut mich, daß du das Obst magst. Sonst hätte ich all diesen Früchtesegen schon längst abgestellt.«
»Also, eigentlich bin ich gar nicht so scharf drauf.« Sie sah ihn mit ihren babyblauen Augen groß an. »Aber du ißt nie welches, und es kommt mir so gräßlich verschwenderisch vor.«
»In einem Hotel geht kaum etwas verloren«, versicherte er ihr. »Was du stehenläßt, nimmt sich ein anderer, und meistens verschwindet es durch die Hintertür.«
»Meine Mom ist verrückt auf Obst.« Dodo brach eine Weintraube ab. »Bei einem Korb wie dem hier würde sie
überschnappen.«
Er hatte wieder nach dem Bericht gegriffen. Nun legte er ihn weg. »Warum schickst du ihr dann nicht einen?«
»Meinst du jetzt gleich?«
»Natürlich.« Er hob den Telefonhörer ab und verlangte den Blumenladen im Hotel. »Hier ist Mr. O'Keefe. Ich glaube, Sie haben einen Obstkorb in meine Suite geliefert.«
Eine weibliche Stimme antwortete ängstlich: »Ja, Sir. Stimmt etwas damit nicht?«
»Nein, nein, es ist alles in Ordnung. Ich möchte nur, daß genauso ein Obstkorb nach Akron, Ohio, geliefert wird. Setzen Sie ihn auf meine Rechnung. Einen Moment...« Er reichte Dodo den Hörer. »Gib ihnen die Adresse und eine Nachricht für deine Mutter.«
Als sie fertig war, schlang sie impulsiv die Arme um seinen Hals. »Herrje, Curtie, du bist ein Schatz!«
Er sonnte sich in ihrer Freude, die völlig echt war. Es war seltsam, dachte er, daß Dodo, die wie alle ihre Vorgängerinnen gegen kostspielige Geschenke nichts einzuwenden hatte, sich allem Anschein nach über Kleinigkeiten - wie beispielsweise den Obstkorb für ihre Mutter - am meisten freute.
Kaum hatte er die Berichte in der Mappe durchgelesen, als es, pünktlich nach fünfzehn Minuten, an der Tür klopfte. Dodo, die öffnete, führte zwei Männer herein, die beide Aktentaschen trugen - Odgen Bailey und Sean Hall, seinen Kollegen. Hall war die jüngere Ausgabe seines Vorgesetzten und würde in zehn Jahren oder so die gleiche fahle konzentrierte Miene haben, die zweifellos vom unausgesetzten Brüten über Bilanzen und Gutachten herrührte.
Der Hotelier begrüßte beide Männer herzlich. Odgen Bailey -alias Richard Fountain - war eine wichtige Schlüsselfigur in der O'Keefe-Organisation. Er war nicht nur ein hervorragender Wirtschaftsprüfer, sondern besaß dazu die ungewöhnliche Fähigkeit, sich in jedes beliebige Hotel einzuschmuggeln und nach ein- oder zweiwöchigen diskreten Beobachtungen, von denen die Hotelleitung im allgemeinen nichts ahnte, eine Expertise vorzulegen, die den hoteleigenen Berechnungen unheimlich nahekam. Hall, den Bailey entdeckt und angelernt hatte, war ein vielversprechender Schüler und trat bereits jetzt in die Fußstapfen seines Lehrmeisters.
Wie O'Keefe im voraus gewußt hatte, lehnten beide Männer den Drink, den er ihnen anbot, höflich ab. Sie setzten sich auf ein Sofa ihm gegenüber und unterließen es, ihre Aktenmappen zu öffnen, als wüßten sie, daß zunächst bestimmte andere Zeremonien verrichtet werden mußten. Dodo hatte sich wieder auf den Obstkorb gestürzt und schälte eine Banane.
»Es freut mich, daß Sie kommen konnten, Gentlemen«, sagte Curtis O'Keefe, als wäre die Zusammenkunft nicht schon seit Wochen geplant gewesen. »Bevor wir uns jedoch den Geschäften zuwenden, wollen wir Gott, den Allmächtigen, um seinen Beistand bitten.«
Mit einer Gelenkigkeit, die lange Übung verriet, kniete der Hotelier nieder und faltete inbrünstig die Hände vor der Brust. Odgen Bailey folgte seinem Beispiel mit einer Miene, die an Resignation grenzte und anzeigte, daß er mit dieser Gepflogenheit durchaus vertraut war, und nach kurzem Zögern fiel auch Hall in die Knie. O'Keefe sah zu Dodo hinüber, die stillvergnügt ihre Banane aß. »Meine Liebe«, sagte er ruhig, »wir wollen Gott für unser Vorhaben um seinen Segen bitten.«
Dodo legte die Banane weg. »Okay«, sagte sie bereitwillig und glitt vom Sessel, »ich bin ganz Ohr, Curtie.«
Noch vor einigen Monaten hatten die häufigen Gebetsübungen ihres Wohltäters, die dazu noch in den unwahrscheinlichsten Momenten stattfanden, Dodo gelegentlich aus der Fassung gebracht, obwohl sie selbst nicht hätte sagen können, warum. Aber schließlich hatte sie sich, wie es ihre Art war, so weit daran gewöhnt, daß sie sie nicht mehr aufregten. »Weißt du«, hatte sie einer Freundin anvertraut, »Curtie ist wirklich ein Schatz, und ich finde, wenn ich mich für ihn auf den Rücken lege, kann ich ebensogut auch für ihn in die Knie gehen.«
»Allmächtiger Gott«, intonierte Curtis O'Keefe mit geschlossenen Augen und feierlichem, rosig überhauchtem Löwenantlitz, »verleih uns, falls es Dein Wille ist, bei dem, was wir vorhaben, Erfolg. Beim Kauf dieses Hotels, das den Namen Deines Heiligen Gregor trägt, erflehen wir Deinen Segen und Deine Hilfe. Gestatte uns, es jenen Hotels hinzuzufügen, die wir bereits - durch unsere Gesellschaft - für Deine Sache gewonnen haben und die in Deinem Namen verwaltet werden von Deinem ergebenen Knecht, der zu Dir spricht.« Auch wenn er es mit Gott zu tun hatte, blieb Curtis O'Keefe seiner Gewohnheit treu, keine langen Umschweife zu machen.