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«Erinnerst du dich, was George Loricroft beim Frühstück dazu meinte?«

Sie zog die Stirn in Falten.»Na ja, daß Kris den Stab wahrscheinlich in Doncaster am Boden habe liegen lassen, als er die hochgeklappte Motorhaube schloß.«

«Haargenau, aber Kris hat die Motorhaube weder geöffnet noch hochgeklappt, also kann George das auch nicht gesehen haben. Dazu kommen noch ein paar andere Sachen, zum Beispiel, daß Georges Wagen in der Nähe von Kris’ Privatflugzeug stand. Glenda hatte ihm gerade gesagt, daß ich Nachforschungen über ihn anstellen würde. Er wußte zwar, daß ich auf Trox gewesen war, aber nicht, was ich da herausgefunden hatte. Und er könnte gewußt haben, daß Öl auf der Windschutzscheibe tödlich sein kann, denn so ein Fall ging voriges Jahr hier durch die Zeitungen.«

«Erdrückende Argumente«, meinte Jett.

«Aber alles nur Indizien. Er könnte die Motorhaube aufgeklappt und den Ölmeßstab herausgenommen haben. Aber er muß nicht.«

Ein Weilchen später erst fragte ich, warum wir nicht auf der richtigen Londoner Straße seien.

«Wart’s ab«, antwortete Miss van Els gelassen, und bald darauf parkte sie den Wagen in einer Querstraße der breiten, belebten Marylebone Road.

«Folge mir… in Krankheit und Gesundheit«, scherzte Jett, und ich landete im Wartezimmer eines Facharztes im Anbau einer kleinen Privatklinik, die ich mir gewiß nicht leisten konnte. Dem Türschild nach war der Arzt Dr. Ravi Chand, Bürger von Uttar Pradesh.

«Ich hab nicht viel Zeit«, gab ich zu bedenken.»Um halb drei muß ich im Studio sein.«

Jett antwortete nicht, beschwor aber anscheinend irgendwelche Zauberkräfte, denn kurz darauf sah ich mich von einem kompetenten indischen Arzt mit einem strahlenden Lächeln und fabelhaften Zähnen zügig abgetastet, abgehorcht und auf Herz und Nieren geprüft. Das überraschende Ergebnis wurde Jett als der mich begleitenden Pflegeperson in elegantem Neu-Delhi-Englisch mitgeteilt.

«Meine liebe Jett, Ihr ungeduldiger Dr. Stuart leidet mitnichten an Strahlenkrankheit oder an den Auswirkungen gebrochener Rippen. Er hat mit einem Ausschlag zu kämpfen, der noch unter der Haut liegt, aber in ein, zwei Tagen, vielleicht auch heute schon offen ausbrechen wird. Er hat sich eine Krankheit zugezogen, die ich so nicht bestimmen kann. Ich muß Kulturen anlegen und das Blut untersuchen. Vorerst sollte er nicht zur Arbeit gehen, aber ich kann ihm etwas verschreiben, das der Übelkeit ein wenig abhilft. Sie werden es vielleicht nicht gern hören, meine liebe Jett — wie nett es doch ist, Sie wiederzusehen —, aber ich würde Ihnen raten, nicht mit diesem jungen Mann zu schlafen, bis wir heraushaben, wie ansteckend die Sache ist.«

«Er hat mich noch nicht gefragt«, sagte sie züchtig.

«Das ist unfair«, widersprach ich.»Wer hat denn gesagt, wir sollten es langsam angehen? Betrachte dich als gefragt.«

Ravi Chand lächelte, überlegte, inspizierte seine Fingernägel, die heller waren als das Braun seiner Haut, und empfahl mir, in der Klinik nebenan mindestens einen Tag (allein) das Bett zu hüten, bis er sagen könne, was mir fehlte.

«Das kann ich mir nicht leisten«, meinte ich, ein Argument, das Dr. Chand mit dem Hinweis, Gesundheit sei wichtiger als Geld, beiseite fegte. Er selbst rief bei der BBC an und stürzte sie in Sorge um mein Wohlergehen. So erlebte ich dann einen spritzen- und pillenreichen Nachmittag mit Röntgenaufnahmen, CTS, peinlichen inneren Untersuchungen und notierte auf einem Blatt Papier, wo ich mich in den vergangenen zwei Monaten aufgehalten hatte. Mitten bei dieser Aufzählung dämmerte mir, was mir fehlen könnte, und mein indischer Befrager war über den Verdacht, den ich ihm mitteilte, reinweg entzückt.

«Kühe!«rief er aus.»Dachte ich’s mir doch. Unpasteuri-sierte Milch! Paratuberkulose!«Er legte die Stirn in Falten.

«Eine echte Tb haben Sie aber nicht. Das konnte ich nach den ersten Tests schon ausschließen.«

Er hastete davon, mager, gutgelaunt, ein Rätsellöser aus Passion.

