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Es sah beinahe so aus, als verkörperten die Bewohner dieser Gegend eine eigene Spezies von mythischen Zentauren, die im Sattel ihrer kleinen Ponys lebten, aßen, ihre Notdurft verrichteten und sogar schliefen. Pferde, die niemals ein Derby gewonnen hätten, gewiss, die sich aber im geschmeidigen paso llanero, dem für die Llanos typischen Trab, stundenlang mühelos fortbewegen und jedem Reiter, der nicht in diesen leichten Sätteln groß geworden worden war, das Rückgrat brechen konnten.

Für die einst gefürchteten selbstmörderischen lanceros, die während des großen Unabhängigkeitskrieges auf der Seite von Páez und Simón Bolívar gekämpft hatten, war die Zeit tatsächlich stehen geblieben. Damals waren sie nach Hause zurückgekehrt und hatten sich völlig zurückgezogen vor einer Welt, die ihnen fremd war und mit der sie nichts mehr zu tun haben wollten.

Ob Venezolaner oder Kolumbianer, es spielte keine Rolle. Sie hassten einander, aber es war nichts weiter als Hass unter Brüdern. Mehr noch als Bürger des einen oder des anderen Landes fühlten sie sich als echte Llaneros.

Sie hatten vage von dem großen Krieg gehört, der im fernen Europa angeblich tobte, waren aber überrascht, als sie hörten, dass er schon seit drei Jahren vorbei war.

»Und Sie warn dabei?«, fragte einer neugierig.

»Leider Gottes.«

»Mit dieser Kiste?«

»So ist es. Hinten am Heck kann man noch die Einschusslöcher sehen.«

»Donnerwetter! Da muss man sich ja vorkommen wie eine Ente mit einer Ladung Schrot im Hintern.« Der Jüngere lachte und fügte dann nach einigen Sekunden des Zögerns zaghaft hinzu: »Wär es wohl möglich, eine Runde zu fliegen? Ich würde drei Pesos zahlen.«

»Warum nicht?«, antwortete der Pilot und setzte sein unnachahmliches Grinsen auf. »Aber… sind Sie verheiratet?« Als der andere bejahte, nickte der Pilot und musterte ihn skeptisch. »Ich weiß nicht, ob ich das verantworten kann…«, erklärte er, als wollte er den anderen verunsichern.

»Was soll das heißen?«, fragte der Reiter pikiert.

»Sehen Sie…«, begann der Pilot ernst. »Wenn man sich das erste Mal in ein Flugzeug setzt und fliegt, steigen einem aufgrund der hydrostatischen Dekompression, die mit dem plötzlichen Wechsel von Druck und Höhe zu tun hat, die Eier bis in die Kehle. Anschließend dauert es fast einen Monat, bis sie wieder zurückrutschen und einsatzbereit sind.« Er pfiff bedauernd durch die Zähne. »Ich weiß nicht, was Ihre Frau dazu sagen würde, wenn Sie einen Monat lang außer Gefecht sind.«

Der arme Kerl riss entgeistert die Augen auf.

»Sie behaupten allen Ernstes, dass ich einen ganzen Monat danach nich vögeln kann?«

»Vielleicht nicht ganz einen Monat, aber…«

»Wenn das so ist, vergiss es, Gringo.«

»Tut mir Leid, aber das sind Probleme, die die moderne Technik mit sich bringt«, erklärte Jimmie. »Bei uns dauert es höchstens ein oder zwei Tage, weil sich unsere Körper mittlerweile daran gewöhnt haben. Aber bei denen, die zum ersten Mal fliegen…«

McCracken hatte die ganze Zeit woanders hingeschaut, um nicht laut loszuprusten angesichts des horrenden Blödsinns, den sein Begleiter da verzapfte. Jetzt gelang es ihm, das Gespräch auf ein anderes Thema zu lenken. Eine Weile unterhielten sie sich mit den ungeschliffenen Llaneros über das Ende eines Krieges und die Niederlage der Deutschen, die den beiden so gut wie nichts bedeutete.

Plötzlich wieherte eines der Pferde und stampfte mit dem rechten Vorderhuf nervös auf, während es in Richtung Fluss blickte und die Nüstern blähte.

Sein Besitzer sprang mit einem Satz auf und griff automatisch nach seiner Waffe, doch das Halfter war leer.

