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Langdon hatte sich diese Frage den ganzen Morgen über gestellt. Das Auftauchen des Illuminati-Ambigramms war eine Sensation. Die Symbolologen der ganzen Welt würden mit Verblüffung reagieren. Und doch - der Wissenschaftler in

Langdon begriff rasch, dass das bloße Wiederauftauchen des Symbols überhaupt nichts bewies.

»Symbole«, erwiderte Langdon, »beweisen noch lange nicht, dass ihre ursprünglichen Schöpfer am Werk sind.«

»Was soll das nun wieder heißen?«

»Das soll heißen, dass die Symbole überleben, wenn Gemeinschaften wie die der Illuminati aufhören zu existieren. Jeder kann sie sich aneignen. Dieses Phänomen nennen Symbolologen Transferenz. Es ist ein weit verbreitetes Phänomen. Die Nazis beispielsweise haben die Swastika der Hindus übernommen, die Christen das Kreuz von den Ägyptern, die.«

»Heute Morgen, als ich das Wort>Illuminati<in den Computer eingetippt habe«, sagte Kohler, »fand ich Tausende von Referenzen. Offensichtlich sind eine Menge Leute der Meinung, dass die Illuminati noch immer aktiv sind.«

»Die ewigen Konspirationstheorien«, entgegnete Langdon. Er hatte sich stets über die Unzahl von Theorien über angebliche Verschwörungen geärgert, die in der modernen Popkultur zirkulierten. Die Medien gierten nach apokalyptischen Schlagzeilen, und selbst ernannte »Kult-Spezialisten« machten schnelles Geld mit dem immer noch grassierenden MillenniumHype, dass die Illuminati wohlauf und lebendig wären wie eh und je und dabei, ihre neue Weltordnung zu organisieren. Erst vor kurzem hatte die New York Times einen Bericht gebracht, in dem die Freimaurer-Wurzeln zahlreicher berühmter Persönlichkeiten offen gelegt worden waren - Sir Arthur Conan Doyle, der Herzog von Kent, Peter Seilers, Irving Berlin, Prinz Philip, Louis Armstrong und ein ganzes Pantheon voller Industriemagnaten und Großbankiers.

Kohler deutete zornig auf den Leichnam. »Wenn man die Beweise bedenkt, würde ich sagen, die Konspirationstheoretiker haben Recht.«

»Mir ist durchaus bewusst, dass es diesen Anschein hat«, sagte Langdon so diplomatisch er konnte. »Und doch wäre eine weit plausiblere Erklärung, dass eine andere Organisation das Symbol der Illuminati übernommen hat und nun für ihre eigenen Zwecke benutzt.«

»Welche Zwecke? Was hat das mit diesem Mord zu tun?«

Gute Frage, dachte Langdon. Auch er glaubte nicht so recht an die Möglichkeit, dass irgendjemand nach vierhundert Jahren das Zeichen für sich entdeckt haben könnte. »Ich vermag nur eines mit Bestimmtheit zu sagen, Mr. Kohler, dass nämlich die Illuminati ganz sicher nichts mit dem Tod von Leonardo Vetra zu tun gehabt hätten, selbst wenn es sie heute noch gäbe.«

»Nein?«

»Nein. Die Illuminati mögen das Christentum gehasst haben, aber ihre Macht war politischer und finanzieller Natur. Sie begingen keine terroristischen Verbrechen. Und sie besaßen einen strikten Moralkodex, wer ihre Feinde waren und wer nicht. Männer der Wissenschaft genossen allerhöchstes Ansehen. Sie hätten einen Wissenschaftskollegen wie Leonardo Vetra ganz bestimmt nicht ermordet.«

Kohlers Augen verwandelten sich in Eis. »Vielleicht habe ich noch nicht erwähnt, dass Leonardo Vetra alles andere als ein gewöhnlicher Wissenschaftler war.«

Langdon atmete geduldig durch. »Mr. Kohler, ich bin sicher, Leonardo Vetra war in mancherlei Hinsicht ein brillanter Kopf, doch die Tatsache bleibt.«

Ohne Vorwarnung wirbelte Kohler in seinem Rollstuhl herum und raste aus dem Wohnzimmer. Hinter ihm blieb eine Wolke aufgewirbelten Nebels zurück, als er in einer angrenzenden Diele verschwand.

Gütiger Gott! Langdon stöhnte und folgte dem Generaldirektor. Kohler wartete am Ende der Diele in einem kleinen Alkoven auf ihn. »Vielleicht verstehen Sie, wenn ich es

Ihnen zeige«, sagte er und deutete auf eine Schiebetür. »Das hier ist Leonardos Arbeitszimmer.« Kohler drückte auf einen Knopf, und die Tür glitt zur Seite.

