»Er vielleicht nicht. Aber das Gesindel, das ihm folgen würde. Dann säßen wir in der Tinte.«
»Ich hatte gedacht, wir säßen ohnehin drin.« Peter war sich klar darüber, daß er sich am Rande eines Abgrunds bewegte. Er fragte sich, wie weit er gehen könnte und warum - gerade heute - sein Arbeitgeber bei so guter Laune war.
Warren Trents aristokratische Züge verzerrten sich ironisch.
»Wir mögen eine Zeitlang in Schwierigkeiten gewesen sein. Aber in ein oder zwei Tagen ist es damit vorbei.« Er fügte unvermittelt hinzu: »Ist Curtis O'Keefe noch im Hotel?«
»Soviel ich weiß, ja. Ich hätte es gehört, wenn er abgereist wäre.«
»Gut!« Wieder das verstohlene Lächeln. »Ich habe eine Information, die Sie interessieren dürfte. Morgen werde ich O'Keefe und seinem gesamten Hotelkonzern sagen, sie könnten von mir aus in den See Pontchartrain springen.«
11
Von seinem günstigen Ausguck am Stehpult des Chefportiers beobachtete Herbie Chandler verstohlen, wie die vier jungen Männer die Halle des St. Gregory betraten. Es war einige Minuten vor vier.
Er erkannte Lyle Dumaire und Stanley Dixon wieder; Dixon machte ein finsteres Gesicht, als er an der Spitze der Gruppe zum Lift hinübermarschierte. Wenige Sekunden später waren sie aus seinem Blickfeld verschwunden.
Gestern, am Telefon, hatte Dixon Herbie versichert, daß er den Anteil des Chefportiers an den nächtlichen Ereignissen für sich behalten würde. Aber Dixon war nur einer von vieren, sagte sich Herbie beklommen. Wie die anderen - und vielleicht auch Dixon - auf ein strenges Verhör reagieren würden, das stand auf einem anderen Blatt.
Der Chefportier versank in dumpfes Brüten; in den letzten vierundzwanzig Stunden war seine Besorgnis ständig gewachsen.
Im Zwischengeschoß, wo die vier Jugendlichen aus dem Lift stiegen, übernahm Stanley Dixon wieder die Führung. Vor einer paneelierten Tür mit der schwach erleuchteten Aufschrift »Verwaltungsbüros« machten sie halt, und Dixon wiederholte seine frühere Warnung: »Denkt dran! - Überlaßt das Reden mir.«
Flora Yates wies sie in Peter McDermotts Büro. Kühl aufblickend, forderte er sie mit einer Handbewegung auf, sich zu setzen, und fragte: »Wer von Ihnen ist Dixon?«
»Ich.«
»Dumaire?«
Weniger selbstsicher nickte Lyle Dumaire.
»Die Namen der zwei anderen habe ich nicht.«
»So ein Pech«, sagte Dixon. »Hätten wir's vorher gewußt, dann hätten wir alle Visitenkarten mitgebracht.«
Der dritte Jugendliche warf ein: »Ich heiße Gladwin. Das ist Joe Waloski.« Dixon sah ihn erbost an.
»Sie alle sind zweifellos darüber im Bilde«, stellte Peter fest, »daß Miss Marsha Preyscott mich über die Vorgänge in der Montagnacht informiert hat. Wenn Sie wollen, bin ich bereit, mir auch Ihre Version anzuhören.«
Dixon ergriff hastig das Wort, bevor einer der anderen sich einmischen konnte. »Die Verabredung war Ihre Idee, nicht unsere. Wir haben Ihnen nichts zu sagen. Falls Sie uns was zu sagen haben, dann schießen Sie los.«
Peters Gesichtsmuskeln spannten sich. Er unterdrückte mühsam seine Gereiztheit.
»Schön. Dann schlage ich vor, daß wir uns zuerst mit einer weniger wichtigen Angelegenheit befassen.« Er blätterte in Papieren und wandte sich an Dixon. »Suite 1126-7 war auf Ihren Namen eingetragen. Als Sie das Weite suchten, vergaßen Sie, sich ordnungsgemäß abzumelden, so daß ich das für Sie erledigen mußte. Ich habe hier eine unbezahlte Rechnung über fünfundsiebzig Dollar und einige Cent und weiterhin eine Rechnung über einhundertzehn Dollar für den in der Suite angerichteten Schaden.«
Der junge Mann, der sich als Gladwin vorgestellt hatte, pfiff leise.
»Wir bezahlen die fünfundsiebzig Dollar«, sagte Dixon, »mehr nicht.«
»Falls Sie die Schadenersatzforderung anfechten wollen, steht Ihnen das frei«, erklärte Peter. »Aber ich möchte Ihnen gleich sagen, daß die Sache für uns damit nicht erledigt ist. Notfalls strengen wir eine Klage an...«
»Hör zu, Stan...« Das war der vierte Jugendliche, Joe Waloski. Dixon bedeutete ihm, zu schweigen.
