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Immer mehr Gäste strömten durch den Eingang von der Halle in die Pontalba-Bar. Das Stimmengewirr hatte zugenommen und wurde lauter. Ein junger Gehilfe war hinter der Bar aufgetaucht und bereitete Drinks zu, die von den Kellnern abgeholt wurden. Er vermied es geflissentlich, zu Trent und zu seinem ehemaligen Vorgesetzten hinüberzusehen.

Tom Earlshore blinzelte. Ungläubig protestierte er: »Aber der Lunchbetrieb -«

»Geht Sie nichts mehr an! Sie sind fristlos entlassen.«

In dem Maße, in dem ihm das Unvermeidliche klar wurde, wandelte sich auch der Gesichtsausdruck des Ex-Barmanns. Seine ehrerbietige Miene machte einem verkniffenen Grinsen Platz, als er erklärte: »Okay, ich gehe. Aber Sie, mein großmächtiger Mr. Trent, werden mir ziemlich bald folgen, weil man Sie nämlich auch rausschmeißen wird. Das weiß hier doch jeder.«

»Was weiß hier jeder?«

Earlshores Augen glühten. »Die Leute hier wissen, daß Sie ein unnützer, ruinierter alter Trottel sind, der von der Leitung eines Hotels genausowenig versteht wie ein Wickelkind. Das ist auch der Grund, warum Sie das Haus hier nicht halten können, und wenn man Sie raussetzt, werde ich einer von vielen sein, der sich darüber halb totlacht.« Er zögerte, schwer atmend und bestürzt über seine Verwegenheit. Aber der Drang, sich zu rächen, war stärker. »Länger, als ich denken kann, haben Sie sich angestellt, als wären wir alle hier Ihr Eigentum. Na schön, vielleicht haben Sie wirklich ein paar Cents mehr gezahlt als andere und den Wohltäter gespielt - wie bei mir -, als wären Sie Christus und Moses in einer Person. Aber uns konnten Sie damit nicht zum Narren halten. Sie zahlten höhere Löhne, um die Gewerkschaften rauszuhalten, und wohltätig waren Sie, damit Sie sich als großer Mann fühlen konnten, und so kamen die Leute schnell genug dahinter, daß Sie dabei mehr an sich dachten als an sie. Deshalb haben sie hinter Ihrem Rücken über Sie gelacht und in die eigene Tasche gewirtschaftet so wie ich. Glauben Sie mir, es hat sich 'ne Menge getan - mehr als Sie jemals herauskriegen werden.« Earlshore verstummte, und sein Gesicht spiegelte die Befürchtung wider, daß er zu weit gegangen war.

Hinter ihnen füllte sich die Bar schnell. Zwei der benachbarten Barhocker waren bereits besetzt. Im ständig zunehmenden Lärm trommelte Warren Trent nachdenklich mit den Fingern auf die lederbezogene Theke. Seltsamerweise war seine Wut verraucht. An ihre Stelle war eine stählerne Entschlossenheit getreten - den Schritt, den er vorher in Erwägung gezogen hatte, nun nicht länger hinauszuzögern.

Er hob seine Augen zu dem Mann, den er seit dreißig Jahren zu kennen glaubte, aber in Wirklichkeit niemals gekannt hatte. »Tom, Sie werden es nie verstehen, aber mit Ihren letzten Worten haben Sie mir einen großen Gefallen erwiesen. Und jetzt verschwinden Sie - bevor ich es mir anders überlege und Sie doch noch ins Gefängnis schicke.«

Tom Earlshore wandte sich ab und ging stumm hinaus.

Als Warren Trent auf dem Weg zum Ausgang nach der Carondelet Street die Halle passierte, übersah er kühl die Blicke von Angestellten, denen er begegnete. Ihm war nicht nach Scherzreden zumute, nachdem er an diesem Morgen gelernt hatte, daß Verrat ein Lächeln zur Schau trug und sich hinter Herzlichkeit Verachtung verbergen konnte. Die Eröffnung, daß man ihn wegen seiner Versuche, die Angestellten gut zu behandeln, auslachte, hatte ihn tief getroffen - um so mehr, als sie der Wahrheit zu entsprechen schien. Nun, dachte er, wartet nur ein oder zwei Tage. Wir werden sehen, wer dann lacht.

Als er draußen auf der betriebsamen, sonnenbeschienenen Straße anlangte, sah ihn ein uniformierter Türsteher und trat ehrerbietig auf ihn zu. »Besorgen Sie mir ein Taxi«, befahl Warren Trent. Er hatte vorgehabt, ein oder zwei Blocks zu Fuß zu gehen, aber ein stechender Schmerz in der Hüfte, als er die Hotelstufen hinunterstieg, brachte ihn davon ab.

