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Lumpengewand herumzugehen und die Leute zu erschrecken. Überrascht bin ich nicht, wenn ich auch nicht geglaubt hätte, daß Mohammed so viel Fantasie und Energie aufbrächte.«

Zusammen mit Walter machte er sich dann auf den Weg ins Dorf. Natürlich kam ich - unaufgefordert - mit, und Evelyn blieb zurück unter Michaels und Abdullahs Schutz.

Im Dorf herrschten eine brütende Hitze und ein unheilvolles Schweigen. Emerson mußte eine ganze Weile kräftig an die Tür der Hütte des Bürgermeisters trommeln, ehe durch einen schmälen Spalt eine lange, gebogene Nase geschoben wurde. Emerson drückte so gegen die Tür, daß der alte Mann ein wenig zurücktaumelte; er fing ihn auf und setzte ihn behutsam auf den Boden.

Es stank fürchterlich in der Hütte, denn Hühner, Ziegen und Menschen drängten sich in einem kleinen, halbdunklen Raum zusammen. Wir wurden nicht zum Sitzen eingeladen, hätten auch keinen Platz gehabt, denn die Hühner belegten einen langen, verdächtig aussehenden Diwan mit Beschlag.

Emerson unterhielt sich arabisch mit den Leuten; verstehen konnte ich kaum etwas, doch aus den Mienen und Gesten ließ sich einiges entnehmen. Der Bürgermeister, ein verhutzelter, knochiger Bursche, benahm sich nicht frech, eher verängstigt.

Allmählich verzogen sich die Menschen, während die Hühner und Ziegen blieben. Nach einer Weile schlüpfte jemand durch einen Hintereingang herein, und ich erkannte Mohammed, der sofort das freundlich geführte Gespräch übernahm und frech wurde. Schließlich schaute er mich an und sagte in englischer Sprache: »Mumie mag nicht Fremde, sollen gehen. Aber nicht Frauen gehen. Mumie mag englische Frauen.«

Der arme alte Vater kreischte verängstigt, als Emerson seinem unverschämten Sohn an die Kehle ging. Walter beruhigte ihn dann wieder. »Komm, komm«, redete er seinem Bruder zu. »Hier können wir doch nichts tun.«

Wir verließen schnellstens die Hütte und waren froh, als wir die zwar heiße, aber immerhin saubere Wüstenluft atmen konnten. Trotz des Mißerfolges richtete Emerson aber sofort seine Schritte in das nächste Dorf. »Wenn die Männer von Haggi Qandil nicht arbeiten wollen, so tun es sicher die von el Till und al Amarnah«, meinte er entschlossen.

Walter versuchte ihm das auszureden. »Radcliffe, du kannst nicht heute den ganzen Tag durch die Wüste laufen. Außerdem hat Mohammed garantiert seine Geschichte schon in den Nachbardörfern verbreiten lassen. Du wirst dort ebensowenig Erfolg haben wie in Haggi Qan-dil.«

Emerson ging schon sehr langsam, aber das Kinn hatte er aggressiv vorgestreckt. Ich beschloß also, der Sache ein Ende zu machen, ehe es ihn in den Sand streckte.

»Walter, lassen Sie ihn«, sagte ich. »Er ist zu stur, als daß er auf vernünftige Argumente hören würde. Wir müssen mit Abdullah und Michael Kriegsrat halten und haben auch sonst noch einiges zu tun. Eigentlich könnten wir damit ja warten, bis Ihr Bruder vor Schwäche ohnmächtig wird, denn dann kann er uns nicht im Weg stehen. Es ist einfacher, ihn zum Lager zu schleppen, als mit ihm zu streiten.«

Emerson hielt sich aber noch immer auf den Beinen, als wir ins Lager kamen, doch Walter zog sich mit ihm sofort zu einer restaurativen Behandlung in die Grabkammer zurück. Danach versammelten wir uns zum Kriegsrat.

Michael, der Christ und Fremde, war im Dorf nicht willkommen und verbrachte daher die Nächte auf dem Boot. Nun hörte er zum erstenmal von den Vorgängen hier und lauschte aufmerksam unseren Erzählungen. Danach fragte ich ihn, welche Vorschläge er dazu habe.

»Verlassen Sie diesen Ort sofort«, riet er uns. »Ich bin vor Dämonen geschützt.« Er berührte dazu sein Kreuz, das er um den Hals trug. »Hier gibt es viele schlechte Menschen. Das Boot wartet. Wir gehen alle, auch die Gentlemen. Das hier ist kein guter Ort.«

Abdullah nickte nachdrücklich. Er war zwar islamischen Glaubens, aber die Mohammedaner sind ebenso abergläubisch wie die Christen.