Lyle Dumaire neben ihm rutschte unruhig auf seinem Stuhl nach vorn. »Stan«, sagte er leise, »was auch passiert, auf jeden Fall können sie eine Menge Stunk machen. Wenn's sein muß, übernimmt jeder von uns ein Viertel.« Er sah Peter an. »Falls wir nicht imstande sind, die hundertzehn Dollar auf einmal zu zahlen, können wir das dann ratenweise abtragen?«
»Gewiß.« Es bestand kein Grund, fand Peter, den vier Jungen nicht das im Hotel übliche Entgegenkommen zu erweisen. »Einer von Ihnen oder Sie alle können unseren Kreditmanager aufsuchen und die Sache mit ihm regeln.« Er warf einen Blick in die Runde. »Sind Sie damit einverstanden?«
Das Quartett nickte.
»Gut. Bleibt noch der Fall der versuchten Vergewaltigung -vier sogenannte Männer gegen ein Mädchen.« Peter gab sich keine Mühe, seine Verachtung zu verbergen.
Waloski und Gladwin erröteten. Lyle Dumaire wich Peters Blick betreten aus. Nur Dixon behielt seine Selbstsicherheit. »Das ist Ihre Version. Könnte sein, daß unsere anders klingt.«
»Ich sagte schon, daß ich bereit bin, mir Ihre Version anzuhören.«
»Blech!«
»Dann bleibt mir nichts anders übrig, als die Darstellung Miss Preyscotts zu akzeptieren.«
Dixon grinste anzüglich. »Wären Sie nicht gern dabei gewesen, Bester? Oder vielleicht haben Sie sich danach schadlos gehalten.«
»Beherrsch dich, Stan«, murmelte Waloski.
Peter umklammerte krampfhaft die Armlehnen seines Sessels. Er kämpfte gegen den Impuls an, um den Schreibtisch herumzustürmen und dem Jungen vor ihm ins höhnisch grinsende Gesicht zu schlagen. Aber er wußte, daß er Dixon damit einen Vorteil verschaffen würde, auf den dieser kaltblütig hinarbeitete. Er durfte sich nicht zu einem Wutausbruch verleiten lassen.
»Ich nehme an«, sagte er eisig, »sie sind sich klar darüber, daß Strafanklage gegen Sie erhoben werden kann.«
»Falls jemand die Absicht gehabt hätte«, konterte Dixon, »wäre das schon längst geschehen. Verschonen Sie uns also mit dem Quatsch.«
»Wären Sie bereit, diese Äußerung vor Mr. Mark Preyscott zu wiederholen? Wenn er aus Rom zurück ist, nachdem er erfahren hat, was seiner Tochter zugestoßen ist?«
Lyle Dumaire blickte rasch und erschrocken auf. Zum ersten Male flackerten Dixons Augen unruhig.
»Wird er's erfahren?« erkundigte sich Gladwin ängstlich.
»Halt die Klappe!« befahl Dixon. »Das ist ein Trick. Fall bloß nicht drauf rein!« Aber seine Stimme klang weniger zuversichtlich als zuvor.
»Sie können selbst entscheiden, ob es ein Trick ist oder nicht.« Peter zog eine Schreibtischschublade auf und nahm eine Mappe heraus, die er aufschlug. »Ich habe hier einen von mir verfaßten und unterzeichneten Bericht über das, was Miss Preyscott mir erzählte, und das was ich selbst Montag nacht bei der Ankunft in der Suite 1126-7 beobachtete. Die Unterschrift von Miss Preyscott fehlt noch, kann jedoch jederzeit eingeholt werden, zusammen mit weiteren Details, die ihr wichtig erscheinen. Ferner habe ich hier noch eine schriftliche Erklärung von Aloysius Royce, dem Hotelangestellten, der von Ihnen angefallen wurde; er bestätigt meinen Bericht und schildert, was unmittelbar nach seinem Eintreffen passierte.«
Der Gedanke, sich von Royce eine schriftliche Erklärung geben zu lassen, war Peter am vergangenen Abend gekommen. Auf ein telefonisches Ansuchen hin hatte sie der junge Neger diesen Morgen zeitig abgeliefert. Das sauber getippte Dokument war klar und sorgfältig abgefaßt und spiegelte Royces juristische Schulung wider. Dennoch hatte Aloysius Royce seine Warnung wiederholt. »Ich kann Ihnen nur nochmals sagen, kein Gericht in Louisiana läßt in einem Fall von Vergewaltigung unter Weißen das Zeugnis eines Niggerjungen gelten.« Obwohl verärgert über seine Widerborstigkeit, erwiderte ihm Peter: »Ich bin sicher, daß die Sache nie vor Gericht kommt, aber ich brauche die Munition.«