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Zu meinem Bedauern muß ich zugeben, daß Lucas recht behielt. Michael war nirgends zu finden, doch daß er tatsächlich verschwunden war, stellten wir erst fest, als wir unsere Vorbereitungen für die Nacht trafen. Die Diener von Lucas waren längst gegangen, und so konnte ich sie nicht nach Michael fragen. Natürlich machte Lucas sehr abfällige Bemerkungen über ihn. Schließlich drängte er, wir sollten unsere Pläne machen.

»Nun, dann lassen Sie hören, was Sie zu sagen haben«, forderte ihn Emerson auf.

Ich konnte mir gar nicht vorstellen, weshalb Emerson Lucas' Vorschlägen so aufgeschlossen begegnen wollte, denn ich wußte, wie wenig er von ihm hielt. Lucas war schließlich viel jünger und auch recht unerfahren.

»Na, schön.« Lucas blies sich sichtlich auf. »Ich sehe keine Notwendigkeit, das Dorf zu bewachen. Wenn Ihr Schurke Sie verjagen will, dann kommt er hierher, und hier müssen wir auch unsere Kräfte konzentrieren, ohne jedoch etwas davon sehen zu lassen. Sie haben ihn ja schon einmal verscheucht. Er kam ja, wenn man Miß Amelias Aussagen Glauben schenkt, bis zum Eingang ihrer Wohnung .«

»Und da war er auch!« fuhr ich auf.

»Sicher, gewiß . Ich wollte ja auch nicht . Und als Evelyn ihn in der folgenden Nacht sah, kam er vielleicht nur bis zum unteren Hang. Zum Sims kam er sowieso nie. Er scheint gewußt oder mindestens geahnt zu haben, daß Sie auf ihn warten.«

Ich spürte Walters wachsenden Zorn über Lucas' Überheblichkeit und war daher gar nicht erstaunt, daß er, nur mühsam beherrscht, einwarf: »Sie möchten also unterstellen, Lord Ellesmere, daß dieses elende Wesen Abdullah und mich sah. Ich versichere Ihnen .«

»Nein, mein Lieber, ich möchte nur sagen, daß Ihr Freund Mohammed vorher gewarnt worden war!« Emer-sons Protestschrei überhörte er großzügig und fuhr fort: »Ja, Michael, er muß mit den Dorfbewohnern zusammenarbeiten. Ganz gewiß haben sie ihm einen Beuteanteil versprochen.«

»Beuteanteil?« rief Evelyn außerordentlich empört. »Die sind ja so arm, daß sie nicht einmal ihre Kinder kleiden können.«

»Ich sehe schon, es wurde nicht völlig durchdacht«, erwiderte Lucas überlegen. »Ich habe ja einigen Abstand von den Dingen, die in den letzten Tagen hier passiert sind. Ich fragte mich nämlich nach den Motiven dieser Menschen. Bosheit ist keine ausreichende Erklärung, denn sie brauchen das Geld, das ihnen bezahlt wird. Aber diese Fellachen haben seit Jahrhunderten die Gräber ausgeraubt, und ihre Funde füllen die Läden in Kairo und Luxor. Ihr Archäologen beklagt euch, daß euch die Einheimischen bei jedem Grab eine Nasenlänge voraus sind. Ich nehme daher an, daß die Dorfbewohner kürzlich ein Grab mit vielversprechendem Inhalt entdeckten, sonst würde ihnen nicht soviel daran liegen, Sie wegzutreiben, bevor Sie es finden können.«

Natürlich hatte ich darüber auch schon nachgedacht, den Gedanken aber wieder verworfen. »Das hieße ja«, gab ich zu bedenken, »daß die Dorfbewohner mit Mohammed unter einer Decke steckten. Wenn Sie jedoch den zitternden alten Bürgermeister gesehen hätten .«

»Damen sind immer zu vertrauensselig, und die Dorfbewohner sind Lügner und Schurken«, unterbrach mich Lucas.

»Wenn ein solches Grab existierte, könnte mich nur ein Erdbeben vertreiben«, erklärte Emerson.