»Diesen Vorschlag wollte ich auch machen«, sagte ich, und Michael war auf meine Zustimmung sehr stolz. »Gentlemen, Sie müssen einsehen, daß Sie hier jetzt nichts mehr tun können. Ich hielte es für besser, wenn wir uns Arbeiter aus anderen Landesteilen besorgten, die nicht Mohammeds Einfluß unterliegen, und wenn die Dorfbewohner feststellen, daß die Arbeit ohne Zwischenfall weitergeht, dann werden sie selbst einsehen, daß ihre Fluchlegenden reiner Unsinn sind.«

Walter schien sehr beeindruckt zu sein und schaute seinen Bruder an. Ich tat es auch, aber er hatte sein Kinn wieder so angriffslustig vorgeschoben, daß ich ihm am liebsten meine Faust daraufgesetzt hätte.

»Wir könnten doch auch an einer anderen Stelle arbeiten«, schlug Evelyn vor. »Es gibt genug Grabungsmöglichkeiten. Warum warten wir nicht, bis sich hier die Aufsässigkeit gelegt hat?«

»Oh, das ist sehr gut, sehr gut. Wir gehen. Arbeiten in Sackarah, Luxor. Ich kenne Gräber im Tal der Könige«, antwortete Abdullah begeistert. »Königsgräber, die noch nicht geöffnet sind. Wir gehen nach Theben, dort ist mein Haus. Ich habe viele Freunde, die gern arbeiten.«

»Hm. Das wäre ja sehr schön, Abdullah«, meinte Emerson nachdenklich. »Aber du weißt doch, daß ich eine Regierungserlaubnis zum Graben brauche. Maspero wird sie mir sicher nicht geben, weil er hofft, dort selbst etwas zu finden. Und auch das Geld ... Walter, was meinst du dazu?«

Walter hatte unterdessen Evelyn bewundert und erschrak, als sein Bruder ihn ansprach. »Oh, natürlich. Ich werde alles tun, was du vorschlägst, Radcliffe. Aber eines würde ich dringend empfehlen. Egal, ob wir gehen oder bleiben - die Damen müssen hier weg, am besten noch heute. Ich halte es hier zwar nicht für gefährlich, aber es ist unerfreulich, und sie haben uns schon zuviel von ihrer kostbaren Zeit geopfert.«

Das fand ich unendlich rührend von dem jungen Mann. Ja, er war ein echter Brite, der das geliebte Mädchen außer Gefahr wissen wollte, und trotzdem erwies er sich seinem Bruder gegenüber loyal. Evelyn sah mich beschwörend an. Das hieß, daß sie sich meiner Entscheidung fügen würde, aber . Nun, ich hatte nicht die Absicht, mich wegschicken zulassen.

»Der Vorschlag ist zwar gut gemeint, doch ich kann ihn nicht annehmen«, erklärte ich bestimmt. »Entweder wir gehen alle, oder wir bleiben alle.«

Emerson holte so tief Atem, daß es ihm fast die Hemdknöpfe absprengte; sie hingen sowieso recht locker. Bei Gelegenheit mußte ich sie annähen.

»Ah, Miß Peabody, meine liebe Miß Peabody, wie kommen Sie eigentlich dazu, sich in meine Angelegenheiten zu mischen?« murrte er. »Ich bin ein geduldiger Mann und beklage mich kaum einmal. Ehe Sie kamen, war mein Leben friedlich und ruhig, und jetzt benehmen Sie sich, als seien Sie der Expeditionsleiter. Walter hat recht. Die Frauen müssen weg. Peabody, keine Widerre-de! Ich hätte Sie längst verschnüren und auf Ihr Boot bringen lassen sollen. Michael und Abdullah werden das gerne besorgen.«

»Nein, nein. Michael würde Ihnen auf gar keinen Fall gehorchen«, erwiderte ich. »Natürlich wäre ihm lieber, ich wäre von hier weg, aber er hält sich treu an meine Wünsche. Emerson, wir wollen nicht streiten. Mir paßt es nicht, die Arbeit hier aufzugeben, und es wäre lächerlich, wenn der britische Löwe mit dem Schwanz zwischen den Beinen .«

»Du lieber Gott!« ächzte Emerson.

»Also, hier können Sie keine Arbeiter bekommen«, fuhr ich fort, »außer meine Leute . Nein, das geht. Ich schlage vor, wir machen heute alle gemeinsam das Pflaster fertig, Evelyn ihre Skizzen, und abends unterhalten wir uns dann weiter. Wir müssen diese falsche Mumie unbedingt fangen.«