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Das Hundertzentimeterteleskop war eigentlich zur Beobachtung sehr weit entfernter Himmelskörper gebaut worden, aber man konnte damit natürlich auch die Mondoberfläche betrachten. Die Aussicht war bei dieser geringen Entfernung großartig. Tom schien unmittelbar über dem Regenmeer zu schweben, als er auf die zerklüfteten Gipfel der Apenninen hinabsah, die im Morgenlicht glitzerten. Obwohl ihm die Mondgeografie nicht allzu sehr vertraut war, konnte er auf den ersten Blick die großen Krater Archimedes und Plato, Aristillus und Eudoxus, die dunkle Narbe des Alpentals und die einsame Pyramide des Pico erkennen.

Aber die Region des Tageslichts kümmerte ihn jetzt nicht; was er suchte, lag in der dunklen Sichel, wo die Sonne noch nicht aufgegangen war. In mancher Hinsicht mochte das seine Aufgabe erleichtern. Eine Signallampe — selbst eine Fackel — musste in dieser Nacht dort unten deutlich sichtbar sein. Er überprüfte die Landkarte und drückte dann auf die Kontrollknöpfe. Die gleißenden Berggipfel verschwanden aus seinem Blickfeld, und nur die Dunkelheit blieb, als er in die Nacht hinabstarrte, die eben mehr als zwanzig Männer und Frauen verschluckt hatte.

Zuerst konnte er überhaupt nichts sehen, jedenfalls kein blinkendes Signallicht. Dann, als sich seine Augen langsam umgestellt hatten, bemerkte er, dass das Land nicht ganz dunkel war. Es glühte mit geisterhafter Phosphoreszenz, und je länger er hinsah, desto mehr Einzelheiten drängten sich auf.

Dort das Gebirge im Osten der Regenbogenbucht, die Dämmerung erwartend. Und da — um Gottes willen, welcher Stern schimmerte da im Dunkeln? Seine Hoffnungen schwangen sich auf, stürzten aber nur umso trostloser hinab. Das waren nur die Lichter von Port Roris, wo man jetzt schon besorgt auf die Ergebnisse seiner Beobachtungen wartete.

Innerhalb von wenigen Minuten hatte er sich überzeugt, dass es so keinen Sinn hatte. Es bestand nicht die geringste Chance, ein so kleines Objekt wie die Selene in dieser schwach schimmernden Landschaft zu entdecken. Bei Tag wäre es etwas anderes gewesen; er hätte die Selene sofort an dem langen Schatten erkennen können, den sie über das Meer warf. Aber das menschliche Auge konnte beim Licht der abnehmenden Erde aus einer Höhe von fünfzigtausend Kilometern nichts entdecken.

Dr. Rawson machte sich deswegen keine Sorgen. Er hatte gar nicht erwartet, auf Anhieb etwas zu finden. Die Astronomen besaßen jetzt ganz andere Waffen — ein ganzes Arsenal von Lichtverstärkern und Strahlungsanzeigern. Mit einem dieser Geräte würde er die Selene schon finden können. Davon war Tom Rawson überzeugt.

Er wäre seiner Sache nicht so sicher gewesen, wenn er gewusst hätte, dass sie sich nicht mehr auf der Oberfläche des Mondes befand.

4

Als die Selene zum Stillstand kam, waren Mannschaft und Passagiere immer noch unfähig, einen Ton hervorzubringen. Captain Harris erholte sich als Erster, weil er vermutlich als Einziger annähernd begriff, was geschehen war.

Natürlich ein Landrutsch; so etwas kam nicht einmal selten vor, wenn man auch im Meer des Durstes etwas Ähnliches bisher noch nicht beobachtet hatte. Tief unten im Mond war etwas zusammengestürzt; vielleicht war das minimale Gewicht der Selene der auslösende Faktor gewesen. Während sich Harris mühsam erhob, überlegte er, wie weit er die Passagiere unterrichten sollte. Er konnte nicht gut behaupten, alles sei in Ordnung und man werde die Fahrt in fünf Minuten fortsetzen; andererseits konnte eine Panik entstehen, wenn er den Ernst der Lage unumwunden zugab. Früher oder später würde ihm gar nichts anderes übrigbleiben, aber bis dahin durfte das Zutrauen der Fahrgäste nicht erschüttert werden.