Langdon spähte in den Raum und spürte, wie seine Nackenhaare sich augenblicklich aufrichteten. Heilige Mutter Gottes, dachte er.

Kapitel 12.

In einem anderen Land saß ein junger Wachmann geduldig vor einer Reihe von Videomonitoren. Er beobachtete die Bilder auf den Schirmen - live übertragen von Hunderten drahtloser Kameras, die überall in dem ausgedehnten Komplex verteilt waren. Die Bilder wechselten unablässig wie eine endlose Prozession.

Ein reich geschmückter weiter Gang.

Ein privates Büro.

Eine Großküche.

Während die Bilder an ihm vorüberzogen, kämpfte der junge Wachmann gegen einen Tagtraum. Das Ende seiner Schicht war nahe, und doch war er noch immer wachsam. Der Dienst war eine Ehre. Eines Tages würde ihm dafür die höchste aller Belohnungen zuteil werden.

Während seine Gedanken kreisten, erweckte ein Bild seine Aufmerksamkeit. Plötzlich und in einem trainierten Reflex, der ihm selbst überraschte, schoss seine Hand vor und hämmerte auf einen Knopf auf dem Kontrollpult. Das Bild vor ihm erstarrte.

Hellwach beugte er sich vor und betrachtete das Bild aufmerksam. Die Unterschrift sagte ihm, dass das Bild von Kamera Nummer 86 übertragen wurde - eine Kamera, die einen Gang überwachen sollte.

Doch das Bild vor ihm zeigte definitiv keinen Gang.

Kapitel 13.

Befremdet starrte Langdon in das Arbeitszimmer vor ihm. »Was ist das?« Trotz des willkommenen Schwalls warmer Luft trat er zitternd über die Schwelle.

Kohler folgte Langdon schweigend hinein.

Langdons Blicke glitten durch den Raum; er hatte nicht die leiseste Idee, was er davon halten sollte. Das Zimmer enthielt die eigenartigste Mischung von Maschinen und Artefakten, die er jemals gesehen hatte. An der Wand und alles überragend hing ein gewaltiges Holzkreuz, das Langdon als spanisch und aus dem vierzehnten Jahrhundert stammend einordnete. Über dem Kreuz, an der Decke aufgehängt, schwebte ein Metallmobile des Planetensystems. Zur Linken hing ein Ölgemälde der Jungfrau Maria und daneben eine laminierte Periodentafel der Elemente. Auf der Seitenwand flankierten zwei weitere Kreuze, diesmal aus Messing, ein Poster von Albert Einstein mit dem berühmten Ausspruch GOTT WÜRFELT NICHT.

Langdon bewegte sich durch den Raum, während er in sprachlosem Staunen seine Umgebung in sich aufnahm. Auf Vetras Schreibtisch lag eine in Leder gebundene Bibel neben einem Bohr’schen Atommodell aus Plastik und einer Miniaturreplik von Michelangelos Moses.

So viel zum Eklektizismus, dachte Langdon. Die Wärme tat gut, doch die Ausstattung dieses Raums brachte ihn erneut zum Frösteln. Er hatte das Gefühl, als sei er Augenzeuge des Aufeinanderprall s zweier philosophischer Titanen. ein beunruhigender, nebelhafter Eindruck verfeindeter Kräfte. Er überflog die Titel im Bücherregal.

Der Gott-Partikel Das Tao der Physik Gott: Der Beweis.

Eine Bücherstütze zeigte ein eingraviertes Zitat:

Wahre Wissenschaft findet schnell heraus, dass Gott hinter jeder neuen Tür wartet.

Papst Pius XII.

Leonardo war katholischer Priester«, sagte Kohler.

Langdon wandte sich überrascht um. »Ein Priester? Ich dachte, er sei Physiker?«

»Er war beides. Männer der Religion und der Wissenschaft sind in der Geschichte keine Seltenheit. Leonardo war einer von ihnen. Er betrachtete die Physik als>Gottes Naturgesetzen Seiner Meinung nach war Gottes Handschrift überall in der natürlichen Ordnung rings um uns zu erkennen. Er hoffte, den zweifelnden Massen mithilfe der Wissenschaft Gottes Existenz beweisen zu können. Er betrachtete sich selbst als>Theo-Physiker<.«

Theo-Physiker? Für Langdons Geschmack klang der Ausdruck unglaublich widersprüchlich.

»Auf dem Gebiet der Teilchenphysik hat es in jüngster Zeit ein paar schockierende Entdeckungen gegeben«, erklärte Kohler. »Entdeckungen, die durch und durch spirituelle Implikationen nahe legen. Leonardo war für viele davon verantwortlich.«