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Als der volle Eimer zum ersten Mal hochgezogen wurde, hatte Lawrence bereits ein beträchtliches Stück des Dachs freigelegt. Die Staubmenge innerhalb des Faltbalgs war nicht allzu groß. Sie füllte den Eimer nur noch zweimal.

Vor ihm lag jetzt der dünne Stoff der Sonnenabschirmung, der unter dem Druck bereits nachgegeben hatte. Lawrence konnte ihn mit den Händen auseinanderreißen und das etwas aufgeraute Fiberglas der äußeren Wandung freilegen. Es wäre sehr einfach gewesen, sie mit einer kleinen Motorsäge zu durchschneiden, aber die Gefahr war zu groß.

Denn seit der Beschädigung des Daches musste zwischen Innen- und Außenwand der Selene Staub eingedrungen sein. Bei dem kleinsten Einschnitt würde er unter starkem Druck herausspritzen. Diese dünne, aber tödliche Schicht Staub musste zum Erstarren gebracht werden, bevor er es wagen konnte, sich Zugang zur Selene zu verschaffen.

Lawrence klopfte auf das Dach. Wie erwartet, wurde das Geräusch durch den Staub gedämpft. Womit er allerdings nicht gerechnet hatte, war das dringende Hämmern, das sein Klopfen beantwortete.

Er begriff sofort, dass das Meer des Durstes den letzten Versuch unternahm, seine Beute zu behalten.

Weil Karl Johanson Ingenieur für Nukleonik war, eine empfindliche Nase hatte und zufällig ganz hinten saß, entdeckte er als Erster die herannahende Katastrophe. Er blieb einige Sekunden lang mit gerümpfter Nase reglos sitzen, dann sagte er zu seinem Nachbarn: »Entschuldigen Sie bitte«, und schlenderte langsam zum Waschraum. Er wollte nicht unnötig Aufregung verursachen. Aber in seinem Beruf hatte er gelernt, den Geruch schmorender Isolierung nie zu ignorieren.

Er hielt sich nicht einmal eine Viertelstunde im Waschraum auf. Als er herauskam, ging er sofort zu Pat Harris, der sich mit Commodore Hansteen besprach.

»Captain«, sagte Johanson leise, »es brennt. Sehen Sie in der Toilette nach. Ich habe es noch keinem gesagt.«

Pat und Hansteen zögerten keine Sekunde. Im Weltraum wie auf dem Meer gab es keine Diskussion, wenn von einem Brand die Rede war.

Die Toilette war typisch für solche Örtlichkeiten in jedem Land-, Wasser- oder Raumfahrzeug. Man konnte von der Mitte aus jede Wand mit der Hand erreichen. Nur die Rückwand konnte man in diesem Fall nicht mehr berühren. Auf dem Fiberglas zeigten sich bereits Hitzeblasen. Die ganze Wand begann zu krachen und sich zu werfen.

»Mein Gott!«, sagte der Commodore. »In einer Minute bricht sie auf. Woher kommt das?«

Aber Pat war bereits verschwunden. Ein paar Sekunden später kehrte er mit den beiden kleinen Feuerlöschgeräten der Kabine zurück.

»Commodore«, sagte er, »verständigen Sie sofort das Floß. Erklären Sie den Leuten, dass wir vielleicht nur noch ein paar Minuten haben. Ich bleibe hier, für den Fall, dass die Wand bricht.«

Hansteen gehorchte. Einen Augenblick später hörte Pat seine Stimme ins Mikrofon rufen. Unter den Passagieren machte sich steigende Unruhe bemerkbar. Die Tür wurde aufgerissen, und McKenzie kam herein.

»Kann ich helfen?«, fragte der Wissenschaftler.

»Ich glaube nicht«, erwiderte Pat, den Feuerlöscher auf die Wand gerichtet.

»Was liegt denn hinter diesem Schott?«, erkundigte sich McKenzie.

»Unser Hauptstromerzeuger. Zwanzig Großzellen.«

»Leistung?«

»Nun, zu Anfang waren es fünftausend Kilowattstunden. Jetzt haben wir ungefähr noch die Hälfte.«

»Das ist die Antwort. Kurzschluss, wahrscheinlich schmort das Zeug schon durch, seit die Leitungen herausgerissen wurden.«

Die Erklärung schien plausibel. Der Staubkreuzer war vollkommen feuersicher, so dass ein normaler Brennvorgang ausschied. Aber in den Stromerzeugungszellen befand sich genug elektrische Energie, die bei Umwandlung in Hitze eine Katastrophe herbeiführen konnte.

Aber das war ja unmöglich. Eine solche Netzüberlastung hätte sofort alle Sicherungen herausgedrückt — außer sie waren verklemmt.

McKenzie sah in der Luftschleuse nach. »Alle Sicherungen sind durch«, berichtete er wenige Augenblicke später, »und alle Stromkreise unterbrochen. Ich begreif es einfach nicht.«

Die Falttür öffnete sich, und Hansteen kam herein.

