»Sie haben meine Frage nicht beantwortet.«
»Darauf komme ich gerade.« Die Schweinsäuglein funkelten. »Geht irgendwas schief -, zum Beispiel, wenn Sie mir sagen, Sie hätten das Geld nicht, weil die Banken am Samstag geschlossen sind und Sie das verschwitzt haben, dann alarmiere ich die Polizei - genau dort in Chikago.«
»Dann würden Sie aber für sich selbst auch eine ganze Menge zu erklären haben. Beispielsweise, warum Sie den Wagen nach dem Norden geschafft haben.«
»Da ist weiter nichts dabei. Ich würde bloß sagen, Sie hätten mir ein paar hundert Dollar dafür bezahlt, damit ich den Wagen raufbringe. Sie und der Herzog hier wollten fliegen. Und erst, als ich in Chikago ankam und mir den Wagen näher besah, war' mir ein Licht aufgegangen. Sie sehen....« Er zuckte die Schultern.
»Wir haben nicht die Absicht«, versicherte die Herzogin von Croydon, »unseren Teil der Abmachungen nicht einzuhalten. Aber genau wie Sie wollte ich sichergehen, daß wir einander verstehen.«
Ogilvie nickte. »Ich schätze, das ist okay.«
»Kommen Sie um fünf wieder her«, sagte die Herzogin. »Dann liegt das Geld bereit.«
Als Ogilvie gegangen war, verließ der Herzog seine selbst auferlegte Isolierung am anderen Ende des Raumes. Auf einem Büfett stand ein seit dem Abend zuvor wieder aufgefülltes Tablett mit Gläsern und Flaschen. Er schenkte sich einen steifen Scotch ein, fügte einen Schuß Soda zu und kippte den Drink hastig hinunter.
»Du fängst heute wieder früh an, wie ich sehe«, sagte die Herzogin eisig.
»Es ist ein Reinigungsmittel.« Er goß sich einen zweiten Scotch ein, trank ihn diesmal jedoch langsamer aus. »Wenn ich mit diesem Menschen in demselben Raum bin, komme ich mir immer schmutzig vor.«
»Er ist offenbar nicht so empfindlich«, bemerkte seine Frau. »Andernfalls könnte er gegen die Anwesenheit eines betrunkenen Kindesmörders einiges einzuwenden haben.«
Das Gesicht des Herzogs war kreidebleich. Seine Hände zitterten, als er das Glas abstellte. »Das war ein Tiefschlag, altes Mädchen.«
Sie fügte hinzu: »Der außerdem noch davonlief.«
»Bei Gott - damit kommst du nicht durch!« rief er wütend. Er ballte die Hände, und eine Sekunde lang sah es so aus, als würde er zuschlagen. »Du warst es, die unbedingt weiterfahren und nachher nicht umkehren wollte. Du ganz allein! Ich hätte angehalten, wenn du nicht gewesen wärst! Du sagtest, es wäre sinnlos; man könnte das Unheil nicht ungeschehen machen. Noch gestern wollte ich mich der Polizei stellen. Du warst dagegen! Und jetzt haben wir ihn, diesen... diesen räudigen Hund, der uns auch noch den letzten Rest von Selbstachtung rauben wird...« Die Stimme erstarb.
»Darf ich annehmen, daß du mit deinem hysterischen Ausbruch fertig bist?« erkundigte sich die Herzogin. Als er nicht antwortete, fuhr sie fort: »Und darf ich dich daran erinnern, daß es mich bemerkenswert wenig Überredungskraft kostete, dich zu meiner Meinung zu bekehren? Wäre es dir mit deinen Wünschen oder Absichten ernst gewesen, dann hättest du dich um mich nicht im geringsten zu kümmern brauchen. Was deine Angst vor der Räude betrifft, so bezweifle ich, daß du dich angesteckt hast, da du dich vorsorglich ferngehalten und die Verhandlungen mit diesem Mann mir überlassen hast.«
Der Herzog seufzte. »Ich hätte mich gar nicht erst auf einen Streit einlassen sollen. Entschuldigung.«
»Falls ein Streit zur Klärung deiner Gedanken notwendig ist«, sagte sie gleichgültig, »habe ich nichts dagegen.«
Ihr Mann hatte wieder nach seinem Glas gegriffen und drehte es müßig in der Hand. »Es ist komisch, aber für eine Weile hatte ich das Gefühl, als hätte uns all dies, so schlimm es auch war, einander näher gebracht.«
Die Worte waren so offensichtlich ein Appell, daß die Herzogin zögerte. Denn die Unterredung mit Ogilvie hatte auch sie gedemütigt und erschöpft. Sie sehnte sich, im tiefsten Inneren, nach einer kurzen Waffenruhe.