»Natürlich«, pflichtete ihm Lucas bei. »Um so mehr Grund, die Mumie zu fangen, ehe sie ernstlichen Schaden anrichten kann.«

»Das Problem ist noch lange nicht gelöst, wenn wir die Mumie fangen«, gab Walter zu bedenken. »Sie sagten doch selbst, das ganze Dorf wisse, daß die Mumie nur ein Schreckgespenst ist. Selbst wenn wir sie fangen, ändert das nichts an der Absicht, uns zu vertreiben.«

»Aber wir haben eine Geisel, den Sohn des Bürgermeisters. Er muß uns zu dem Grab führen, und dann bitten wir in Kairo um Verstärkung. Und wir können die Bootsmannschaften zur Bewachung des Grabes abstellen, wenn wir erst den Fluch als unwirksam entlarvt haben. Sie halten die Dorfbewohner sowieso für Wilde. Gemeinsam ist ihnen nur die Angst vor den Toten.«

»Ich glaube niemals, daß Michael der Verräter ist«, sagte ich, »aber wenn, dann wird er das Dorf vor unseren Plänen für diese Nacht warnen. Die Mumie wird also sehr vorsichtig sein.«

»Welch scharfen Geist Sie doch haben!« rief Lucas voll Bewunderung. »Das ist richtig, aber es muß ja so aussehen, als seien wir nicht im geringsten mißtrauisch, so daß wir die Mumie um so sicherer in die Hand bekommen. Nun, ich scheine zum Beispiel etwas mehr getrunken zu haben, als gut ist, aber ich will den Anschein erwecken, fest zu schlafen. Hätten Sie, Gentlemen, das nur auch getan! Es wäre viel überzeugender gewesen. Haben Sie Vorschläge?«

Es wurden einige gemacht und verworfen, so der von Emerson, er wolle eine ganze Flasche Wein austrinken und dann anscheinend schlafend und betrunken im Sand liegen. Und Evelyn erbot sich, nach Mitternacht zu einem Spaziergang aufzubrechen, doch dagegen protestierten wir alle - bis auf Lucas.

»Warum nicht?« meinte er. »Gefahr besteht doch keine. Der Schurke will nur einen von uns allein haben, um einen dummen Streich zu spielen.«

»Halten Sie das etwa für einen dummen Streich?« rief Emerson empört und deutete auf seine verletzte Schulter.

»Sie sind total verrückt. Und du, Walter, hältst überhaupt den Mund, wenn du nicht ruhig sprechen kannst.«

»Wie kann man darüber ruhig sprechen?« fuhr Walter auf. »Ich weiß noch genau, was Mohammed, dieses Schwein, sagte, als wir im Dorf waren.«

»Lucas weiß das doch nicht, Walter«, versuchte ihn Evelyn zu beruhigen. »Ich weiß es, denn ich hörte Amelia und Mr. Emerson darüber sprechen. Mein Vorschlag erscheint unter diesen Umständen sicher vernünftiger.«

Lucas wollte nun wissen, worüber gesprochen wurde, und ich sah keinen Grund, es ihm zu verheimlichen. Aber ich fügte am Schluß hinzu: »Evelyn, es ist reine Eitelkeit, wenn du annimmst, daß die Mumie nur an dir interessiert ist. Mohammed sah mich an, als er sprach, und ich finde es daher nur vernünftig, wenn ich dich auf diesem Spaziergang begleite. Die Mumie hat also die Auswahl zwischen etwas Knusprigem und einer reiferen Dame.«

Davon wollte jedoch Emerson nichts wissen.

»Aber weshalb?« wandte ich ein. »Glauben Sie wirklich, ich sei für eine Mumie nicht mehr anziehend genug? Da muß ich aber schon sehr bitten, mich nicht zu beleidigen.«

»Sie sind eine Närrin, Peabody«, fuhr mich Emerson wütend an. »Und wenn Sie glauben, ich würde etwas so Blödes, Kindisches, Verrücktes ...«

Es wurde dann etwa so gemacht, wie ich es vorschlug. Wir diskutierten den Plan ausführlich. Wir, das waren Evelyn, Lucas und ich, denn Emerson knurrte nur, und Walter schwieg bockig. Er nahm Evelyns Verhalten als Beweis dafür, daß zwischen ihr und Lucas volles Einvernehmen herrschte, und ich ließ ihn in dem Glauben, um eventuellen Spionen einen Streit zu demonstrieren und sie so in die Irre zu führen.

Schließlich zog Lucas sogar eine Pistole. »Ich werde mich immer in Evelyns Nähe halten«, flüsterte er. »Unser bandagierter Freund wird Respekt vor diesem Ding haben, und wenn nicht, werde ich nicht zögern, die Waffe auch zu gebrauchen.«

»Und was ist mit mir?« fragte ich.

Emerson konnte die Gelegenheit nicht ungenutzt vorübergehen lassen. »Gott beschütze jeden, der sich mit Ihnen anlegt, Peabody«, erklärte er bitter. »Wir sollten dem Ding, um ihm die gleiche Chance zu geben, auch eine Pistole geben.« Damit ging er, und Walter folgte ihm. Lucas rieb sich die Hände. Er schien das Abenteuer gar nicht mehr erwarten zu können. Ich ging dann auch, obwohl ich Evelyn nicht gerne mit ihm allein ließ. Sie hatte mir nämlich vorgeschlagen, meinen ganzen Plan noch einmal zu überdenken.