»Mist, verdammter!«, rief er und beobachtete aufmerksam das dicht bewaldete dunkle Flussufer auf der anderen Seite.

»Waicas«, sagte er schließlich.

»Was heißt das?«

»Wilde! Waica heißt so viel wie ›diejenigen, die töten‹, mein Freund. Menschenfresser.«

»Ich sehe niemanden«, wandte Jimmie ein.

»Waicas sieht man nich. Man riecht sie. Und wenn Caratriste so durchdringend wiehert und mit dem Huf aufstampft, heißt es, dass sie waicas wittert. Darauf können Sie Gift nehmen, Señor. Wenn sie einen Jaguar wittert, schlägt sie mit den Hinterbeinen aus«, erklärte der Reiter und schwang sich auf sein Pferd. »Wenn Sie klug sind, dann machen Sie, dass Sie hier wegkommen, bevor Sie einen ihrer spitzen Pfeile im Arsch haben.«

Als wenige Augenblicke später nur noch eine Staubwolke, die sich allmählich am östlichen Horizont verlor, an die beiden Reiter erinnerte, wandte sich der Pilot verdutzt an seinen Passagier.

»Was meinen Sie?«

»Dass sich hinter den Büschen dort jemand versteckt hält, steht außer Zweifel. Die Frage ist, ob sie uns tatsächlich angreifen.«

»Mist, verdammter!«, imitierte der Amerikaner den Llanero und grinste. »Dass es hier Menschenfresser gibt, haben Sie mir nicht gesagt. Ich werde meinen Preis erhöhen müssen…!« Dann wies er mit einer Handbewegung auf den Bug der Maschine. »Drehen Sie den Propeller!«

Ein halbes Dutzend Mal mussten sie es versuchen, bis der Motor laut knatternd und qualmend endlich ansprang.

Minuten später erhoben sie sich wie ein majestätischer Adler über die Ebene in die Luft und drehten in geringer Höhe einen weiten Bogen. Als sie den Fluss überflogen, konnten sie sich vergewissern, dass am Ufer tatsächlich ein halbes Dutzend nackter Wilder aufgetaucht war, die das stählerne Ungetüm entsetzt beobachteten.

Sie nahmen wieder Kurs auf Nordosten. Bald flogen sie über die beiden Reiter hinweg, die ihnen zuwinkten. Jimmie stimmte erneut sein nervenzermürbendes Liedchen an:

Si Adelita se fuera con otro La seguiría por aire y por mar Si por mar en un buque de guerra Si por aire en un avión militar…

McCracken hingegen überkam ein Gefühl tiefen Glücks und völliger Entspannung, als er daran dachte, dass sie bald den breiten Fluss erreichen würden, an dessen Ufern die geheimnisvolle Welt der Großen Savanne begann, wo es hoch aufragende Tepuis, dichten Dschungel und auch den kleinen Nebenfluss mit dem Gold und Diamanten gab, den er einst mit seinem alten Freund All Williams entdeckt hatte.

Dort erwartete ihn das Beste seiner Vergangenheit: Jahre des Hungers, der Angst und Verzweiflung, aber auch unvergessliche Abenteuer und Träume, die er mit dem einzigen Menschen geteilt hatte, der ihm jemals wirklich nah gewesen war.

Dort lag seine Jugend begraben, neben der Leiche seines besten Freundes. Allein die Tatsache, mit einem Flugzeug in diese Jugend zurückzukehren, auch wenn dieses Gefährt langsam auseinander fiel und sich nur wie durch ein Wunder in der Luft zu halten vermochte, verschaffte ihm ein unsägliches Wohlgefühl. Ein Gefühl, das er seit langem nicht mehr verspürt hatte.

Nicht das Gold oder die Diamanten zogen ihn wie ein Magnet ins Herz des guayanesischen Dschungels, nicht die Notwendigkeit, seine leere Kasse aufzufüllen — nein, es war das Gefühl, nach Hause zu kommen, denn für einen Mann wie ihn würde der Dschungel immer sein wahres Zuhause bleiben.

Er schloss die Augen und rief sich die Bilder von damals ins Gedächtnis zurück. Dann nickte er neben seinem Freund All Williams ein, bis die heisere Stimme des Amerikaners ihn aus seinen Träumen riss.