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»Sie sollten mit Netz arbeiten«, sagte Marsha, »wie die Zirkusleute.«

Peter grinste beschämt. »Vielleicht sollte ich mir auch gleich das Kostüm vom dummen August borgen.«

Flora richtete den schweren Drehsessel wieder auf. Als sich Peter mit Hilfe von Marsha und Flora mühselig hoch hievte, kam Christine herein. Sie blieb, ein Papier in der Hand schwenkend, auf der Schwelle stehen. »Störe ich?«

»Nein«, sagte Peter. »Ich... also, ich bin vom Stuhl gefallen.«

Christines Augen schweiften zu dem massiven Drehsessel hinüber, der an seinem alten Platz stand.

»Er kippte nach hinten.«

»Das haben Stühle so an sich, nicht wahr? Immer.« Christine sah Marsha an. Flora hatte sich diskret zurückgezogen.

Peter stellte die beiden einander vor.

»Wie geht es Ihnen, Miss Preyscott?« sagte Christine. »Ich habe von Ihnen gehört.«

Marsha blickte abschätzend von Peter auf Christine. »Wenn man in einem Hotel arbeitet, hört man vermutlich allen möglichen Klatsch, Miss Francis«, antwortete sie kühl. »Sie arbeiten doch hier, nicht wahr?«

»Klatsch habe ich eigentlich nicht gemeint. Aber Sie haben recht, ich arbeite hier. Folglich kann ich jederzeit wiederkommen, wenn es hier nicht mehr so stürmisch zugeht.«

Peter spürte eine spontane Feindseligkeit zwischen Marsha und Christine und fragte sich, was sie verursacht haben könnte.

Als hätte sie seine Gedanken erraten, sagte Marsha mit einem charmanten Lächeln: »Meinetwegen brauchen Sie nicht zu gehen, Miss Francis. Ich hab' nur rasch vorbeigeschaut, um Peter an das Dinner heute abend zu erinnern.« Sie sah ihn an »Sie haben es doch nicht vergessen, oder?«

»Nein.« Peter hatte ein hohles Gefühl im Magen. »Nein«, log er, »ich habe es nicht vergessen.«

Ein kurzes Schweigen folgte, das Christine mit der Frage unterbrach: »Heute abend?«

»Ach herrje!« rief Marsha. »Muß er vielleicht arbeiten oder so was?«

Christine schüttelte energisch den Kopf. »Er hat nichts vor. Ich selbst werde dafür sorgen, daß er rechtzeitig wegkommt.«

»Das ist wirklich süß von Ihnen.« Marsha bedachte Christine wieder mit dem charmanten Lächeln. »Also, ich mach' mich jetzt besser auf die Beine. O ja - um sieben Uhr«, fügte sie zu Peter gewandt hinzu, »und die Adresse ist Prytania Street - das Haus mit den vier großen Säulen. Auf Wiedersehen, Miss Francis.« Sie winkte einen lässigen Gruß, ging hinaus und schloß die Tür.

Mit unschuldsvoller Miene erkundigte sich Christine: »Soll ich die Adresse nicht aufschreiben?... Das Haus mit den vier großen Säulen... damit du's nicht vergißt?«

Er hob hilflos die Hand. »Ich weiß - wir waren verabredet. Die Sache mit Marsha war mir völlig entfallen. Nach dem gestrigen Abend hab' ich bloß noch an uns beide gedacht. Und als wir heute morgen miteinander telefonierten, war ich doch ziemlich durcheinander.«

»Das wundert mich nicht«, sagte Christine vergnügt. »Welcher Mann würde nicht durcheinander geraten, wenn er so umschwärmt wird.«

Sie hatte beschlossen - obwohl es sie einige Mühe kostete -, die Sache leichtzunehmen und, wenn nötig, Verständnis zu zeigen. Sie sagte sich, daß die gestrige Nacht ihr noch kein festes Anrecht auf Peters Zeit gab und daß seine Erklärung vermutlich stimmte. »Hoffentlich hast du einen angenehmen Abend«, fügte sie hinzu.

Er bewegte sich unruhig in seinem Sessel. »Marsha ist noch ein Kind.«

Alles hatte seine Grenzen, fand Christine, auch Geduld und Verständnis. Ihre Augen forschten in seinem Gesicht. »Ich nehme an, du glaubst das wirklich. Als Frau weiß ich das besser, und ich kann dir nur sagen, daß die kleine Miss Preyscott einem Kind so ähnlich ist wie eine Katze einem Tiger. Aber vermutlich macht es einem Mann Spaß, aufgefressen zu werden.«

»Du siehst das Ganze völlig falsch.« Er schüttelte ungeduldig den Kopf. »Die Sache ist einfach die, daß sie vor zwei Nächten eine scheußliche Erfahrung machte und... «

»Einen Freund brauchte.«

»Richtig.«

»Und da warst du zur Stelle!«

»Wir kamen ins Gespräch. Und ich sagte, ich würde heute abend zu ihr zu einer Dinnerparty kommen. Es werden noch andere Gäste da sein.«

»Bist du sicher?«

Bevor er antworten konnte, schrillte das Telefon. Verärgert griff er nach dem Hörer.

