»Nein, Sir.« Sean Hall warf einen Blick auf seine Notizen und wendete seine ganze Aufmerksamkeit dem Thema zu, das in den letzten zwei Wochen für ihn vertrautes Gebiet geworden war. »Ein Mann, der stellvertretende Direktor McDermott, macht einen ausgezeichneten Eindruck. Er ist zweiunddreißig und hat die Cornell-Universität absolviert. Leider war seine Führung nicht ganz einwandfrei. Unser Personalbüro zog Erkundigungen ein. Ich habe den Bericht hier.«
Der Hotelier überflog das Blatt, das der junge Wirtschaftsprüfer ihm überreichte. Der Bericht enthielt die wesentlichen Fakten über Peter McDermotts Entlassung aus dem Waldorf und seine anschließenden, bis zu seiner Anstellung im St. Gregory erfolglosen Versuche, einen neuen Posten zu finden.
O'Keefe gab das Blatt zurück, ohne sich dazu zu äußern. Was mit McDermott geschehen würde, entschieden die »Wühlmäuse«. Aber sie wußten natürlich alle, daß der Hotelmagnat in seinem Konzern nur Angestellte mit makellosem Leumund duldete. Folglich war es höchst unwahrscheinlich, daß McDermott, wie tüchtig er auch immer sein mochte, von dem neuen Regime übernommen werden würde.
»Es gibt auch noch einige andere gute Leute in untergeordneten Positionen«, fügte Sean Hall hinzu.
Die Besprechung dauerte noch etwa fünfzehn Minuten. Dann verkündete Curtis O'Keefe: »Ich danke Ihnen, meine Herren. Rufen Sie mich an, wenn Sie etwas Neues hören, das wichtig ist. Andernfalls setze ich mich mit Ihnen in Verbindung.«
Dodo brachte die beiden Männer zur Tür.
Als sie zurückkam, hatte sich O'Keefe auf dem Sofa ausgestreckt. Seine Augen waren geschlossen. Von seinen geschäftlichen Anfängen an hatte er es sich zur Gewohnheit gemacht, den Tag über, wann immer es sich einrichten ließ, ein kurzes Nickerchen einzuschieben, um die Energie, die seine Untergebenen manchmal für unerschöpflich hielten, neu aufzuladen.
Dodo küßte ihn sanft auf den Mund. Er spürte ihre feuchten Lippen auf den seinen und ihren üppigen Körper. Ihre langen Finger tasteten nach seinem Nacken und massierten behutsam seinen Haaransatz. Eine weiche seidige blonde Strähne streifte über sein Gesicht. Er sah lächelnd auf. »Ich lade meine Batterie auf«, sagte er und fügte dann befriedigt hinzu: »Was du tust, hilft mir dabei.«
Die Finger bewegten sich weiter. Nach zehn Minuten war er ausgeruht und erfrischt. Er streckte sich und öffnete die Augen. Dann stand er auf und breitete die Arme aus.
Sie kam ihm voller Hingebung entgegen, schmiegte sich begierig an ihn an. Er fühlte, daß ihre stets leise schwelende Sinnlichkeit bereits zu einer wilden verlangenden Glut aufgeflammt war.
Mit wachsender Erregung führte er sie ins angrenzende Schlafzimmer.
11
Chefdetektiv Ogilvie, der erklärt hatte, er würde eine Stunde nach seinem geheimnisvollen Anruf in der Suite der Croydons erscheinen, stellte sich erst nach zwei Stunden ein. Infolgedessen waren die Nerven des Herzogs und der Herzogin bis zum Zerreißen gespannt, als der Summer endlich ertönte.
Die Herzogin öffnete selbst. Sie hatte ihre Zofe unter einem Vorwand weggeschickt und den Sekretär mit dem Mondgesicht unbarmherzigerweise damit beauftragt, die Bedlington-Terrier auszuführen - der Ärmste fürchtete sich vor Hunden. Daß die beiden jeden Moment zurückkehren konnten, trug nicht zur Verminderung ihrer Nervosität bei.
Von einer übelriechenden Rauchwolke umhüllt, trat Ogilvie ein und folgte der Herzogin in den Salon. Dort sah sie betont auf die Zigarre, die dem fetten Mann im Mundwinkel hing, und sagte: »Mein Mann und ich finden starken Rauch unerträglich. Würden Sie die Zigarre bitte ausmachen.«
Die Schweinsäuglein des Detektivs musterten sie ironisch, schweiften durch das geräumige, behaglich eingerichtete Zimmer und streiften dabei den Herzog, der mit dem Rücken zum Fenster stand und unsicher von einem zum anderen blickte.
