Auch Sam Jakubiec hatte sich als hilfreich erwiesen. Auf Peters Bitte hin hatte er unter der Hand Auskünfte über Stanley Dixon und Lyle Dumaire eingezogen. Er berichtete: »Dumaires Vater ist, wie Sie wissen, der Bankpräsident; Dixons Vater ist Autohändler - gutes Geschäft, großes Haus. Beide Jungen genießen anscheinend viel Freiheit - väterliche Nachsicht, schätz' ich - und verfügen über ziemlich hohe, aber nicht unbegrenzte Geldbeträge. Nach allem, was ich höre, würde keiner der beiden Väter es tragisch nehmen, wenn ihre Söhne mit ein oder zwei Mädchen ins Bett gehen; höchstwahrscheinlich würden sie sagen: >Hab's genauso gemacht, als ich jung war.< Aber versuchte Vergewaltigung ist etwas anderes, namentlich, wenn's um die kleine Preyscott geht. Mark Preyscott ist ein einflußreicher Mann. Er und die beiden anderen bewegen sich in den gleichen Kreisen, obwohl Preyscott gesellschaftlich vermutlich höher rangiert. Falls Mark Preyscott sich Dixon und Dumaire senior vorknöpft und ihre Söhne beschuldigt, seine Tochter vergewaltigt zu haben, dann würde ganz bestimmt das Dach einstürzen, und das wissen die beiden Jungen.« Peter hatte sich bedankt und die Information sorgfältig aufbewahrt.
»All der Papierkram ist lange nicht soviel wert, wie Sie uns glauben machen wollen«, sagte Dixon. »Sie kamen erst danach; folglich beruht Ihr Bericht auf Hörensagen.«
»Das mag stimmen«, sagte Peter. »Ich bin kein Anwalt. Ich würde meinem Bericht jedoch nicht jeden Wert absprechen.
Außerdem, ob Sie nun gewinnen oder verlieren, wenn das Gericht mit Ihnen fertig ist, werden Sie nicht gerade süß riechen, und ich könnte mir vorstellen, daß Ihre Familien Ihnen ganz schön zusetzen werden.« Der Blick, den Dixon und Dumaire wechselten, verriet ihm, daß sein letzter Hieb gesessen hatte.
»Um Gottes willen! Mit dem Gericht wollen wir nichts zu tun haben«, sagte Gladwin beschwörend zu den anderen.
Lyle Dumaire fragte mürrisch: »Was werden Sie machen?«
»Vorausgesetzt, Sie arbeiten mit mir zusammen, werde ich gegen Sie nichts mehr unternehmen. Sollten Sie allerdings weiterhin Schwierigkeiten machen, werde ich noch heute Mr. Preyscott in Rom telegrafieren und diese Papiere seinen hiesigen Anwälten übergeben.«
»Was verstehen Sie unter »zusammenarbeiten?« erkundigte sich Dixon übellaunig.
»Daß Sie hier und jetzt einen vollständigen Bericht niederschreiben, über das, was sich Montag nacht abspielte. Fügen Sie auch hinzu, was am frühen Abend geschah, ob jemand vom Hotelpersonal daran beteiligt war, und wer.«
»Den Teufel werden wir tun!« rief Dixon. »Sie können uns...«
Gladwin unterbrach ihn ungeduldig. »Hör auf damit, Stan!« Er fragte Peter: »Angenommen, wir schreiben die Erklärung. Was werden Sie mit ihr machen?«
»So gern ich einen anderen Gebrauch von ihr machen würde, verspreche ich Ihnen, daß ich sie niemandem zeigen werde außer einigen wenigen unmittelbar betroffenen Personen hier im Hotel.«
»Wie sollen wir wissen, daß wir Ihnen trauen können?«
»Sie wissen es nicht. Sie werden es darauf ankommen lassen müssen.«
Schweigen senkte sich auf den Raum herab; die einzigen Laute waren das Knarren eines Stuhls und das gedämpfte Klappern einer Schreibmaschine im Vorzimmer.
Waloski sagte abrupt: »Ich riskier's. Geben Sie mir was zum Schreiben.«
»Mir auch.« Das war Gladwin.
Lyle Dumaire pflichtete mit einem kläglichen Nicken bei.
Dixon runzelte grollend die Stirn und zuckte dann mit den Schultern. »Meinetwegen. Wenn alle so versessen aufs Schreiben sind! Ich möchte eine Feder mit breiter Spitze«, sagte er zu Peter. »Sie paßt zu meinem Stil.«
Eine halbe Stunde später las Peter McDermott noch einmal und gründlicher die vier Berichte durch, die er, bevor die Jungen abzogen, nur hastig überflogen hatte.