»Mr. McDermott«, sagte eine erregte Stimme, »hier unten gib's Ärger, und der stellvertretende Manager sagt, Sie möchten bitte so schnell wie möglich in die Halle kommen.«

Als Peter den Hörer auflegte, war Christine nicht mehr da.

5

Es gab Zwangslagen, von denen man immer hoffte, sie würden einem erspart bleiben, dachte Peter McDermott grimmig. Kam es dann doch so weit, dann war es, als wäre ein lange gefürchteter Albtraum Wirklichkeit geworden. Schlimmer noch, Seelenfrieden, Überzeugungen, Integrität und Verpflichtungen gingen dabei in die Brüche.

In wenigen Augenblicken hatte er die Situation in der Halle überschaut, obwohl die Auseinandersetzung noch im Gange war. Der würdevolle Neger mittleren Alters, der ruhig neben dem Schreibtisch in der Nische saß, der empörte Dr. Ingram, hochgeschätzter Präsident des Zahnärztekongresses, und der unverhohlene Gleichmut des stellvertretenden Managers, nun, da die Verantwortung von seinen Schultern genommen war - all das sagte Peter genug.

Es war nur zu deutlich, daß die Krise, die sich so plötzlich angebahnt hatte, eine Explosion auslösen konnte, falls man ihr nicht geschickt begegnete.

Peter gewahrte zwei Zuschauer: das vertraute, so oft in den Zeitungen abgebildete Gesicht von Curtis O'Keefe, der die Szene aus diskreter Entfernung gespannt beobachtete, und einen jugendlichen, breitschultrigen Mann mit dicker Brille, grauen Flanellhosen und Tweedjacke. Er stand neben einem vielgereisten Koffer und schien sich oberflächlich in der Halle umzusehen, dennoch entging ihm nichts von dem Drama, das sich neben dem Schreibtisch abspielte.

Der Präsident des Zahnärztekongresses richtete sich zu seiner vollen Größe von einsvierundsechzig auf, sein rundes rosiges Gesicht unter dem widerspenstigen weißen Haarschopf war hochrot, sein Mund eine dünne Linie. »Mr. McDermott, sollten Sie und Ihr Hotel auf diesem unerhörten Affront beharren, dann möchte ich Sie jetzt schon darauf vorbereiten, daß Sie sich damit eine Menge Ärger auf den Hals laden.« Die Augen des kleinen Doktors funkelten zornig, seine Stimme schwoll an. »Dr. Nicholas ist ein hochgeachtetes Mitglied unseres Verbandes. Wenn Sie ihm ein Zimmer verweigern, betrachte ich das als eine persönliche Kränkung und als eine Verunglimpfung sämtlicher Tagungsteilnehmer.«

Wäre ich nur Statist und nicht unmittelbar betroffen, dachte Peter, dann würde ich jetzt vermutlich Hurra rufen. Aber man muß den Tatsachen ins Gesicht sehen. Er war betroffen, und sein Job verlangte, daß er alles tat, um einen Skandal zu verhindern. »Vielleicht würden Sie und Dr. Nicholas« - sein Blick schloß den Neger höflich mit ein - »in mein Büro kommen, wo wir die Angelegenheit in aller Ruhe besprechen können.«

»Nein, Sir! Wir werden hier darüber sprechen. Wir haben nichts zu verbergen.« Der zornige kleine Doktor wich und wankte nicht. »Also geben Sie nun meinem Freund und Kollegen Dr. Nicholas ein Zimmer oder nicht?«

Köpfe wandten sich um. Mehrere Leute blieben auf dem Weg durch die Halle stehen. Der Mann in der Tweedjacke, der noch immer Interesselosigkeit vortäuschte, schob sich näher heran.

Welch ein Verhängnis hatte es gefügt, daß er sich gerade einem Mann wie Dr. Ingram widersetzen mußte, fragte sich Peter McDermott niedergeschlagen, einem Mann, den er instinktiv bewunderte. Und es war eine besondere Ironie des Schicksals, daß er erst am Tage zuvor gegen Warren Trents Vorurteile Sturm gelaufen war, die diesen Zwischenfall praktisch heraufbeschworen hatten. Einen Moment lang war Peter versucht, die Frage des ungeduldigen kleinen Doktors mit einem Ja zu beantworten und auf die Konsequenzen zu pfeifen. Aber er wußte, daß es sinnlos gewesen wäre.