»Er ist schon sehr lange bei mir«, erwiderte Warren Trent zerstreut. Auch er hatte Royce beobachtet und sich dabei gefragt, wie sein Vater auf die Nachricht, daß die Leitung des Hotels demnächst in andere Hände übergehen würde, reagiert hätte. Vermutlich mit einem Schulterzucken. Geld und Gut hatten dem kleinen alten Mann wenig bedeutet. Warren Trent konnte ihn fast mit seiner rauhen lebhaften Stimme sagen hören: Sie haben so lange Ihren Kopf durchgesetzt, daß ein paar schlechte Jahre vielleicht nur zu Ihrem Besten sind. Gott beugt unseren Rücken und demütigt unseren hochfahrenden Sinn, damit wir nicht vergessen, daß wir trotz unserer großmächtigen Ideen nur seine ungeratenen Kinder sind. Und dann hätte der alte Mann vielleicht in bewußter Inkonsequenz hinzugefügt: Aber wenn man an etwas glaubt, muß man dafür kämpfen. Wer tot ist, erschießt niemanden mehr, denn er kann nicht mehr zielen.
Die Mahnung seines alten Freundes beherzigend, kämpfte Warren Trent weiter. »Wenn man Ihnen zuhört, bekommt alles, was mit einem Hotel zu tun hat, einen verdammt antiseptischen Beigeschmack. Ihren Hotels fehlt Wärme und Menschlichkeit. Sie sind für Automaten mit Lochkartenhirn und Schmieröl statt Blut.«
O'Keefe hob die Schultern. »Sie werfen Dividenden ab.«
»Finanziell mögen sie ein Erfolg sein, in menschlicher Beziehung betrachte ich sie als ein Unglück.«
Die letzte Bemerkung ignorierend, sagte O'Keefe: »Bisher war nur vom derzeitigen Stand unseres Geschäfts die Rede. Gehen wir noch einen Schritt weiter. Ich habe von meiner Organisation einen Entwurf für die Zukunft ausarbeiten lassen. Vermutlich würden manche es als Vision bezeichnen, obwohl es viel mehr eine wohlüberlegte Projektion dessen ist, wie Hotels -wenigstens die des O'Keefe-Konzerns - in einigen Jahren beschaffen sein werden.
Als erstes wird der Empfang vereinfacht; die Formalitäten dürfen höchstens ein paar Sekunden in Anspruch nehmen. Die Mehrzahl unserer Gäste wird direkt vom Flughafen in einem Hubschrauber ins Hotel befördert, so daß sich ein Empfangsschalter auf dem Dach direkt neben dem Landeplatz befindet. Andere Empfangsschalter befinden sich im Souterrain; dort werden die motorisierten Gäste abgefertigt; sie können mit dem Wagen direkt hineinfahren, so daß der heute übliche Umweg über die Halle wegfällt. An allen diesen Punkten gibt es von einem Elektronengehirn gesteuerte Verteileranlagen; nebenbei bemerkt wurden diese Geräte von IBM bereits entwickelt.
Gäste, die ihr Zimmer im voraus bestellen, bekommen einen programmierten Schlüssel zugeschickt. Sie stecken ihn in einen Schlitz und werden sofort von einer in Streckenabschnitte geteilten >denkenden< Rolltreppe zu einem Zimmer befördert, das möglicherweise eben erst geräumt wurde. Sollte es noch nicht fertig sein - und auch das wird vorkommen«, gab O'Keefe zu, »genau wie heute -, dann haben wir kleine transportable Zwischenstationen. Das sind Kabinen mit zwei Stühlen, einem Waschbecken und Abstellplatz für das Gepäck, gerade groß genug, um sich nach einer Reise aufzufrischen und für sich allein zu sein. Man kann sie betreten und verlassen wie ein reguläres Zimmer, und meine Ingenieure arbeiten gegenwärtig an einem Schema, nach dem die Zwischenstationen so beweglich werden, daß sie sich später selbsttätig vor dem angewiesenen Zimmer einklinken. Der Gast braucht dann nur noch eine IBM-gesteuerte Tür zu öffnen und aus der Kabine in sein Zimmer zu treten.
Für alle, die im eigenen Wagen eintreffen, wird es gleichartige Einrichtungen geben, mit programmierten Lichtsignalen, die sie zu ihrer eigenen Wagenbox dirigieren, von wo sie dann auf anderen >denkenden< Rolltreppen in ihre Zimmer gebracht werden. Wir werden auch die Gepäckabfertigung abkürzen durch Verwendung von Sortiermaschinen und Förderwerken; die Gepäckstücke werden so schnell in die einzelnen Zimmer geschleust, daß sie praktisch vor den Gästen dort eintreffen.