Die vier Versionen von den Ereignissen der Montagnacht stimmten in allen wesentlichen Fakten überein. Sie schlossen frühere Informationslücken und lieferten, laut Peters Anweisung, spezielle Hinweise auf das Hotelpersonal.
Herbie Chandler, der Chefportier, war sicher und unfehlbar festgenagelt.
12
Die ursprünglich nur vage Idee hatte in Keycase Milnes Kopf Gestalt angenommen.
Sein Instinkt sagte ihm, daß seine Begegnung mit der Herzogin von Croydon in der Halle mehr als ein Zufall war. Es war ein Omen, wie er es sich deutlicher nicht wünschen konnte, und zeigte ihm den Pfad, an dessen Ende die funkelnden Juwelen der Herzogin lagen.
Zugegeben, der berühmte Croydon-Schmuck befand sich wohl kaum ganz in New Orleans. Bekanntermaßen hatte die Herzogin auf ihren Reisen nur einen Teil ihres legendären Schatzes bei sich. Dennoch würde die Beute höchstwahrscheinlich beträchtlich sein, und wenn auch einige Stücke sicher im Hoteltresor ruhten, so konnte man doch bestimmt damit rechnen, daß andere griffbereit lagen.
Der Schlüssel zum Problem lag, wie immer, in einem Schlüssel zur Suite der Croydons. Keycase Milne machte sich systematisch daran, ihn zu erlangen.
Er fuhr mehrmals im Lift, aber jedesmal in einem anderen, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Als er sich endlich mit einem Fahrstuhlführer allein in der Kabine befand, stellte er die scheinbar beiläufige Frage: »Stimmt es, daß der Herzog und die Herzogin von Croydon hier im Hotel wohnen?«
»Ja, Sir.«
»Das Hotel hat vermutlich spezielle Räumlichkeiten für solche Gäste.« Keycase lächelte freundlich. »Die sind was anderes gewöhnt als unsereins.«
»Nun, Sir, der Herzog und die Herzogin haben die Präsidentensuite.«
»Oh, wirklich? In welcher Etage?«
»In der neunten.«
Im Geist hakte Keycase »Punkt eins« ab und stieg in seiner eigenen Etage, der achten, aus.
Punkt zwei war, die genaue Zimmernummer festzustellen. Das erwies sich als einfach. Eine Treppe höher und ein kurzes Stück den Korridor entlang! Ledergepolsterte Doppeltüren mit goldenen Lilien kennzeichneten die Präsidentensuite. Keycase merkte sich die Nummer: 973-7.
Wieder ging es hinunter in die Halle, diesmal, um scheinbar ziellos am Empfangstisch vorbeizuschlendern. Ein schneller scharfer Späherblick zeigte, daß die Nummer 973-7, wie die gewöhnlichen Zimmer, ein konventionelles Postfach hatte. In dem Fach lag ein Schlüssel.
Es wäre ein Fehler gewesen, den Schlüssel sofort zu verlangen. Keycase setzte sich, hielt die Augen offen und wartete. Die Vorsichtsmaßnahme erwies sich als klug.
Nach einigen Minuten der Beobachtung wurde ihm klar, daß das Hotel alarmiert worden war. Im Vergleich zu der Unbekümmertheit, mit der die Schlüssel sonst ausgegeben wurden, ließen die Angestellten am Empfang heute Vorsicht walten. Gäste wurden, bevor sie ihre Schlüssel bekamen, nach dem Namen gefragt, und ihre Angaben an Hand einer Liste kontrolliert. Zweifellos war sein Coup vom frühen Morgen gemeldet und infolgedessen der Schutz verstärkt worden.
Ein kalter Angstschauer mahnte ihn an eine andere voraussehbare Konsequenz: auch die Polizei war vermutlich inzwischen alarmiert und würde Keycase Milne innerhalb weniger Stunden unter seinem richtigen Namen suchen. Falls man der Morgenzeitung glauben konnte, beanspruchte zwar der Unfall mit der Fahrerflucht noch immer einen Großteil ihrer Aufmerksamkeit. Aber irgend jemand im Polizeipräsidium würde trotzdem Zeit finden, den FBI per Fernschreiber zu benachrichtigen. Beim Gedanken an den entsetzlichen Preis, den er für die nächste Verurteilung würde zahlen müssen, war Keycase wieder versucht, auf Nummer Sicher zu gehen, auszuziehen und sich davonzumachen. Er war eine Beute der Unentschlossenheit. Dann, alle Zweifel energisch beiseite schiebend, tröstete er sich mit der Erinnerung an das günstige Omen von heute morgen.