Er begegnete Miss Wilkins Blick. Sie stand an der Rückwand der Kabine, hinter den neugierig wartenden Passagieren. Sie war sehr blass, aber gefasst. Er wusste, dass er sich auf sie verlassen konnte, und lächelte ihr beruhigend zu.

»Das ist noch mal gut abgegangen«, begann er leichthin. »Wir hatten einen kleinen Unfall, wie Sie sicher bemerkt haben, aber es könnte schlimmer sein.« — Wie?, fragte er sich. Nun, ein Riss in der Wand zum Beispiel … Du willst also die Qual verlängern? Mit großer Willensanstrengung brach er den inneren Monolog ab. — »Wir sind von einem Landrutsch erfasst worden — einem Mondbeben, wenn Sie wollen. Es besteht nicht der geringste Anlass zur Aufregung. Selbst wenn wir uns nicht aus eigener Kraft freimachen können, wird Port Roris bald Hilfe schicken. Ich weiß, dass Miss Wilkins eben Erfrischungen servieren wollte, deshalb schlage ich vor, dass Sie sich ausruhen, während ich — äh — das Nötige veranlasse.«

Das schien recht gut angekommen zu sein. Mit einem unhörbaren Seufzer der Erleichterung wandte er sich wieder der Steuerung zu. Dabei bemerkte er, dass einer der Passagiere sich eine Zigarette anzündete.

Es war eine automatische Reaktion, für die er durchaus Verständnis aufbrachte. Er sagte nichts, denn das hätte den Erfolg seiner kleinen Rede verdorben, aber er sah den Raucher durchdringend an, und die Zigarette wurde sofort ausgedrückt.

Als Pat das Funkgerät einschaltete, begannen sich die Fahrgäste hinter ihm zu unterhalten. Am allgemeinen Gesprächston ließ sich die Stimmung ablesen, auch wenn man die einzelnen Worte nicht verstand. Harris hörte Verärgerung, Aufregung, sogar Vergnügen heraus — aber bis jetzt nur wenig Angst. Wahrscheinlich konnten die Leute, die sich unterhielten, nicht erfassen, wie gefährlich die Lage war, und die anderen blieben stumm.

Ebenso das Funkgerät. Er suchte die Frequenzen ab, fand aber nur ein schwaches Knistern, das von dem elektrisch geladenen Staub stammte, der sie begraben hatte. Das entsprach genau seinen Erwartungen. Durch den hohen Metallgehalt wirkte der Staub als nahezu vollkommene Abschirmung. Sie ließ weder Funkwellen noch Geräusche durch.

Er schaltete auf eine Hochleistungsfrequenz um, die nun automatisch ein Notsignal auf dem Katastrophen-Kurzwellenband ausschickte. Wenn er überhaupt durchkam, dann nur damit. Es hatte keinen Sinn, mit Port Roris in Verbindung treten zu wollen, und die erfolglosen Versuche würden die Passagiere nur beunruhigen. Er ließ den Empfang auf der seinem Boot zugeteilten Frequenz weiterlaufen, falls irgendeine Antwort eintraf. Aber er wusste, dass es nutzlos war. Niemand konnte sie hören; niemand konnte mit ihnen sprechen. Für sie existierte die Menschheit praktisch nicht mehr.

Er brütete nicht lange darüber nach; er hatte damit gerechnet, und es gab zu viel zu tun. Mit besonderer Sorgfalt überprüfte er alle Instrumente und Messgeräte. Alles schien völlig normal zu sein, abgesehen davon, dass die Temperatur ein bisschen angestiegen war. Auch damit hatte man rechnen müssen, denn die Staubdecke isolierte sie vor der Kälte des Weltraums.

Seine größte Sorge galt der Dicke dieser Staubschicht und dem Druck, den sie auf das Boot ausübte. Es mussten abertausend Tonnen von diesem Stoff über der Selene liegen — und ihr Rumpf war so entworfen, dass er einem Druck von innen, nicht von außen, widerstehen sollte. Wenn sie noch tiefer sank, zerbrach sie vielleicht wie eine Eierschale.

Pat hatte keine Ahnung, wie tief der Kreuzer schon war. Beim letzten Blick auf die Sterne hatten sie sich bereits zehn Meter unter der Oberfläche befunden, und die Saugwirkung des Staubes mochte sie sehr viel weiter hinabgetragen haben. Es war ratsam, den Innendruck zu erhöhen und damit die Wände zu entlasten, wenn auch der Sauerstoffverbrauch dadurch stieg.