Der Türsteher blies in seine Trillerpfeife, und ein Taxi scherte aus dem vorbeiflutenden Verkehrsstrom aus und bremste am Randstein. Warren Trent kletterte schwerfällig auf den Rücksitz, während der Mann die Tür offenhielt und respektvoll an die Mütze tippte, bevor er sie zuschlug. Der Respekt war auch nur eine leere Geste, vermutete Warren Trent. Er wußte, daß er von nun an viele Dinge, die er bisher für bare Münze genommen hatte, mit Mißtrauen betrachten würde.

Das Taxi fuhr an, und als er den forschenden Blick des Fahrers im Rückspiegel gewahrte, sagte er: »Fahren Sie mich nur ein paar hundert Meter weiter. Ich möchte telefonieren.«

»Es gibt einen Haufen Telefone im Hotel, Boß«, sagte der Mann.

»Das ist meine Sache. Bringen Sie mich zu einem Münzfernsprecher.« Der Mann brauchte nicht zu wissen, daß der Anruf, den er vorhatte, zu geheim war, als daß er die Benutzung einer Hotelleitung riskieren konnte.

Der Fahrer zuckte mit den Schultern. Nach zwei Blocks schwenkte er nach Süden in die Canal Street ein, seinen Fahrgast wieder prüfend im Rückspiegel musternd. »Es ist ein schöner Tag. Unten am Hafen gibt's mehrere Telefonzellen.«

Warren Trent nickte, froh über den kurzen Aufschub.

Der Verkehr wurde dünner, als sie die Tchoupitoulas Street kreuzten. Eine Minute später stoppte der Wagen auf dem Parkplatz vor dem Gebäude der Hafenverwaltung. Einige Meter weiter befand sich eine Telefonzelle.

Er gab dem Fahrer einen Dollar und wies das Kleingeld zurück. Dann, im Begriff auf die Zelle zuzusteuern, überlegte er es sich anders und ging quer über die Eads Plaza zum Fluß hinunter. Die Mittagshitze prallte auf ihn herab und sickerte von der betonierten Promenade tröstlich durch seine Schuhsohlen. Die Sonne, Freundin alter Knochen, dachte er.

Am jenseitigen Ufer des fast einen Kilometer breiten Mississippi flimmerte Algiers in der Hitze. Vom Fluß stiegen heute üble Gerüche auf, obwohl das nichts Ungewöhnliches war. Gestank, Trägheit und Schlick gehörten zu den Launen des Vaters der Gewässer. Er gleicht dem Leben, dachte Warren Trent; man ist stets von Treibsand und Schlamm umgeben.

Ein Frachter glitt vorbei in Richtung auf den Golf, mit der Sirene einen einfahrenden Schleppzug anheulend. Der Schleppzug änderte den Kurs; der Frachter dampfte weiter, ohne sein Tempo zu verringern. Bald würde das Schiff die Einsamkeit des Flusses gegen die noch größere Einsamkeit des Ozeans vertauschen. Er fragte sich, ob die Menschen an Bord sich dessen bewußt waren oder sich darum kümmerten. Vielleicht nicht. Oder vielleicht hatten sie, wie er selbst, mit der Zeit begriffen, daß es keinen Ort auf der Welt gibt, wo der Mensch nicht einsam ist.

Er ging zur Telefonzelle zurück und machte die Tür sorglich hinter sich zu. »Ein Ferngespräch«, erklärte er der Vermittlung. »Nach Washington, D. C.«

Es dauerte mehrere Minuten, und es gab einige Rückfragen, bevor er mit der Person verbunden wurde, die er verlangt hatte. Schließlich kam die rauhe, barsche Stimme eines der mächtigsten - und, wie manche behaupteten, auch korruptesten - Gewerkschaftsführers der Staaten durch die Leitung.

»Also los, reden Sie.«

»Guten Morgen«, sagte Warren Trent. »Ich hatte gehofft, daß Sie nicht beim Lunch wären.«

»Sie haben drei Minuten«, sagte die Stimme kurz. »Fünfzehn Sekunden haben Sie bereits vergeudet.«

Warren Trent sagte hastig: »Vor einiger Zeit, bei einem Zusammentreffen, machten Sie mir ein vorläufiges Angebot. Vielleicht erinnern Sie sich nicht mehr -«

»Ich erinnere mich stets. Manche Leute wünschen, es wäre anders.«

»Bei dieser Gelegenheit war ich ein bißchen kurz angebunden, was ich bedaure.«

»Das war eine halbe Minute. Ich habe hier eine Stoppuhr.«

»Ich bin bereit, mit Ihnen ein Abkommen zu treffen.«

»Die Abkommen treffe ich. Andere akzeptieren sie.«

»Falls Ihre Zeit wirklich so kostbar ist«, schoß Warren Trent zurück, »dann wollen wir sie nicht mit Haarspaltereien vertrödeln. Seit Jahren versuchen Sie im Hotelgeschäft Fuß zu fassen. Außerdem möchten Sie die Position Ihrer Gewerkschaft in New Orleans verstärken. Ich biete Ihnen eine Chance, die Ihnen beides ermöglicht.«