Aber es war seltsam, eine Geste der Versöhnung überstieg ihre Kraft. Statt dessen entgegnete sie: »Sollte das wirklich der Fall sein, dann habe ich es nicht bemerkt.« Und sie fügte noch strenger hinzu: »Im übrigen haben wir jetzt schwerlich Zeit für Sentimentalitäten.«
»Richtig!« Als wäre die Antwort seiner Frau ein Signal, kippte der Herzog seinen Drink und schenkte sich noch einen ein.
Sie sagte beißend: »Ich wäre dir zu Dank verpflichtet, wenn du wenigstens einigermaßen bei Besinnung bliebst. Vermutlich werde ich mit der Bank verhandeln müssen, aber es wäre ja möglich, daß sie deine Unterschrift brauchen.«
7
Warren Trent sah sich zwei Aufgaben gegenüber, die er sich selbst auferlegt hatte und die beide nicht nach seinem Geschmack waren.
Als erstes wollte er Tom Earlshore mit Curtis O'Keefes Anschuldigungen vom Abend zuvor konfrontieren. »Er betrügt Sie nach Strich und Faden«, hatte O'Keefe von dem ältlichen Barmann behauptet. Und: >Nach allem, was ich gehört habe, geht es schon sehr lange so.«
Wie versprochen, hatte O'Keefe seine Anklage dokumentarisch belegt. Kurz nach zehn Uhr morgens hatte ein junger Mann, der sich als Sean Hall von der O'Keefe-Hotel-Corporation vorstellte, Warren Trent einen Bericht gegeben -mit detaillierten Beobachtungen, Daten und Zeitangaben. Der junge Mann, der geradewegs in Warren Trents Suite in der fünfzehnten Etage gekommen war, wirkte verlegen. Der Hotelbesitzer dankte ihm und machte sich daran, den siebenseitigen Bericht zu lesen.
Er begann in grimmiger Laune, und sein Groll vertiefte sich, je weiter er kam. In dem Gutachten kam nicht nur Tom Earlshores Name vor, sondern auch der anderer Angestellter, die er für vertrauenswürdig gehalten hatte. Es wurde Warren Trent schmerzlich klar, daß er gerade von den Männern und Frauen betrogen wurde, auf die er sich am meisten verlassen hatte, einschließlich jener, wie Tom Earlshore, die er als persönliche Freunde betrachtet hatte. Es war auch offenkundig, daß die Korruption im Hotel noch viel weiter verbreitet sein mußte, als aus dem Bericht hervorging.
Nachdem er die maschinegeschriebenen Blätter sorgsam zusammengefaltet hatte, verstaute er sie in einer Innentasche seines Jacketts. Wenn er sich nicht zusammennahm, würde er in Wut geraten, das wußte er, und alle, die sein Vertrauen mißbraucht hatten, entlarven und züchtigen. Darin mochte sogar eine melancholische Befriedigung liegen.
Aber übermäßiger Zorn war ein Gefühl, das ihm neuerdings jegliche Kraft raubte. Er beschloß, sich nur Tom Earlshore vorzunehmen und sonst niemanden.
Immerhin hatte der Bericht eine nützliche Wirkung, dachte Warren Trent. Er hatte ihn von einer Verpflichtung befreit.
Bis zum gestrigen Abend war seine Einstellung zum St. Gregory zu einem guten Teil von der Loyalität bestimmt, die er seines Erachtens dem Hotelpersonal schuldete. Nun fielen durch die Treulosigkeit, die man ihm gegenüber gezeigt hatte, all diese Bedenken weg.
Damit eröffnete sich ihm eine Möglichkeit, die Kontrolle über das Hotel zu behalten, eine Möglichkeit, die er bisher nie ernsthaft in Erwägung gezogen hatte. Auch jetzt noch erregte sie seinen Abscheu, weshalb er beschloß, sich zuerst der weniger unangenehmen Pflicht zu entledigen und Tom Earlshore aufzusuchen.
Die Pontalba-Bar befand sich im Erdgeschoß des Hotels und war von der Halle aus zugänglich durch eine ledergepolsterte, mit Bronze beschlagene Schwingtür. Innen führten drei teppichbelegte Stufen in einen Raum hinab, der die Form eines L hatte und mit Tischen und bequemen Sitznischen ausgestattet war.
Ungleich den meisten anderen Cocktail-Bars war die Pontalba hell erleuchtet. Infolgedessen konnten die Kunden sich gegenseitig ebensogut beobachten wie die Bar selbst, die sich am Querbalken des L entlangzog. Vor der Bar stand ein halbes Dutzend gepolsterter Hocker für einsame Trinker, die, wenn sie wollten, auf ihren Sitzen herumschwenken konnten, um einen Blick in die Runde zu werfen.