Ebenso wird der gesamte Service durch ein vollautomatisiertes Zustellsystem vereinfacht - Zimmerkellner, Getränke, Speisen, Blumenhändler, Drugstore, Zeitungsstand; sogar die Rechnung kann auf diesem Wege in Empfang genommen und bezahlt werden. Und nebenbei, ganz abgesehen von anderen Vergünstigungen, fällt damit auch der Trinkgeldzwang weg, eine Tyrannei, die wir - und unsere Gäste
- schon viel zu lange erduldet haben.«
Schweigen senkte sich auf den getäfelten Speiseraum herab, als sich der Hotelmagnat mit einem Schluck Kaffee stärkte, bevor er wieder das Wort ergriff.
»Meine Baupläne und die Vollautomatisierung werden es nahezu überflüssig machen, daß Gästezimmer von Hotelangestellten betreten werden müssen. Betten, die in die Wand zurückrollen, werden von außen maschinell bedient. Die Luftfilteranlagen sind bereits heute so weit vervollkommnet, daß Staub und Schmutz kein Problem mehr sind. Teppiche könnte man etwa auf Böden aus feinem Maschendraht verlegen, mit Luftraum darunter, der einmal am Tag abgesaugt wird, sobald sich ein Relais einschaltet.
All dies und noch mehr läßt sich schon heute verwirklichen. Die restlichen Probleme, die wir natürlich auch lösen werden« -O'Keefe ging mit einer für ihn typischen geringschätzigen Handbewegung darüber hinweg -, »die restlichen Probleme sind hauptsächlich solche der Koordination, Konstruktion und Investierung.«
»Ich kann nur hoffen, daß ich solche Veränderungen in meinem Hotel nicht mehr erlebe«, sagte Warren Trent energisch.
»Sie werden sie nicht erleben«, erklärte O'Keefe. »Dazu müßte man Ihr Haus abreißen und völlig neu aufbauen.«
»Das würden Sie tun!« rief Warren Trent schockiert.
O'Keefe zuckte mit den Schultern. »Ich kann hier natürlich nicht alle meine zukünftigen Pläne aufdecken. Aber ich würde doch sagen, daß unsere Politik in nicht allzulanger Zeit darauf hinauslaufen dürfte. Falls Sie sich über das Fortleben Ihres Namens Gedanken machen, könnte ich Ihnen versprechen, daß wir im neuen Gebäude eine Tafel zur Erinnerung an das ursprüngliche Hotel und, wenn möglich, auch an Ihr Wirken anbringen.«
»Eine Gedenktafel!« Der Besitzer des St. Gregory schnaubte verächtlich. »Wo würden Sie sie denn hinhängen - in die Herrentoilette?«
Dodo kicherte plötzlich. Als die zwei Männer ihr unwillkürlich den Kopf zuwandten, sagte sie: »Vielleicht gibt's keine mehr. Ich meine, wer braucht so was noch bei all den Transportanlagen?«
Curtis O'Keefe musterte sie scharf. Es gab immer wieder Augenblicke, wo er sich fragte, ob Dodo nicht vielleicht gescheiter war, als sie zugab.
Warren Trent war vor Verlegenheit rot angelaufen. Nun sagte er höflich: »Bitte, entschuldigen Sie meine höchst unpassende Bemerkung, meine Gnädigste.«
»Herrje, lassen Sie sich durch mich nicht stören«, antwortete Dodo verblüfft. »Jedenfalls finde ich das Hotel fabelhaft.« Sie richtete ihre großen, unschuldig dreinschauenden Augen auf Curtis O'Keefe. »Warum mußt du's abreißen, Curtie?«
Er entgegnete gereizt: »Ich habe davon lediglich als von einer Möglichkeit gesprochen. Auf jeden Fall ist es an der Zeit, daß Sie sich aus dem Hotelgeschäft zurückziehen, Warren.«
Im Vergleich zu dem bissigen Seitenhieb vor ein paar Minuten war die Antwort erstaunlich maßvoll. »Selbst, wenn ich dazu bereit wäre, müßte ich doch, außer an mich, auch an andere denken. Die meisten meiner alten Angestellten vertrauen mir genauso wie ich ihnen immer vertraut habe. Sie sagen mir, Sie hätten die Absicht, Menschen durch Maschinen zu ersetzen. Diese Vorstellung macht es mir unmöglich, aus dem Geschäft auszusteigen. So viel wenigstens schulde ich meinem Personal für die Loyalität, die es mir stets bewiesen hat.«