»Ganz hübsche Bude habt ihr Leute hier.« Ogilvie nahm gemächlich den ärgerniserregenden Zigarrenstummel aus dem Mund, klopfte die Asche ab und schnippte den Stummel nach rechts zum dekorativen Kamin hinüber. Er verfehlte ihn, und die Zigarre landete auf dem Kaminteppich, wo sie liegenblieb.
Die Herzogin preßte die Lippen zusammen. »Sie sind vermutlich nicht hergekommen, um sich mit uns über Innenausstattung zu unterhalten«, sagte sie scharf.
Als Ogilvie anerkennend kicherte, gerieten die Fettmassen seines aufgeschwemmten Körpers ins Wabbeln. »Nein, Gnädigste, könnte nicht behaupten, daß ich deshalb hergekommen bin. Aber ich mag hübsche Dinge.« Er senkte die Stimme. »Hübsche Dinge, wie zum Beispiel Ihren Wagen. Ich meine den, der unten in der Garage steht. Ein Jaguar, stimmt's?«
»Ah!« Es war kein Ausruf, nur ein gepreßter Laut, den der Herzog beim Ausatmen von sich gab. Seine Frau warf ihm einen warnenden Blick zu.
»Aus welchem Grund interessieren Sie sich für unseren Wagen?«
Als wäre die Frage der Herzogin ein Startzeichen gewesen, machte das Benehmen des Hausdetektivs eine jähe Wandlung durch. Er erkundigte sich abrupt: »Wer ist sonst noch in der Suite?«
»Niemand«, antwortete der Herzog. »Wir haben unsere Leute weggeschickt.«
»Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.« Mit einer bei seiner Korpulenz erstaunlichen Beweglichkeit strich der fette Mann durch die Suite, inspizierte die Zimmer, sah hinter die Türen. Offenbar war er über die Raumeinteilung genau im Bilde. Nachdem er einen Blick in den Hotelkorridor geworfen hatte, kehrte er, anscheinend befriedigt, in den Salon zurück.
Die Herzogin hatte sich inzwischen auf einen Stuhl gesetzt. Ogilvie blieb stehen.
»Also«, sagte er, »ihr zwei seid in den Unfall verwickelt.«
Sie sah im gerade in die Augen. »Wovon reden Sie eigentlich?«
»Lassen Sie die Mätzchen, Lady. Die Sache ist kein Spaß.« Er holte eine neue Zigarre hervor und biß das eine Ende ab. »Sie haben die Zeitungen gelesen. Auch im Radio wurde eine Menge darüber gebracht.«
Im blassen Gesicht der Herzogin zeichneten sich zwei rote Flecke ab. »Was Sie da behaupten, ist die dümmste, abscheulichste -«
»Ich hab' Ihnen gesagt, Sie sollen das lassen!« stieß er hervor, jedes Wort einzeln ausspuckend; seine katzenfreundliche Sanftmut war verlogen. Ohne die Herzogin zu beachten, fuchtelte Ogilvie mit der unangezündeten Zigarre herum. »Jetzt hören Sie mir mal gut zu, Lady! Die ganze Stadt ist aus dem Häuschen - Polente, Bürgermeister und die gesamte Bevölkerung. Wenn sie herauskriegen, wer den Unfall gestern nacht verschuldet hat, zuerst das Kind und die Mutter umgebracht und sich danach aus dem Staub gemacht hat, dann schnappen sie sich ihn, egal, wer er ist oder ob er einen extrafeinen Titel hat. Na, und ich weiß, was ich weiß, und falls ich täte, was ich von Rechts wegen tun müßte, dann würde Ihnen die Polente so rasch auf die Bude rücken, daß es staubt. Aber ich wollte fair sein und zu Ihnen kommen, damit Sie mir Ihre Version von der Geschichte erzählen können.« Die Schweinsäuglein zwinkerten und wurden dann hart. »Wenn's Ihnen auf die andere Art lieber ist, brauchen Sie's bloß zu sagen.«
Die Herzogin von Croydon, von der vererbten Arroganz mehrerer Jahrhunderte geprägt, gab sich nicht so schnell geschlagen. Sie sprang auf und bot empört uid mit blitzenden graugrünen Augen dem fetten, plumpen Menschen Trotz. »Sie unverschämter Lump! Was unterstehen Sie sich!« Ihr Ton hätte jeden, der sie kannte, niedergeschmettert.
Auch Ogilvies Selbstvertrauen geriet einen Moment lang ins Wanken. Aber der Herzog schaltete sich ein. »Ich fürchte, es hat keinen Zweck, altes Mädchen, obwohl's den Versuch wert war«, sagte er und wandte sich dann an den Detektiv. »Was Sie uns vorwerfen, trifft zu. Ich bin schuld daran. Ich steuerte den Wagen und tötete das kleine Mädchen.«
»Das klingt schon besser.« Ogilvie zündete sich seine Zigarre an. »Jetzt kommen wir endlich vom Fleck.«