»Lawrence meint, dass er es in etwa zehn Minuten geschafft hat«, erklärte er. »Wird die Wand noch so lange halten?«

»Das weiß der Himmel«, erwiderte Pat. »Sie kann noch eine Stunde halten — oder in den nächsten fünf Sekunden platzen. Das kommt darauf an, wie sich das Feuer ausbreitet.«

»Gibt es denn keine automatische Feuerlöschanlage?«

»Sie wäre völlig sinnlos — das ist unser Druckschott, und auf der anderen Seite befindet sich normalerweise ein Vakuum. Einen besseren Feuerlöscher kann man sich gar nicht wünschen.«

»Ich habs!«, rief McKenzie. »Begreifen Sie denn nicht? Das ganze Schott ist mit Staub angefüllt. Als das Dach aufriss, drang der Staub ein, und jetzt schließt er die elektrischen Leitungen kurz.«

Pat wusste, dass McKenzie recht hatte. Der Staub war durch die Risse im Dach hereingeflutet, hatte sich über der Innenwandung ausgebreitet und war dann zu den Sammelschienen in der Stromanlage vorgedrungen. Der Staub enthielt so viel Meteoriteisen, dass er gut leitete.

»Würde es etwas nützen, wenn wir die Wand mit Wasser bespritzten?«, fragte der Commodore, »oder bricht das Fiberglas dann auseinander?«

»Ich denke, wir sollten es versuchen«, meinte McKenzie, »aber ganz vorsichtig.« Er füllte einen Papierbecher mit Wasser und sah die anderen fragend an. Da keiner Einspruch erhob, spritzte er ein paar Tropfen auf die Wand.

Das sofort einsetzende Knirschen und Knacken klang so entsetzlich, dass er sein Vorhaben sofort wieder aufgab. Das Risiko war zu groß. Bei einer Metallwand hätte man es sich leisten können, aber dieser nichtleitende Kunststoff würde unter der durch die Hitzeunterschiede hervorgerufenen mechanischen Spannung reißen.

»Hier können wir nichts tun«, sagte der Commodore. »Selbst die Feuerlöscher helfen nicht viel. Am besten gehen wir hinaus und schließen die Tür. Sie wird als Brandschutz dienen und uns noch ein bisschen Zeit geben.«

Pat zögerte. Die Hitze war fast schon unerträglich, aber es schien feige, sich einfach zurückzuziehen. Hansteen hatte jedoch recht. Wenn er hierblieb, bis das Feuer durchbrach, würden ihn sofort die Gase überwältigen.

»Also gut — verschwinden wir«, sagte Pat. »Wir wollen mal sehen, welche Barrikade sich vor der Tür errichten lässt.«

Es würde ihnen wohl nicht sehr viel Zeit bleiben. Die Wand, hinter der ein Inferno tobte, konnte nicht mehr lange standhalten.

30

Die Nachricht, dass auf der Selene ein Brand ausgebrochen war, beeinflusste Lawrence' Vorgehen nicht. Er konnte nicht schneller arbeiten, als er es sowieso tat. Wenn er sich doch dazu hinreißen ließ, beging er unter Umständen einen Fehler, der den Erfolg wieder in Frage stellte. Er konnte nur hoffen, dass er den Wettlauf mit den Flammen gewinnen würde.

Das Gerät, das jetzt durch den Schacht herabgelassen wurde, glich einer riesigen Tortenspitze, mit deren kleinerer Ausgabe Sahnekuchen verziert werden. Diese Spritze enthielt eine organische Silikonverbindung unter großem Druck. Im Augenblick war sie noch flüssig, aber sie würde es nicht lange bleiben.

Lawrence musste als Erstes die Flüssigkeit zwischen die Doppelwandung bringen, ohne den Staub herauszulassen. Mit einem kleinen Niethammer schoss er sieben hohle Bolzen in die Außenhülle der Selene — einen in den Mittelpunkt des Kreises, die anderen sechs in regelmäßigen Abständen an den Rand.

Er steckte die Spritzenmündung in den Mittelbolzen und drückte auf den Abzug. Die Flüssigkeit zischte hinab, wobei sich im Holzbolzen ein winziges Ventil öffnete. Fieberhaft spritzte Lawrence jetzt durch alle Bolzen die Flüssigkeit ein. Das Zeug würde sich jetzt gleichmäßig zwischen den beiden Wandungen ausgebreitet haben und einen unregelmäßig begrenzten Pfannkuchen mit einem Durchmesser von mehr als einem Meter bilden. Nein — nicht einen Pfannkuchen, ein Soufflé, denn es begann sofort zu schäumen, wenn es die Spritze verließ. Ein paar Sekunden später musste es sich unter dem Einfluss des Katalysators setzen. Lawrence sah auf die Uhr. In fünf Minuten würde dieser Schaum steinhart sein, zugleich aber so porös wie Bimsstein. In diesen Teil der Hülle konnte kein Staub mehr eindringen; der bereits vorhandene war erstarrt.