In einem Zimmer, dessen Komfort einem Hotel zur Ehre gereicht hätte, schaute ich mir an, wie jemand anders im Fernsehen kaltes Regenwetter für den nächsten Tag ankündigte, und registrierte dankbar, daß ich nicht mehr auf dem Zahnfleisch ging und mich schon deutlich besser fühlte. Jett, die mich am Abend kurz besuchte, trug einen antiseptischen Mundschutz, und nachdem sie mich unvorsichtigerweise gefragt hatte, was sie für mich tun könne, verzog sie das Gesicht über die lange Liste meiner Wünsche.

«In Krankheit und Gesundheit«, erinnerte ich sie neckend.

«In guten und in schlechten Zeiten«, nickte sie.»Ich habe Ravi versprochen, deine Rechnung hier zu bezahlen, Punkt eins auf der Liste, >Bring mir meine Kreditkarten«, kannst du also streichen. Die brauchst du nicht.«

«Soweit kommt’s noch«, sagte ich.»Bring sie mir bitte mit.«

«Ich zahle deine Rechnung von dem Geld, das ich mit der Pflege deiner Großmutter verdient habe. Und das«, erklärte Jett,»stammt doch aus deinem BBC-Gehalt, oder? Ich weiß es.«

Ich schüttelte den Kopf.»Nach den gräßlichen Untersuchungen heute mußt du mir wenigstens ein bißchen von meinem Stolz lassen.«

«Ach so. «Sie kniff die Augen zusammen.»Männer wie dich bin ich nicht gewohnt. Überlebenskünstler, die für sich selber sorgen, kenne ich nicht. Ich bin erwachsene kleine Jungen gewohnt, die tapfer sind, aber Unterstützung brauchen. Trost brauchen. Jemanden, der Händchen hält. Warum brauchst du das nicht?«

Ich werd’s irgendwann mal ausprobieren, dachte ich.

«Bring mir bitte meine Karten mit«, sagte ich einstweilen.

Der Spiegel bestätigte am Donnerstagmorgen die Prognose des Arztes. Ich hatte drei rötliche Knötchen am Mund, und mehrere kleine Vorposten des gleichen Übels verteilten sich zwischen Stirn und Kinn, Kinn und Hüfte und auch noch andernorts. Der findige Mann aus Neu-Delhi schien davon aber ganz angetan und schickte mir gutgeschützte, behandschuhte Schwestern mit diversen Tabletten, Spritzen und Tupfern vorbei.

Gegen Mittag, um die Essenszeit, wenn mir danach gewesen wäre, platzte er selbst herein und rasselte mit sichtlichem Vergnügen seine Diagnose herunter.

«Die gute Nachricht ist und bleibt, daß Sie, wie wir gestern schon feststellen konnten, keine richtiggehende Tuberkulose haben«, sagte er.»Die andere Nachricht ist, mein lieber Dr. Stuart, daß wir bei Ihnen eine Variante einer an sich schon seltenen, komplizierten Mycobacteriumparatuberculosis-Infektion festgestellt haben.«

Er wartete verschmitzt auf eine Reaktion von mir, aber ich dachte nur dumpf, daß die große Zeit der langen, unverständlichen medizinischen Termini und sonstigen Unwörter für mich gekommen zu sein schien.

«Die Sache ist die«, vertraute mir Chand mit wohlartikulierten Worten an,»daß man für eine ganz schlüssige Kultur vielleicht Wochen braucht, denn dieses Bakterium läßt sich nur schwer in einer Petrischale ziehen.«

«Ich kann nicht wochenlang krankfeiern«, sagte ich entsetzt.

«Nein, nein, natürlich nicht. Wir haben Sie ja schon auf

Antibiotika gesetzt, und wie es bis jetzt aussieht, haben Sie weder den Morbus Crohn — sehr gut — noch die John-esche Krankheit — auch gut —, die bei Rindern mehr oder minder endemisch auftritt. Die beste Nachricht überhaupt ist die, daß Sie sich nach dem derzeitigen Stand wieder vollständig erholen dürften. «Er schwieg nachdenklich und meinte dann:»Die Infektion, die Sie da haben, diese ungewöhnliche Variante des Mycobacterium paratuberculosis, die stammt von Kulturen, die ursprünglich entwickelt wurden, um festzustellen, wie viel oder wie wenig Wärme erforderlich ist, damit es trotz Pasteurisierung zu einer Infektion kommt. Ich würde sagen, Sie haben vielleicht rohe Milch von einer Kuh mit einer ganz neuen Variante getrunken…«

Er brach ab und fuhr dann fort:»Ich sehe, Sie verstehen, was ich sage.«

Eine Versuchsherde, dachte ich. Eine gemischte Herde, mit Vertretern verschiedener Rassen: Charolais, Hereford, Angus, Brahman… Schwarzbunt…